antifa konkurrenzregime 2016Das Bundesheer gewährt 147 „wehrpolitischen Vereinen“ besondere Privilegien, darunter befinden sich auch „paramilitärische Formationen, die knapp am Neonazismus vorbeischrammen“. Die Forderung, die Liste dieser „wehrpolitischen Vereine“ offenzulegen und die braunen Schafe zu entfernen, ist ebenso richtig - wie unzureichend. Die Herausforderungen für einen zeitgemäßen Antifaschismus gehen darüber hinaus.

 

In Österreich gibt es insgesamt 147 Vereine, die vom Verteidigungsministerium als „wehrpolitische Vereine“ anerkannt werden. Diese genießen eine Reihe von Privilegien: Vereinsveranstaltungen können zusammen mit dem Bundesheer veranstaltet werden, Vereinspublikationen werden mit Bundesheer-Inseraten gesponsert; Vereinsmitglieder, die für das Bundesheer arbeiten, erhalten „Sonderurlaub bzw. Dienstfreistellung für Tätigkeiten im Rahmen des Vereins“. Die Vereine dürfen zudem militärische Infrastrukturen des Bundesheeres benützen und in Kasernen verpflegt werden. Das Bundesheer weigert sich, die Namen dieser 147 „wehrpolitischen Vereine“ zu nennen. Verbindungen zur rechtsextremen Szene gebe es nicht, beteuert das Bundesheer. In letzter Zeit wurden jedoch einige Fakten bekannt, die an dieser Darstellung Zweifel aufkommen lassen. So deckte der „Standard“ am 10.2.2017 auf, dass das Bundesheer Mitgliedern des „Rings Freiheitlicher Jugend“ (RFJ) Schießübungen in Braunau ermöglicht hat. Drei Jungblaue gehören zumindest dem Umfeld der rechtsextremen „Identitären“ an. Der grüne Nationalratsabgeordnete Albert Steinhauser warnt vor „paramilitärischen Formationen, die knapp am Neonazismus vorbeischrammen“ (ORF, 28.1.2017). Die Forderung an den Verteidigungsminister, die Liste dieser „wehrpolitischen Vereine“ offenzulegen und die braunen Schafe zu entfernen, ist ebenso richtig - wie unzureichend. Die Herausforderungen für einen zeitgemäßen Antifaschismus gehen darüber hinaus.

Staatsstreich gegen den Staatsvertrag Anfang der 90er Jahre

1990 wurde von der damaligen Regierung Vranitzky in einer staatsstreichartigen Nacht- und Nebelaktion die Artikel 12 bis 16 sowie 22, Z 13 des Österreichischen Staatsvertrags für „obsolet“ erklärt. Der Artikel 12 verbietet den Dienst von Nazis beim Bundesheer. Auch wenn sich dieser Artikel auf die NSDAP und ihre Untergliederungen bezieht, so leitet sich daraus ein aktueller antifaschistischer Auftrag ab, jede Form des Neonazismus im österreichischen Bundesheer zu bekämpfen. Wie wenig „obsolet“ das ist, zeigen die oben angeführten Enthüllungen über die „wehrpolitischen Vereine“ im Umfeld des Bundesheeres. Die Regierung Vranitzky hat 1990 zudem jene Artikel für „obsolet“ erklärt, die den Ausverkauf der Verstaatlichten an deutsche Großkonzerne und die militärische Kooperation mit Deutschland untersagen. Der offensichtliche Hintergrund: Die Vorbereitung auf den EU-Beitritt und die damit verbundene enge ökonomische und militärische Anbindung an Deutschland.

Die militärpolitische Anbindung des österreichischen Bundesheeres an die deutsche Bundeswehr ist seit dem EU-Beitritt immer enger geworden. Sie umfasst den Ankauf von deutschen Kriegsgerät (Leopard-Panzer, Eurofighter), unzählige gemeinsame Militärmanöver, Einrichtung einer deutsch/österreichischen „Gebirgskampfausbildung", gemeinsame Kontingente bei Militärmissionen (Afghanistan, Kosovo, Bosnien, Kongo, Mali,…) und reicht bis hin zu gemeinsamen deutsch-österreichischen EU-Schlachtgruppen („Battlegroups“). Der deutsche Botschafter in Österreich machte sich in diesem Zusammenhang öffentlich darüber lustig, wie sehr die Regierung die Bevölkerung bei der Demontage der Neutralität hinters Licht führt: „Solange ihr mit uns gemeinsam in den Krieg zieht, ist uns euer Status egal.“ (Die Presse, 14.11.2004)

„Besonderer Draht in die Alpenrepublik“

Im Rahmen der verschiedenen Militärmissionen und der EU-Battlegroups sind österreichische Bundesheerangehörige direkt in die Hierarchie der deutschen Bundeswehr eingegliedert. So etwa beim „Multinationalen Kommando Operative Führung“ (MKOF) in Ulm. Als EU Operations Headquarter dient Ulm dazu, globale EU-Militäreinsätze bis zu einer Stärke von 60.000 Mann/Frau zu kommandieren. Rund zehn österreichische Offiziere sind dort bereits seit vielen Jahren unter dem Kommando der deutschen Bundeswehr stationiert und arbeiten an der Vorbereitung und Durchführung von EU-Militärmanövern mit, die unter anderem Militäreinsätze in der Kaukasus-Region bzw. der Ukraine trainieren. Im Anschluss an eines dieser Manöver („European Endeavour 2014“) hob der Befehlshaber des MKOF Ulm, der deutsche Generalleutnant Richard Roßmanith, hervor: "Österreich ist unser stärkster Partner. Wir haben durch die Soldaten im Kommando immer einen besonderen Draht in die Alpenrepublik." (1)

Der oberste österreichische Soldat unter deutschem Kommando war seit 2013 der österreichische Generalmajor Thomas Starlinger - als stellvertretender Chef des Stabs im MKOF Ulm. Vor kurzem ernannte der neue Bundespräsident Alexander van der Bellen diesen Verbindungsoffizier zur deutschen Bundeswehr zu seinem Adjutanten. Damit reicht der „besondere Draht“ der Bundeswehr direkt in die Hofburg.

Die Bestellung Starlingers ist ebenso bedenklich wie konsequent. Denn Van der Bellen war zu jedem Zeitpunkt ein Verfechter der EU-Militarisierung bis hin zum Aufbau einer EU-Armee. Er befürwortete von Anfang an nicht nur die Teilnahme Österreichs an den EU-Battlegroups, sondern sogar deren Einsatz ohne UNO-Mandat. Unter seinem Vorsitz mutierten die Grünen von einer leidlich pazifistischen zu einer offenen Kriegspartei, die manchmal sogar die Regierungsparteien an Bellizismus zu übertrumpfen verstand. Als die seinerzeitige schwarz-blaue Regierung Ende 2002 einen Großteil der österreichischen SoldatInnen aus dem Afghanistan-Einsatz zurückbeorderte, protestierten die Van-der-Bellen-Grünen gegen diesen Rückzug aus dem Kriegsgebiet. Van der Bellen höchstpersönliche pushte 2011 einen Antrag in den österreichischen Nationalrat, der die „internationale Staatengemeinschaft“ zum Krieg gegen Libyen aufrief. Auch für die Entsendung von österreichischen Battlegroups-SoldatInnen in den Libyen-Krieg gaben die Grün-Abgeordneten grünes Licht im Nationalrat.

„Das Gegenteil der Kleinstaaterei ist der Reichsgedanke“

Mit Van der Bellen hat Österreich zum ersten Mal ein Staatsoberhaupt, das die Kleinstaatlichkeit Österreich dezidiert ablehnt, ja als „Kleinstaaterei“ und „Verzwergung“ öffentlich verhöhnt. Bis dahin war diese öffentliche Verachtung der 2. Republik dem deutschnationalen Rechtsextremismus vorbehalten. So jubelte FP- Chefideologe Andreas Mölzer nach dem EU-Beitritt: „Das Gegenteil der neutralen ‚Kleinstaaterei’ ist der Reichsgedanke... Das neue Europa…kann nur an den alten Reichsgedanken anknüpfen. Neutralität, Neutralismus oder schlechthin der Typus des Neutralen werden für dieses Europa uninteressant, ja unverträglich sein.“ (2)

Auch zu deutscher Großmachtspolitik fühlt sich Van der Bellen nicht weniger hingezogen als sein deutschnationaler Kontrahent Norbert Hofer. Die deutsche Dominanz in der EU ist ihm sogar noch zu wenig ausgeprägt. Im März 2016 feuerte er in einer Rede im deutschen Bundestag das deutsche Establishment an, seine Rolle als „verkappter Hegemon“ (3) in Europa noch offensiver wahrzunehmen.

Der neue Herr in der Hofburg hat offensichtlich auch keine Probleme mit der voranschreitenden Aushöhlung der Demokratie - solange sie von „Pro-Europäern“ betrieben wird. So fand Van der Bellen kein Sterbenswörtchen der Kritik an den präfaschistischen Vorstößen des Innenministers („Das Innenministerium tut sein Bestes“, O-Ton Van der Bellen) oder dem Orwellschen Überwachungswahn des neuen SP/VP-Regierungsprogramms.

(Un)heimlicher Anschluss

Der FPÖ und ihren Vorgängerorganisationen waren die österreichische Kleinstaatlichkeit und die Gründungsdokumente der 2. Republik – Staatsvertrag und Neutralitätsgesetzt – schon immer zutiefst verhasst. Die FPÖ sah im EU-Beitritt die Chance, Neutralitätsgesetz und Staatsvertrag „auf dem Misthaufen der Geschichte“  (O-Ton Andreas Mölzer) zu entsorgen. Das Establishment hat Anfang der 90er Jahr das historische Programm des deutschnationalen Rechtsextremismus übernommen: die schrittweise Demontage der 2. Republik und den (un)heimliche Anschluss an die Berliner Machteliten. Dieser erstreckt sich mittlerweile auf nahezu alle Bereiche, von der Ökonomie (Ausverkauf der Verstaatlichten) über eine mit Berlin akkordierte aggressive Außenpolitik (sh. Jugoslawien, Ukraine) bis hin zur militärpolitischen Angliederung an die deutsche Bundeswehr. Die putschartige Eliminierung der oben erwähnten Artikel aus dem Staatsvertrag Anfang der 90er Jahre, die der Anbindung an das wieder erstarkende Berlin im Weg standen, markiert diese Wende.

Rechtsaußen wurde dieses Einschwenken der Regierungsparteien auf die freiheitliche Europa-Politik mit Genugtuung registriert: „Hatte man bisher die Europapolitik der Freiheitlichen als staatsvertragsgefährdend, neutralitätswidrig und anschlussverdächtig vernadert, rissen die beiden Altparteien die europäische Meinungsführerschaft nun an sich und traten in ernsthafte Beitrittsverhandlungen ein. Diese endeten schließlich 1994 mit dem berühmten ‚Ohne-Wenn-und-Aber-Beitritt‘“ zur EU" (4), vermerkte süffisant FPÖ-Rechtsausleger Otto Scrinzi.

Unermesslicher Schaden für den Antifaschismus

Die FP-Führung vermied es freilich, sich allzu laut über diesen Durchbruch zu freuen, um den Doppelpass zwischen EU-Establishment und rechtsaußen nicht zu gefährden, durch den seit den 90er Jahren die 2. Republik in die Zange genommen wird. Die FPÖ konnte in den darauffolgenden Jahrzehnten phasenweise sogar in Opposition zu ihrem eigenen Programm gehen. Das hatte für beide Seiten Vorteile: Die FPÖ erlebte als – scheinbare – Antiestablishmentpartei ungeahnte wahlpolitische Erfolge. Und das EU-Establishment konnte das historische Programm der extremen Rechten ohne den altrechten Mundgeruch viel effizienter umsetzen. Jene, die sich diesem Programm entgegensetzten, konnten sogar als Parteigänger der FPÖ denunziert werden. Im EU-Gewand konnte der (un-)heimliche Anschluss an Deutschland viel geräusch- und widerstandsloser exekutiert werden. Für das neoliberale EU-Konkurrenzregime, das durch Lohnraub, Sozialabbau und Privatisierung immer mehr Menschen ins soziale Abseits drängte, erfüllte die extreme Rechte zudem einen weiteren unschätzbaren Dienst: Die sozialen Abstiegsängste wurden rassistisch kanalisiert, der Widerstand der Betroffenen damit gespalten und gelähmt. Dem Antifaschismus in Österreich hat diese doppelbödige Politik unermesslichen Schaden zugefügt.

2. Republik statt 4. Reich!

Kommen wir zurück zu den rechtsextremen Umtrieben in den „wehrpolitischen Vereinen“ des österreichischen Bundesheeres: Wer die 2. Republik, beruhend auf Antifaschismus (Staatsvertrag) und Friedenspflicht (Neutralität) bekämpft und als „Kleinstaaterei“ denunziert, betreibt das Geschäft der extremen Rechten – mit welchen ideologischen Girlanden diese Politik auch immer umrankt wird. Die braunen Umtriebe in „wehrpolitischen Vereinen“ und anderswo können wir nur dann wirksam bekämpfen, wenn wir dagegen aufstehen, dass die Spitzen des Staates die historische Agenda des deutschnationalen Rechtsextremismus in Österreich exekutieren.

Die EU-Eliten wollen Euro-Krise, Brexit und Trump dafür nutzen, um einen neuen EU-Militarisierungsschub durchzupeitschen. Unverkennbar ist der Drang der Berliner Machteliten in Richtung eines deutsch beherrschten Kerneuropas, den Interessen der exportorientierten Großkonzerne verpflichtet, entsprechend aggressiv nach außen und autoritär nach innen. Das „reichische Europa“ des Andreas Mölzer nimmt zunehmend Kontur an. Die kleinstaatliche 2. Republik war die antifaschistische Konsequenz aus den verheerenden Verstrickungen Österreichs in imperialistische deutsche Großmachtspolitik, die in zwei Weltkriegen und dem Holocaust mündete. Und sie ist die antifaschistische Alternative zum „4. Reich“. Die Verteidigung oder besser: die Wiedererringung und Weiterentwicklung der 2. Republik, die völlige Wiederherstellung des Staatsvertrags statt der Anbindung an die Berliner Machthaber, der Ausbau des Sozialstaats statt der Unterordnung unter das EU-Konkurrenzregime, eine aktive Friedens- und Neutralitätspolitik statt Mitmarschieren bei einer nach innen und außen aggressiven EU-Großmacht - das sind die Herausforderungen eines zeitgemäßen Antifaschismus.

Gerald Oberansmayr
(16.2.2017)

Quellen:
(1) www.kommando.streitkraeftebasis.de, 23.10.2014
(2) Servus Österreich – Der lange Abschied von der zweiten Republik, Andreas Mölzer, Berg 1996
(3) zitiert nach Kurier, 4.3.2016
(4) Otto Scrinzi, Imperium – Reich – Europa, in: Andreas Mölzer, Europa im rechten Licht, Wien 2004