ImageIsland und Zypern standen/stehen vor ähnlichen Problemen. Doch während sich das Nicht-EU-Land Island auf dem Weg der wirtschaftlichen Erholung befindet, wird Zypern von der "Troika" auf den Weg nach unten geschickt. Ein Kommentar von Andreas Wehr.


Der für Zypern beschlossene »Rettungsplan« wird nun auch dieses Land auf den Weg nach unten schicken, dorthin, wo sich die anderen Defizitländer bereits befinden. Zugleich wird Zypern trotz der Hilfen für seine Banken als Finanzplatz ausfallen.

Falsch war bereits der ganze Ansatz: Zyperns Regierung suchte bei den übrigen Euro-Ländern um eine Finanzierung, ein Bail-out für seine angeschlagenen Banken, nach. So wie die Islands und Irlands hatten auch sie das ganz große Rad drehen wollen. Gestützt wurde dies von einer Politik, die mit allen Mitteln Geld von außen anzog: Mit hohen Zinsen, extrem niedrigen Unternehmenssteuern und einer laxen Handhabung der Geldwäscheregelung.

Island, das ein ähnliches Modell hatte, trennte sich 2008 mit einem klaren Schnitt davon. Die Spekulationsbanken wurden verstaatlicht und abgewickelt. An ihre Stelle traten neue, die die kleinen Sparer übernahmen. Die großen, aus der EU stammenden institutionellen Anleger gingen hingegen leer aus. Island konnte sich dies erlauben, da es nicht der EU angehört. Als Finanzplatz ist das Land seitdem aber Geschichte, viele Isländer verloren zudem ihr Erspartes. Die Insel musste sich mühsam auf ihre traditionellen Stärken, auf Fischerei, Landwirtschaft und Tourismus, besinnen. Zumindest wächst seit 2009 seine Wirtschaft wieder.

Irland ging den umgekehrten Weg. Es hielt an seinem überdimensionierten Bankensystem fest. Die unverkäuflich gewordenen Immobilien wurden von einer Bad Bank übernommen. Mit Hilfe eines von den Euro-Ländern finanzierten Bail-outs wurde den Banken der Forderungsausfall ersetzt. Die Besitzer und Gläubiger der Finanzhäuser, vor allem die aus Deutschland und Großbritannien, waren zufrieden. Allerdings sprang die Staatsschuld Irlands auf Rekordhöhe. Es wird Jahrzehnte dauern, bis die Lasten abgetragen sein werden.

Der nun für Zypern gewählte Weg vereint die Nachteile beider Vorgehensweisen. Am überdimensionierten Bankensystem wird grundsätzlich festgehalten, indem es mit einem Bail-out von über zehn Milliarden Euro über Wasser gehalten wird. Das Land zahlt für diesen »Rettungsschirm« mit rigiden Kürzungen und Privatisierungen. Der wirtschaftliche Ruin der Realwirtschaft Zyperns ist somit vorgezeichnet. Da die ausländischen Einleger bei den Banken aber nicht aus Kerneuropa, sondern vor allem aus Russland stammen, sollen sie bei Einlagen oberhalb von 100000 Euro an den Verlusten beteiligt werden. Eine der angeschlagenen Banken wird sogar abgewickelt bzw. mit einer anderen fusioniert. Mit solchen Maßnahmen wird das Vertrauen in den Finanzplatz Zypern zerstört. Absehbar ist ein riesiger Kapitalabfluss, an dem auch die vorübergehende Aussetzung des freien Kapitalverkehrs nichts ändern kann. Als günstiger Finanzplatz taugt Zypern künftig nicht mehr. Nach der Brüsseler Entscheidungsnacht bleibt das Land ohne jede Perspektive.
(erschienen in: Junge Welt, 26.03.2013)

Andreas Wehr ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke des Europäischen Parlaments in Brüssel. Von ihm erschien bereits im Februar 2013 folgende Analyse zur Situation in Zypern
Im Fadenkreuz der Troika (in: Junge Welt, 15.02.2013)