Angesichts des Vorstoßes der EU-Kommission in Richtung Wasserprivatisierung fordert die Solidar-Werkstatt den Schutz öffentlicher Güter vor Privatisierung in Verfassungsrang. Der Einwand, dass das nicht wirksam wäre, weil der EU-Lissabon-Vertrag über der österreichischen Verfassung steht, ist zynisch und haltlos. Der Lissabon-Vertrag ist illegal, weil den Menschen eine Volksabstimmung darüber verweigert wurde, ohne die ein völkerrechtlicher Vertrag, der Verfassungsrecht bricht, nicht rechtswirksam werden kann.
Die EU-Kommission und mit ihr die großen privaten Wasserkonzerne machen Druck für die Liberalisierung von Wasser und anderen öffentlichen Dienstleistungen. Zwar ist es richtig, dass die vorliegende Konzessionsrichtlinie nicht unmittelbar zur Privatisierung zwingt, aber sie fördert sie durch die Verpflichtung zur EU-weiten Ausschreibung, sobald private Beteiligungen oder gemeindeübergreifenden Kooperationen vorliegen. Die EU-Kommission macht im übrigen kein Hehl daraus, dass sie - so die Kommission in einer Anfragebeantwortung - die „Privatisierung von öffentlichen Leistungen, inklusive der Wasserversorgung befürwortet“. Diese könnte beitragen, „öffentliche Schulden zu reduzieren“. (Standard, 11.12.2012)
Dort wo die EU-Kommission schon jetzt im Rahmen von Schuldendiktaten die Macht dazu hat, zögert sie nicht, die Privatisierung von Wasser zu verordnen: z.B. gegenüber Griechenland und Portugal. Mit dem EU-Fiskalpakt bekommt die EU-Technokratie bald weitere Mittel in die Hand, solche Privatisierungen – ohne Umweg über die Konzessionsrichtlinie – zu diktieren. Denn dieser Vertrag ermöglicht es der Kommission relativ leicht, Staaten als „Defizitsünder“ zu brandmarken und als solche einem „Defizitverfahren“ zu unterwerfen, um ihnen dann die wirtschaftspolitischen Bedingungen diktieren zu können. Weitere Richtlinien, die solche Vorgaben den EU-Staaten aufoktroyieren können, sind mit dem sog. "Two-Pack" bereits unterwegs.
Die Solidar-Werkstatt tritt daher entschieden dafür ein, Wasser, aber auch andere Güter der Daseinsvorsorge, im Verfassungsrang vor Privatisierung zu schützen. Wir halten den Vorschlag des burgenländischen Landhauptmannes Nißl für sinnvoll, neben Wasser z.B. auch bei Strom, Gas, elementarer Daseinsvorsorge, Spitälern, Bildung und Transporteinrichtungen wie den ÖBB das öffentliche Eigentum im Verfassungsrang festzuschreiben. Die Solidar-Werkstatt fordert darüber hinaus, bereits (teil-)privatisierte Infrastrukturbetriebe, wie die Post oder die Telekommunikation wiederzuverstaatlichen.
Zudem erachten wir es als unerlässlich diese Bereiche vor der Liberalisierungswut der EU-Komission zu schützen. Die Solidar-Werkstatt unterstützt deshalb auch die Initiative "Right 2 Water" . Das alleine würde jedoch zu kurz greifen. Wesentliche Bereiche der Infrastruktur müssen, wenn sie der enthemmten Konkurrenz entzogen sind, unter demokratischer Kontrolle stehen. Ebenso wie Liberalisierung und Privatisierung zwei Seiten einer Medaille sind, können auch Schutzbestimmungen und demokratische Kontrolle, insbesondere durch die Gemeinden nur gemeinsam durch- und umgesetzt werden.
EU-Lissabon-Vertrag ist illegal
Ein Zynismus der besonderen Art ist die Argumentation, eine derartige Verfassungsbestimmung wäre wirkungslos, weil gemäß dem EU-Vertrag von Lissabon, EU-Recht Vorrang vor nationalem Recht, insbesondere auch Vorrang vor unserer Verfassung habe. Hunderttausende ÖsterreicherInnen haben aus eben diesem Grund 2008 eine Volksabstimmung über den "Lissabon-Vertrag" gefordert. Hunderttausende ÖsterreicherInnen haben damals darauf hingewiesen, dass ein völkerrechtlicher Vertrag, der Verfassungsrecht bricht, ohne eine Volksabstimmung nicht rechtswirksam werden kann. Der "Lissabon-Vertrag" ist deshalb illegal, weil er nicht rechtmäßig zu Stande gekommen ist. Die österreichische Bundesverfassung steht deshalb nach wie vor über dem EU-Recht. Es ist Aufgabe unserer politischen Repräsentanten, diese Haltung im Interesse der Mehrheit der Menschen zu verteidigen.
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac bezeichnet ein verfassungsmäßiges Verbot von Wasserprivatisierung als "provinzielle und nationalistisch gefärbte Scheindebatte" (Attac-PA, 1.2.2013). Ein verfassungsmäßiges Verbot von Privatisierungen kann jedoch nur auf Ebene der Mitgliedsstaaten verankert werden. Es ist rechtlich völlig ausgeschlossen, derartiges auf EU-Ebene zu verankern. Korrekterweise konzentriert sich deshalb die Europäische Bürgerinitiative "Right 2 Water" auf die Forderung nach Ausnahmen von der Liberalisierung und äußert sich überhaupt nicht zur Frage der Privatisierung. Zudem bestehen auf österreichischer Ebene viel bessere Kräfteverhältnisse. Auf EU-Ebene können Kommission und Konzernlobbyisten sehr viel effektiver ihre Interessen durchsetzen. Gleichzeitig ist ein solcher verfassungsmäßiger Schutz in Österreich, der beste Beitrag, um auch in anderen Ländern solidarische und demokratische Kräfte zu stärken. Die Solidarwerkstatt hat Verständnis für die Bemühungen um eine solidarische und demokratische Wende auf EU-Ebene, wenn wir auch allzu großen Hoffnungen auf diesem Gebiet mit begründeter Skepsis begegnen. Wichtig erscheint uns dabei ein nüchterner, korrekter Blick auf die wirklichen Machtverhältnisse, um nicht Gefahr zu laufen, uns selbst in wohlmeinenden Scheindebatten zu verlieren.
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