ImageDas Werkstatt-Blatt führte ein Gespräch mit Raymond Karner, ArbeiterInnen-Betriebsrat bei der AGO GmbH, über den Arbeitskampf der LeiharbeiterInnen im Wiener AKH.

 

Werkstatt-Blatt: Du bist Betriebsrat der Leiharbeitsfirma AGO, ein noch sehr junger Betriebsrat, der bereits mitten in einem heftigen Kampf um 1.000 Arbeitsplätze im Wiener AKH steht.

Raymond: Schon der Gründung des Betriebsrates in der AGO ging im Vorjahr eine heftige Auseinandersetzung voraus. Die Geschäftsführung versuchte zunächst mit allen Mitteln - durch eine Auslagerung und der anschließenden Kündigung des Wahlvorstandes - die Gründung eines Betriebsrats zu verhindern. Einige Kollegen und ich waren sogar ein Jahr arbeitslos, weil wir – einen Tag vor der Betriebsratswahl! – gekündigt wurden. Nach äußerst zähem Ringen haben wir schließlich durchgesetzt, dass uns die AGO wieder einstellen und uns als Betriebsrat anerkennen muss. Die AGO ist eine reine Leiharbeitsfirma. Der größte Teil der Beschäftigten, rd 1.000 Leute, arbeiten als LeiharbeiterInnen im AKH-Wien. Der Großteil im Reinigungsbereich, aber hunderte arbeiten auch als AbteilungshelferInnen, KrankenträgerInnen, Proben- und BefundläuferInnen, usw.

Das AKH will die AGO draußen haben. Sie hat zwar offiziell den Vertrag mit der AGO noch nicht gekündigt, aber im größten Bereich, dem Reinigungsbereich, hat sie schon die Ausschreibung durchgeführt und an mehrere andere Firmen die Zuschläge für die Zeit nach dem 1. Juli 2014 vergeben. Auf Grund einer 9-monatigen Kündigungsfrist wird voraussichtlich bis zum 30. September 2013 die Kündigung des AGO-Vertrages für den Reinigungsbereich erfolgen. Auch für die anderen Bereiche zeichnet sich die Aufkündigung des Vertrages ab.

Werkstatt-Blatt: Warum will das AKH die Firma AGO loswerden?

Raymond: Die AGO hatte einen Leiharbeitsvertrag mit dem AKH, d.h. die Beschäftigten fallen unter das Arbeitskräftüberlassungsgesetz. Das hat heißt, dass sie von der Entlohnung nicht schlechter gestellt werden dürfen als die Gemeindebediensteten. Der Reinigungsbereich ist aber nun nicht mehr als Leiharbeit, sondern als Dienstleistung ausgeschrieben worden. D.h. für das Reinigungspersonal gilt dann nicht mehr das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, sondern der Reinigungs-KV, unter welchem mit rund 30% Gehaltseinbußen zu rechnen ist. Des Weiteren gab es in der Vergangenheit einige medial bekannt gewordene Skandale rund um die Auftragsvergabe für die nun die Belegschaft die Zeche zahlen soll.

Werkstatt-Blatt: Was bedeutet das für die betroffenen AGO-LeiharbeiterInnen?

Raymond: Für sehr viele KollegInnen würde das der direkte Weg in die Arbeitslosigkeit sein, wohl bis zur Pension. Denn ein großer Teil diesem Bereich sind Migrantinnen im Alter 50 plus. Man kann sich vorstellen, wie groß deren Chance ist, wieder eine Arbeit zu bekommen. Für die Betroffenen ist das demütigend und finanziell bedrückend. Es ist aber auch volkswirtschaftlich verrückt, weil enorme gesellschaftliche Kosten durch den Anstieg der Arbeitslosigkeit und bestens integriertes Personal dem Sparzwang geopfert wird, um es durch billigere externe Arbeiter zu ersetzen. Das Einsparungspotential beläuft sich übrigens auf 2 – 3 Prozent. Reichlich wenig um mehrere hundert Arbeitslose in Kauf zu nehmen.

Werkstatt-Blatt: Wer trägt dafür die politische Verantwortung?

Raymond: Die Gemeinde und damit die rot-grüne Stadtregierung. Denn das AKH gehört dem Krankenanstaltenverbund (KAV), der eine dem Magistrat verbundene Abteilung ist. Politisch hauptverantwortlich ist also jene Partei, die sich derzeit auf den Wahlplakaten als „Partei der Arbeit“ feiert und angeblich „um jeden Arbeitsplatz kämpft“. Die verantwortliche Gesundheitsstadträtin Wehsely sagt einfach, das geht sie nichts an, weil das der KAV entscheidet. Das ist absurd, denn der KAV braucht dafür die Genehmigung durch das Rathaus.

Werkstatt-Blatt: Wie habt Ihr Euch bisher dagegen gewehrt? 

Raymond: Einige KollegInnen haben die „Initiative Übernahme“ gegründet, welche vom Betriebsrat von Anbeginn tatkräftig unterstützt wurde. Weiters haben wir eine Unterschriftensammlung gestartet mit der Hauptforderung: Übernahme der AGO-Beschäftigten durch die Gemeinde Wien ins AKH. Es ist doch völlig unverständlich, dass Leute teilweise schon seit über acht Jahren Schulter an Schulter dieselbe Arbeit machen, so unterschiedlich behandelt werden. Viele haben gar nicht gewusst, dass ihre KollegInnen, mit denen sie Tag für Tag zusammenarbeiten, Leiharbeitskräfte sind. Es ist doch eine totale Vergeudung, wenn Leute, die schon jahrelang diese Arbeit in eingespielten Teams machen, auf einmal durch andere billigere ersetzt werden, die unter noch höherem Arbeitsdruck stehen. Das hat doch auch negative Auswirkungen auf die PatientInnen und deren Gesundheit. Denn schlechte Arbeitsbedingungen führen auch zu einer schlechteren Betreuung der PatientInnen. Wir haben 4.000 Unterschriften gesammelt und diese dann in einer öffentlichen Aktion vor dem Rathaus während der Gemeinderatssitzung übergeben. Bezeichnenderweise haben sich die VertreterInnen von SPÖ und Grünen nicht einmal getraut, zu den Protestierenden rauszukommen, um die Unterschriften in Empfang zu nehmen.

Werkstatt-Blatt: Warum wehrt sich die Stadtregierung so verbissen gegen eine Übernahme der AGO-Beschäftigten in das AKH?

Raymond: Da geht es natürlich ums Einsparen. Außerdem haben Gemeindebedienstete einen viel besseren Kündigungsschutz, man kann sie nur mehr unter Angabe von Gründen kündigen. Bei LeiharbeiterInnen geht das auch ohne Angabe von Gründen und im Reinigungs-KV aufgrund kürzerer Kündigungsfristen dann sogar noch einfacher! Angeblich soll das Wiener AKH ja in Zukunft in eine GmbH umgewandelt werden, um noch leichter Druck auf die Beschäftigten zu machen, noch leichter ausgliedern und noch mehr einsparen zu können.

Werkstatt-Blatt: Müsste da nicht auch die Gewerkschaft dagegen Sturm laufen?

Raymond: Die PROGE, zu der die AGO-Beschäftigten gehören, unterstützt unseren Kampf. Nicht so die GdG (Gewerkschaft der Gemeindebediensteten), auf die es aber maßgeblich ankommt, weil die AKH-MitarbeiterInnen ja Mitglieder bei der GdG sind. Ein hohe GdG-Funktionär hat uns klipp und klar gesagt: Als Gewerkschafter würde er ja auf unserer Seite stehen, aber da er gleichzeitig für die SPÖ im Wiener Gemeinderat sitzt, sei es „nicht erwünscht“, uns zu unterstützen. Wir vermuten, dass diese Verfilzungen der GdG mit der Stadtregierung auch der Grund sind, warum mittlerweile jedes Kooperationsansuchen unsererseits von der GdG verweigert wird. Selbst die Gesprächsbereitschaft vonseiten der AKH-Personalvertretung hält sich gelinde gesagt in Grenzen. Hier wurden offensichtlich Maulkörbe verteilt.

Werkstatt-Blatt: Wie wird der Kampf nun weiter gehen? Image

Raymond: Im Sommer war es ruhiger, aber jetzt im Herbst starten wir wieder voll durch. Wir mobilisieren für die Betriebsversammlung am 17. Oktober, die während der Arbeitszeit stattfinden wird. Bis dorthin werden wir Klarheit über die Ausschreibung bzw. die Kündigung des AGO-Vertrages haben. Dort werden wir gemeinsam mit den KollegInnen über weitere Maßnahmen entscheiden. Für uns ist klar: Wir werden auf keinen Fall akzeptieren, was unsere Belegschaft nicht akzeptiert. Wir werden weiter darum kämpfen, dass alle AGO-Beschäftigten ihren Arbeitsplatz im AKH behalten und keine Lohneinbußen hinnehmen müssen. Dafür suchen wir intensiv die Zusammenarbeit mit dem Gemeindebediensteten und den ÄrztInnen.

Werkstatt-Blatt: Wie kann man Euch dabei unterstützen?

Raymond: Wir brauchen Öffentlichkeit und Solidarität für unser Anliegen! Mit ganz wenigen Ausnahmen schweigen die Mainstream-Medien unseren Kampf derzeit noch tot. Verbreitet daher unser Anliegen weiter. Schickt uns Solidaritätsbotschaften, Solidarität in jeder Art und Weise ist wichtig und stärkt uns!

 

Kontakt für Information und Solidaritätsbotschaften:

Initiative Übernahme – Faire Dienstverhältnisse und gleiche Arbeitsbedingungn im Wiener KAV für alle!

http://initiativeuebernahme.wordpress.com/

https://www.facebook.com/initiative.uebernahme

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