Das Ergebnis des Volksbegehrens „Für eine Volksabstimmung über CETA!“ fiel desaströs aus. Mit rund 28.000 Unterschriften blieb es weit unter der 100.000er Grenze, die notwendig gewesen wäre, um vom Nationalrat behandelt zu werden. Laut Umfragen sind drei Viertel der ÖsterreicherInnen gegen CETA, ein Volksbegehren Anfang 2017 erhielt noch über 560.000 Unterschriften. Wie ist dieser Absturz erklärbar?

Zum Einen: Viele haben von diesem Volksbegehren gar nichts erfahren, weil es über die Medien – im Vergleich zu anderen Volksbegehren – regelrecht totgeschwiegen wurde. Doch die Gründe liegen tiefer: Denn auch jene politischen Kräften, die jahrelang als Kämpfer gegen CETA, TTIP, TiSA & Co in Erscheinung getreten sind, haben dieses Volksbegehren - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - schlicht ignoriert. Manche mag abgeschreckt haben, dass der Initiator Robert Marschall für fortschrittliche Kräfte wahrlich kein Sympathieträger ist. Entscheidender dürfte aber wohl gewesen sein, dass sich wichtige CETA-kritische Kräfte nach der Ratifizierung von CETA durch die türkis-blauen Regierungsparteien in eine fatale politische Sackgasse verrannt haben. Zur Erinnerung: VP und FP haben CETA ohne Verfassungsmehrheit im Parlament durchgedrückt. Die FPÖ absolvierte einen kapitalen Bauchfleck. Statt sofort alle Kraft auf die Losung nach einer Volksabstimmung zu richten, entschieden sich Kräfte wie ATTAC, Arbeiterkammer ua., das größtmögliche Eigentor zu schießen. Ihre Forderung: Der EUGH solle entscheiden, ob die Ratifizierung von CETA rechtens sei. Das heißt ein 15-köpfiges Richtergremium, das sich bisher als Turbomotor des neoliberalen Freihandels profiliert hat, solle das letzte Wort über das neoliberale Freihandelsabkommen CETA haben - statt Millionen wahlberechtiger ÖsterreicherInnen in einer Volksabstimmung. Das ist nicht nur demokratiepolitisch unerträglich, auch verfassungsrechtlich gibt es triftige Argumente für eine  Volksabstimmung über ein Freihandelsabkommen, das mit der Sonderjustiz für Konzerne tief in die österreichische Verfassung eingreift. Bundespräsident Van der Bellen und FPÖ-Chef HC Strache nahmen diesen Ball der „Zivilgesellschaft“ gerne auf. Erstere konnte sich damit von seinen Wahlversprechen im BP-Wahlkampf, CETA nicht zu unterschreiben, geräuschlos verabschieden, zweiterer vom CETA-Umfaller der Freiheitlichen ablenken.

Erst diese politische Fehlorientierung öffnete für politische Glücksritter wie Robert Marschall den Spielraum, ein CETA-Volksbegehren einzuleiten, das er selbst offensichtlich nie wirklich ernst nahm. Er versuchte nie, dieses Volksbegehren auf eine breitere Basis zu stellen und startete parallel dazu eine irrwitzige Lawine weiterer Volksbegehren. Jede/r, der/die auch nur ein wenig Ahnung, mit wieviel Aufwand es verbunden ist, ein einziges Volksbegehren ernsthaft zu betreiben, weiß, dass eine solche Vorgehensweise Realitätssinn bzw. Verantwortungsbewusstsein vermissen lässt.

Als Solidarwerkstatt haben wir trotz dieser unglücklichen Ausgangslage zur Unterstützung des CETA-Volksbegehrens aufgerufen, weil wir es als die letzte Chance gesehen haben, noch Sand ins Getriebe der CETA-Beschlussfassung zu bringen. Freilich hatten wir die Erwartung, dass andere Kräfte folgen würden. Das ist weitgehend nicht geschehen. Das hat zu der skurrilen Situation geführt, dass die Solidarwerkstatt nahezu die einzige Organisation war, die im Vorfeld und während der Eintragungswoche mit Flyern, Plakaten, Pickerln, Zeitung, Online-Aktivitäten und auf der Straße für die Unterstützung des Volksbegehrens mobilisierte. Für das Volksbegehren aufgerufen haben auch noch die Mahnwache „Selbstbestimmung statt Freihandel“, einige GemeinderätInnen der KPÖ aus dem steirischen Murtal sowie da und dort SPÖ-Sektionen. Selbst der Initiator Marschall verabschiedete sich völlig von der Bewerbung des von ihm eingeleiteten Volksbegehrens. Das Ergebnis fiel entsprechend ernüchternd aus.

Ein erstes Resümee: Den bisherigen vier Akten der Schmierentragödie zu CETA, wurde ein fünfter hinzugefügt. Dem politischen Establishment ist gelungen, die große Bevölkerungsmehrheit auszumanövrieren, indem immer exakt jene umgefallen sind, die es in der Hand gehabten hätten, CETA zu verhindern. Die Opposition hat es einmal mehr geschafft, eine Großchance, die türkis-blaue Regierung, insbesondere die FPÖ, ernsthaft unter Druck zu bringen, grandios zu vergeigen. Weil sie vor einer offene Konfrontation mit der EU zurückscheute? Weil sie lieber einer Handvoll neoliberaler EU-RichterInnen vertraut als der österreichischen Bevölkerung?

Und: Es hat sich einmal mehr erwiesen, wie wichtig es ist, politische Kräfte wie die Solidarwerkstatt zu stärken, die völlig unabhängig vom politischen Establishment sind. Das letzte Wort beim Kampf gegen den neoliberalen Freihandel, der über die EU derzeit mit voller Wucht fortgesetzt wird (sh. JEFTA, EPA, Mercosur ua), ist noch lange nicht gesprochen. Es gilt aus den Erfahrungen beim Kampf gegen CETA zu lernen.
(April 2019)