Maria Ziesler über die Mordmaschinerie im Konzentrationslager Mauthausen und die Befreiung am 5. Mai 1945.

Das KZ Mauthausen mit seinen 49 Nebenlagern war Teil der nazifaschistischen SS-Institution im Deutschen Reich. Die SS (Schutzstaffel) galt als „Führungsorden“ auf Basis biologischer Auslese; als „Oberschicht des germanischen Volkes“. Sie sollte, so Himmler in einer Ansprache 1939, „...in 20 bis 30 Jahren wirklich die Führerschicht für ganz Europa stellen.“

Ende April 1938 wurde die „Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH“ gegründet. Dazu gehörten die deutschen Großziegelwerke in Sachsenhausen und Buchenwald und die Granitsteinbrüche Flossenbürg, Mauthausen und Gusen, wo je ein Konzentrationslager errichtet wurde. Waren es anfangs politische Gegner, Wehrdienstverweigerer und nicht den arisch-rassischen Gesichtspunkten entsprechende Bevölkerungsgruppen, so kamen bald immer größere Transporte mit Kriegsgefangenen von der Ostfront in die KZs. „Unerwünschte Volkstumsangehörige durch Arbeit zum Tode zu befördern“ oder „Arbeit macht frei“ waren die Losungen, unter der Menschen massenweise einer Vernichtung durch Arbeit ausgesetzt wurden. Und aus all diesen unfassbaren Verbrechen schöpften hunderte bis heute bestehende Firmen und Unternehmen immensen Reichtum.

Massenrepressalien und Vernichtung

Anstelle von „Hinrichtung“ oder „Exekution“ verwendete die SS die Tarnbezeichnung „Sonderbehandlung“. Gaskammer, Genickschussecke, Erschießungsstätte wurden als „Sonderbauten“ bezeichnet.
Häftlinge, deren Rückkehr aus dem KZ unerwünscht war, erhielten in ihren Einweisungsakten den Vermerk „RU“, „Rückkehr unerwünscht“. Das KZ Mauthauen war als Lager der Stufe III eine Liquidierungsstätte ohne Gerichtsurteil für politische Gegner. Eine andere Gruppe wurde in der „Aktion-K“, (Kugel), erfasst, das betraf jene, die bald nach ihrer Einweisung erschossen wurden. In dieser Aktion wurden hauptsächlich sowjetische Kriegsgefangene ermordet.
Neben der Arbeit im Granitsteinbruch erlitten die ohnehin schon geschwächten Häftlinge „Sonderbehandlungen“, Folterungen durch Marterwerkzeuge, Schikanen, Demütigungen und Repressalien. Die Phantasie der SS-Leute und ihrer Häftlingsfunktionäre war unendlich.
„Badeaktion“ war eine SS-Bezeichnung für die Tötung von Häftlingen in den Duschräumen.
Der französische Offizier Jacques Le Bellon de Dione, der mit einem Gefangenentransport aus dem KZ Sachsenhausen ins KZ Mauthausen überstellt worden war, überlebte eine solche „Badeaktion“. Er schilderte vor dem Nürnberger Kriegsgericht folgendes:
„Eines Tages mußten wir uns ausziehen. Wir waren vollständig nackt, bei einer Temperatur von 10 Grad unter null. Gegen 6 Uhr abends wurden wir, immer noch nackt, zwischen die Küche und die äußere Lagermauer geführt. Wir warteten......um 11 Uhr abends wurden wir versammelt und in Anwesenheit eines Offiziers, zu den Duschen geführt. Der Offizier machte einige Scherze mit seinem Revolver und tötete so einige, die es gerade traf. Dann gingen wir in den Duschraum, der durch die SS-Leute und die Lagerpolizei bewacht wurde. Sie öffneten die Duschen und wir blieben eine halbe Stunde unter dem eisigen Wasser. Wir verließen sie unter heftigen Knüppelschlägen; einige waren schon unter der Dusche gestorben. Diese Prozedur wurde um 3 Uhr und 4 Uhr morgens wiederholt. Um 7 Uhr morgens kamen die SS-Leute an, mit Knüppeln bewaffnet; die Überlebenden – wir waren etwa 200 – mußten im Zickzack die beiden Mauern ‚Küchenmauer und äußere Lagermauer‘ entlanglaufen. Das Spiel bestand darin, daß wir von einer Mauer zur anderen laufen mußten. Diese Parade dauerte bis 8 Uhr morgens. Sie bemerkten dann, daß es nicht schnell genug ging, und sie holten Beile. Es gelang mir, den Schlägen zu entgehen. Gegen 8 Uhr morgens endlich stellten sie das Morden ein, wir hatten dreihundertvierzig Kameraden verloren und waren nur noch sechzig.“

General Dmitrij Michailowitsch Karbyschew

Einer, der ebenfalls aus dem KZ Sachsenhausen ins KZ Mauthausen überstellt worden war, aber die „Badeaktion“ nicht überlebte, war der sowjetische General Karbyschew. Dieser hatte eine Untergrundorganisation im KZ Sachsenhausen geleitet, die einen Ausbruch geplant hatte. Kurz vor der Verwirklichung des Planes flog die Gruppe auf. Er wurde mit 2500 Häftlingskameraden ins KZ-Mauthausen verschickt, wo sie am 15.2.1945 ankamen. Ungefähr 400 alte und kranke Häftlinge wurden in der darauf folgenden Nacht der „Badeaktion“ zugeführt. Karbyschew war im August 1941 in Belarus gefangen genommen worden. Als ranghoher General und Doktor der Militärwissenschaften, war er ein willkommenes Pfand für die Faschisten. Zwischen seinen Gefangenschaften in zehn verschiedenen Konzentrationslagern (Stalag-324 Ostrow-Masowieka, Samostje, OFLAG XIII-D Hammelburg, Gestapo-Gefängnis Berlin, Verteilungslager ROA in Breslau, Gefängnis Nürnberg, KZ Flossenbürg, KZ Majdanek, KZ Auschwitz-Birkenau, KZ Sachsenhausen) wurde er mehrmals nach Berlin gebracht. Ihm wurde von den Nazis alles Mögliche angeboten, um ihn auf ihre Seite zu ziehen. Vergeblich. „Mit der Heimat handle ich nicht“, war stets seine Antwort. Der nicht korrumpierbare kommunistische General Karbyschew, der während seiner dreieinhalbjährigen Gefangenschaft nicht nur außerordentlichen Widerstandswillen zeigte, sondern auch eine vorbildliche Kameradschaft mit seinen Mithäftlingen lebte, starb im KZ Mauthausen, in seinem elften KZ, während der „Badeaktion“ nackt bei minus zehn Grad im 65. Lebensjahr gemeinsam mit 400 Mithäftlingen am 18.2.1945. An diesem Platz wurde 1964 ein Denkmal errichtet, gestaltet von Alois Langthaler, dem Bruder der Frau Anna Hackl. Diese riesige, weiße Skulptur zeigt den standhaften Mann mit entschlossenem Blick und ebensolcher Körperhaltung im Eisblock.

Heuer wurde die Russische Schule in Wien nach dem standhaften General benannt. Am 18. Februar wurde die Gedenktafel an der Schule im Rahmen einer Feier enthüllt. Dabei war Dmitrij A. Karbyschew, der Enkel des Generals, mit seinem Sohn Artjom anwesend. Für den Enkel geht es nicht einmal darum, wie sein Opa gestorben ist, „sondern darum, wie er sich dreieinhalb Jahre lang in der faschistischen Gefangenschaft bewährt hatte.“

Die Befreiung naht

Mit dem Vorrücken der Roten Armee und der Westalliierten stieg die Hoffnung der Häftlinge in den ersten Monaten des Jahres 1945 auf baldige Befreiung. Die Wachmannschaften wurden nervöser. Verschiedene KZs und Nebenlager wurden aufgelöst, Beweismaterialien vernichtet, die Häftlinge in Zügen oder zu Fuß in Todesmärschen nach Mauthausen in Gang gesetzt, Tausende auf dem Weg erschlagen oder erschossen. Am 23.4. wurden in Gusen 600 Kranke und Körperschwache mit Äxten und Stöcken erschlagen. Am 28.4. wurden 33 oberösterreichische Widerstandskämpfer exekutiert. Insgesamt gab es im April 10.868 registrierte Todesfälle in Mauthausen, unbekannt ist die Zahl der ermordeten nichtregistrierten Häftlinge.

Bis zum 3. Mai verließen die SS-Angehörigen nach und nach das KZ. Das Internationale Mauthausen Komitee unter der Leitung von Dr. Heinrich Dürmayer und Hans Marsalek übernahm am 4.5. die Verwaltung des Haupt- und Sanitätslagers. Am 5.5. erreichten US-Panzerspähwagen das Lager mit den halb verhungerten, lebenden Skeletten. „Es war, als hätte sich ein Massengrab geöffnet.“

Maria Ziesler
(März 2020)