Im Dezember 2022 unterschrieben die chilenische Außenministerin Antonia Urrejola und der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, in Brüssel die Aktualisierung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Chile. Ein Aufruf von über 500 Organisationen und Personen aus Europa und Chile kritisiert dieses Abkommen scharf (1). Es sei neokolonial und diene den Interessen der europäischen Elektromobilität.

Die Kritik weist darauf hin, dass für jedes Kilo „grünen“ Wasserstoff zehn Liter entmineralisiertes Süßwasser und Energie in großem Maßstab verbraucht werde. Landwirtschaftliche Flächen würden in Standorte für Photovoltaik- oder Windkraftanlagen, die für den Export „erneuerbarer“ Kraftstoffe erforderlich sind, umgewandelt. Chile müsse für die Umwelt-, Sozial- und Klimakosten aufkommen, die für die Umstellung in Europa erforderlich sind, und dafür, dass in diesen Ländern weiterhin das Auto benutzt wird, anstatt den öffentlichen Verkehrsmitteln Vorrang zu geben.

Weiters kritisiert der Aufruf, dass das Abkommen den Export von Industrie- und verarbeiteten Waren aus der EU nach Chile fördern werde, während Chile vor allem Produkte aus dem Agrar- und Bergbausektor in die EU exportiert. Dadurch werden „die derzeitigen Muster von Handelsungleichgewicht und Abhängigkeit verewigt.“ Zudem wird ein System von Investitionsschiedsgerichten eingerichtet, das Konzernen die Möglichkeit gibt, gegen Sozial- und Umweltgesetze zu klagen, wenn diese sich in ihren Profiterwartungen beeinträchtigt sehen.

"SaisonarbeiterInnen als Wegwerfprodukte"

Die Wasserkrise und andere Probleme der Lebensqualität in den geopferten Gebieten werden sich verschärfen, eine weitere Verschlechterung der Ökosysteme und der Gesundheit der Menschen droht. Die Umwelt-, Arbeits- und Gleichstellungsbestimmungen sind nicht bindend. Das im Vertrag genannte Vorsorgeprinzip gilt nicht für Vorschriften zu Pestiziden, die von europäischen Unternehmen wie Bayer, BASF und Syngenta nach Chile exportiert werden. Alicia Muñoz von Anamuri (Asociación Nacional de Mujeres Rurales e Indígenas), einer Vereinigung von Kleinbäuerinnen, Saisonarbeiterinnen und indigenen Frauen, klagt: „Die Saisonarbeiterinnen, die in der Ernte für das Agrobusiness arbeiten, werden wie Wegwerfprodukte behandelt. Unsere Körper werden durch den Pestizideinsatz vergiftet. Viele Frauen haben Krebs und gebären Kinder mit Fehlbildungen.“

Der Aufruf der über 500 Organisationen und Personen erinnert auch daran, dass Borrell erst kürzlich vor lateinamerikanischen und europäischen Abgeordneten im EU-Parlament das Paradigma von „Entdeckern und Eroberern“ wieder erhob. „Wie die Konquistadoren müssen wir eine neue Welt erfinden“, beanspruchte der EU-Repräsentant die koloniale Geschichte für die Gegenwart.
(April 2023)
(1) https://amerika21.de/2022/12/261595/chile-freihandelsabkommen-eu