„Koste es was es wolle…“ und „Niemand wird zurückgelassen…“ versprach Bundeskanzler Kurz. Die Gemeinden und ihre BürgerInnen waren damit offensichtlich nicht gemeint.

Ein gesellschaftliches Fundament Österreichs, damit alle Menschen eine noch funktionierende Daseinsfürsorge und Infrastruktur in Anspruch nehmen können, sind nicht die zweifelhaften Versprechend der Bundesregierung. Es ist die verantwortungsvolle Arbeit in den 2095 österreichischen Gemeinden, welche BürgermeisterInnen, GemeinderätInnen und öffentlich Bedienstete, trotz widriger Umstände - autoritärer Länderfürsten und sparwütigen Bundeshäuptlinge - noch leisten können.

Diese Leistungen zu erbringen, wird durch das erzwungene Zurückfahren der Wirtschaft und öffentlichen Lebens durch die Bundesregierung, aufgrund Covid 19, zur budgetären und rechtlichen Gratwanderung für Entscheidungskräfte in allen Gemeinden. Das äußert sich großteils im Erodieren der lebensnotwendigen Bundesertragsanteile, die ein Grundbaustein der Gemeindebudgets darstellen. Die bedeutendsten Teile des Bundesfinanzausgleichs sind die bundesweit eingehobene Umsatzsteuern und Lohnsteuern, mit einem Aufkommen von aktuell rund 29 bzw. 27 Milliarden Euro. Genau genommen geht es um rund 85 Milliarden Euro pro Jahr, von denen die Gemeinden in der Regel 11,883 % erhalten, die so genannten “Ertragsanteile”.

Minus 11% im Mai, minus 31,5% im Juni

Im österreichischen Durchschnitt sanken, Covid 19-pandemiebedingt, im Juni 2020 die Bundesertragsanteile für alle Gemeinden um 31,5% gegenüber dem Juni des Vorjahres.

An der Verliererspitze stehen die Kommunen im Burgenland mit einem Minus von 34,9% für ihre derzeitigen Gemeindehaushalte. Das stellt nach den bereits gesunkenen Mai-Vorschüssen von minus 11% einen dramatischen Verlust an Geldern in den öffentlichen Gemeindekassen dar (1).

Ausgelöst wurde diese budgetäre Talfahrt, durch die explodierende Arbeitslosigkeit auf über 500.000 Arbeitnehmerinnen, massenhafte Kurzarbeit von über 1,2 Mill. Lohnabhängigen. Eine einmalige Situation in der zweiten Republik. Dazu gesellt sich noch die Reduktion des Konsums und der Einbruch im kulturellen Leben.

Wo bitte soll noch gespart werden?

Der in dieser Budgetsituation weltfremde und zynische Ratschlag der IKT OÖ (Direktion Inneres und Kommunales der Landesregierung) an die OÖ Bürgermeisterinnen, jetzt bei den Gemeindebudget doch einmal so richtig zu sparen, raubt uns Gemeindemandataren die Luft. Wir sind den Bürgerinnen und Bürgern in Österreich und nicht den jeweiligen Landesregierungen verpflichtet. Und wo bitte soll da noch gespart werden?

Für die seit Jahrzehnten niedergesparten Gemeinden müssen trotz Covid 19-Pandemie den Betrieb aufrecht erhalten. Trotz fehlender hunderter Millionen Euro in ihren Budgets. Die finanzielle Absicherung dafür fehlt jedoch gänzlich. Sowohl vom Bund als vom Land sind uns Einnahmen weggenommen worden. Siehe Getränkesteuer oder explosionsartig steigende Leistungen für die Sozialhilfeverbände, da sich Land und Bund von diesen Verantwortungen heraussparen.

Aber für die Gemeinden sind Personalkosten für Bildung, Bauhof, Friedhof, Finanzen, Kinderbetreuung, Pflege, Kranke und vieles andere mehr, weiterhin zu leisten oder gar den wachsenden sozialen Bedürfnissen der Menschen in der Pandemie entsprechend auszuweiten. Im jährlichen Budgetrahmen der meisten Gemeinden stehen diese Kosten oftmals mit ca. 70-80% als Fixkosten im Budgetvoranschlag. Felsenfest, ohne an den sozial notwendigen Leistungen zu rütteln! Den Rest im Gemeindebudget machen Subventionen (z.B. für Feuerwehr, Musi-, Sport- und Kulturvereine), Investitionen und Instandhaltungen aus. Bei Instandhaltung und Investitionen der Gemeinden wird so weit wie möglich die regionale Wirtschaft beauftragt. Das sichert Arbeitsplätzen und bringt über den Umweg der Kommunalsteuer auch wieder Geld in die Gemeindekassen. Sofern die „segensreichen“ EU-Entsende-, Dienstleistungs- oder Ausschreiberichtlinien für Auftragsvergaben laut EU-Verordnungen nicht etwas anderes einfordern.

Nochmals, wo bitte soll da noch gespart werden, wenn schon die bisherigen Spardiktate der Europäische Union unsere Instandhaltungen und Investitionen für die Zukunft beeinträchtigt haben? Vereine zusperren und Feuerwehr kaputtsparen? Der EU-Fiskalpakt und die österreichische Schuldenbremse erzwingen seit 2013 von Gemeinden budgetäre Überschüsse zu erwirtschaften! Volkswirtschaftlich ist das völliger Unsinn, da Gemeinden keine Sparvereine sondern Daseinsfürsorger sind. Eine neokonservative und unsoziale Scheinlösung.

Mogelpackung Gemeindemilliarde

Die Bundesregierung hat nun eine sog. Gemeindemilliarde beschlossen. Bundeskanzler Kurz spricht von „einer noch nie da gewesene Investition … Eine Milliarde Euro wird vom Bund zu den Gemeinden fließen, um Projekte wie den Bau oder die Sanierung von Kindergärten, Schulen, Senioreneinrichtungen, Sportstätten und den Breitbandausbau zu unterstützen.“

Diese Aussage des Kanzlers klingt gut, ist aber eigentlich der Gipfel an Zynismus. Denn Bundeskanzler Kurz hat vergessen, den BürgerInnen mitzuteilen, dass diese Milliarde muss von den Kommunen in gleicher Höhe mitfinanziert werden muss, da es sich um eine Ko-Finanzierung des Bundes handelt. Wer genau hinsieht, wird bemerken, dass sich Banken schon die Hände reiben. Denn die Mehrheit der Gemeinden wird sich eine solch ko-finanzierte Investition aufgrund ihrer angespannten, häufig defizitären Budgetlage aus ihrer freien Finanzspitze heraus gar nicht leisten können. Die medial großspurig angekündigten Gelder bleiben aller Wahrscheinlichkeit nach aufgrund der tristen kommunalen Finanzlage unangetastet liegen.

40 Milliarden fehlende Investitionsmilliarden seit 1994

Der andere Teil der Gemeinden wird sich diese Investitionen nur mittels bei Banken aufgenommener Kredite leisten können. Eine zusätzliche, eigentlich verpönte Verschuldung der Gemeinden, ausgelöst durch diese Bundesregierung, wird damit provoziert. Ein lukratives Geschäftsmodell für Banken. Wieso? Da die Gemeinden im letzten Jahr von der bisherig ausreichenden kameralistischen Finanzgebarung auf die doppelte Buchhaltung umgestellt wurden. Damit hat alles derzeitige Gemeindeeigentum neuerdings einen wirtschaftsorientierten budgetären Wert bekommen. Jeder Meter Straße, Gehsteig, Kanal- und Wasserleitung, jede Bildungseinrichtung, jedes Kabel und Beleuchtung, jedes Amtshaus und Bauhof, Schwimmbad und öffentliche Gemeindewohnung, alles in der Gemeinde hat nunmehr seinen marktwirtschaftlichen Preis bekommen. Was für ein Fortschritt in der radikal neoliberalen Logik. Nun endlich sind Gemeinden im freien Markt angekommen. Das hat aber einen fatalen Preis. Nun endlich kann, nicht nur theoretisch, eine Gemeinde aufgrund zu hoher Verschuldung auch in Konkurs gehen, da Haftungen auf Gemeindevermögen zum Ausverkauf und somit Verlust von Deckungen, unumkehrbar schlagend werden können.

Das ist für die zweite Tatsache deshalb doppelt erwähnenswert, da seit 1994, dem Jahr der Volksbefragung zum Beitritt in die Europäische Union, ein folgeschwerer Rückgang von öffentlichen Investitionen der Gemeinden, gemessen an Prozenten des Bruttoinlandsprodukt (BIP), stattgefunden hat. Eine kaum aufholbare Investitionslücke tut sich seit geraumer Zeit auf und bedroht die finanziell geschwächten Gemeinden mit ihrer Versorgungssicherheit, ja sogar in ihrer Existenz. Seit 1994 ist der Anteil der Investitionen durch Gemeinden am BIP, schwankend von 1,3% auf unter 0,8% des BIP gesunken (sh. Grafik). Addiert man zusammen, was aufgrund dieses Rückgangs an Gemeindeinvestitionen NICHT getätigt wurden, erhält man staatliche 40 Milliarden Euro. In den letzten Jahren gab es zwar wieder einen leichten Anstieg, aber für das Jahr 2020 droht ein Absturz ins Bodenlose.(2) Diese nicht getätigten Gemeindeinvestitionen von über 40 Mrd. Euro bedeuten: zugesperrte Schwimmbäder, geschlossene Krankenhäuser, stillgelegten Eisenbahnen, aufgelassenen Buslinien, nicht gebauten Turnhallen und Kindergärten, löchrigen Dächer, undichten Wasser und Kanalleitungen und vieles andere mehr.

Gemeindeinvestitionen

Gemeinden vor dem Konkurs?

In Anbetracht dieser desaströsen Umstände, stellte Bundeskanzler Kurz mit seiner Bundesregierung im Juni 2020 öffentlich klar:

„Alle müssen den Gürtel enger schnallen….“, alle Gebietskörperschaften werden den Gürtel enger schnallen müssen. (3)

Seit Jahrzehnten wird die Investitionskraft der Gemeinden prozentuell am BIP vorsätzlich heruntergefahren und müssen laut EU-Fiskalpakt Überschüsse erwirtschaften. Und dann werden Gemeinden in Krisen wie derzeit aufgefordert, Investitionen zur Hälfte fremdfinanziert zu stemmen. Das ist entweder Stammtischökonomie, oder es steckt eine andere Agenda dahinter, nämlich eine, die bereits in der Steiermark praktiziert wurde. Dort wurden 542 „selbstbestimmte“ und „autonome“ Gemeinden im Jahr 2015 zu 287 fremdbestimmten Gemeinden zwangsfusioniert. Im sogenannten demokratischen Österreich.

In der Literatur findet sich folgendes. Der österreichische Oberste Gerichtshof hat 1933 sich mit einem drohenden Konkurs einer österreichischen Gemeinde auseinandersetzen müssen, nämlich der steirischen Gemeinde Donawitz. Das Regelwerk zu drohenden Konkursen von Gemeinden ist schütter, doch für Exekutionsverfahren gegen überschuldete Gemeinden findet sich unter §15 der Exekutionsordnung, bzw. §16 des Finanz-Verfassungsgesetz 1948 ein Regelwerk. Geschützt sind in solchen Verfahren jene Gemeindevermögen, welche für eine Erfüllung der Daseinsfürsorge benötigt werden. Auch können Abgaben an die Gemeinde im drohenden Konkursfall nur sehr beschränkt verpfändet oder zwangsvollstreckt werden. Aber eine nicht wohlwollende Landesregierung kann in einem solchen Fall beim Finanzministerium eine Ausnahmebewilligung auf Antrag einfordern und sehr wohl eine Gemeinde in den finanziellen Orkus schicken.

Der drohende Konkurs der steirischen Gemeinde Donawitz wurde im Jahr 1933 vorerst abgewendet.

Die vom Konkurs bedrohte, finanzschwache Gemeinde Donawitz wurde etwas später in die Gemeinde Leoben, wie es so schön heißt, eingemeindet.

Im Jahr 1939!

Rudolf Schober, Gemeinderat in Ottensheim (OÖ)
(30.06.2020)

Quellen:

  1. OÖ GZ, Juni 2020 S.20-21
  2. Werkstattblatt 2/2020 S.13
  3. Kommunal 06/2020 S. 18