ImageInfrastrukturministerium und Postregulierungsbehörde scheuen vor Rechtsbruch und Rechtsbeugung nicht zurück, um eine weitere Welle von Postamtsschließungen durchzuboxen. Die Solidar-Werkstatt Österreich reicht Strafanzeige ein.


Rechtsbruch 1: Neuaufteilung von Stadt und Land

Ob Ihr nächstes Postamt 2 oder 10 Kilometer entfernt ist, ob Sie 10 Minuten oder eine Stunde zu Fuß dorthin brauchen, hängt nicht mehr von der Einhaltung des Postmarktgesetz ab, sondern von Gutdünken und Rechtsbeugung dafür verantwortlichen Regulierungsbehörde im Ministerium ab.

Das Postmarktgesetz PMG besagt in § 7, Abs. 1 eindeutig: § 7 (1) Eine flächendeckende Versorgung mit Post-Geschäftsstellen im Sinne des § 6 gilt als gegeben, sofern den Nutzerinnen und Nutzern bundesweit mindestens 1 650 Post-Geschäftsstellen zur Verfügung stehen. In Gemeinden größer 10 000 Einwohnerinnen oder Einwohner und allen Bezirkshauptstädten ist zu gewährleisten, dass für mehr als 90% der Einwohnerinnen oder Einwohner eine Post-Geschäftsstelle in maximal 2 000 Metern oder in allen anderen
Regionen eine Post- Geschäftsstelle in maximal 10 000 Metern erreichbar ist.

Was macht die Rundfunk & Telekom-RegulierungsGmbH (RTR) und das Infrastrukturministerium (BMVIT) daraus? Die RTR im BMVIT unterteilt alle Gemeinden größer als 10.000 Einwohner, sowie Bezirkshauptstädte in städtische und ländliche Teile ein, mit der Konsequenz, dass bei Postamtschließungsprüfungen aus 2 dadurch 10 Kilometer Wegstrecke zum nächsten Postamt werden und damit die gesetzlich vorgeschriebene Mindesterreichbarkeit und der Versorgungsgrad unterlaufen bzw. ignoriert wird. Somit sind im Regelfall ca. 40% der städtischen Bevölkerung laut der ministeriellen Regulierungsbehörde, entgegen dem Gesetzestext, dem Versorgungsdiktat einer ländlichen Kleingemeinde unter 10.000 Einwohnern unterworfen. Hier liegt Rechtsbeugung bzw. Rechtsbruch seitens der Behörde vor!

Rechtsbruch 2: Verschiebung der Geschäfte zwischen Post AG und BAWAG/PSK

Eine ähnlich rechtlich dubiose Vorgehensweise liegt in Bezug auf die BAWAG/PSK-Filialen vor. Ein im Mai 2011 von der Post AG eingebrachter Schließungsantrag über 35 Postämter wurde von der ministeriellen Behörde RTR vollständig stattgegeben. Ein Großteil dieser 35 Postämter ist einem vorangegangenen Schließungsantrag der Post AG dadurch entgangen, dass die RTR zuvor eine kostendeckende Betriebsführung der Postämter nachweisen konnte und auch für die Zukunft vorausgesagt wurde. Doch eine neu getroffene Vereinbarung der Post AG (49% über die Börse privatisiert, GD Georg Pölzl) und der Bawag/PSK (Eigentümer US-Fond Cerberus, GD Byron Haynes), geltend ab 01.Jänner 2011, stellen die Vergütungsregeln für die Benützung der Postämter und die von der BAWAG/PSK verkauften „Produkte“ zuungunsten der Post AG neu auf. Dies bewirkt bei vielen gemeinsamen Post AG Bawag/PSK Filialen eine unvorteilhafte Betriebslastenverteilung für die jeweiligen Postfilialen. Somit scheint das gemeinsam benützte Postamt rein rechnerisch nicht mehr kostendeckend zu arbeiten und wird gnadenlos der Schließung zugeführt. Schamlos können hier Banker und Liberalisierer auf Kosten der KonsumentInnen öffentliche Infrastrukturgesetze umgehen, ohne von den Kontrollbehörden oder politischen Verantwortlichen jemals zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die Konsequenz aus dieser Vereinbarung zwischen Post AG und BAWAG/PSK wird eine letzte Schließungswelle der verbliebenen.

Postämter sein, mit dementsprechendem Personalabbau und weiterer Ausdünnung der Infrastruktur im ländlichen aber auch im städtischen Raum. Es ist ein Skandal, wie unwidersprochen von Seiten des Gesetzgebers das Postmarktgesetz im Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie uminterpretiert werden darf und somit gebrochen wird.

Es ist uns unverständlich, dass sowohl die Justizministerin Beatrix Karl als auch die Innovationsministerin Doris Bures gegenüber solchen Vorgängen der Rechtsbeugung/Rechtsbrechung untätig bleiben. Aufgrund dieser unserer Meinung nach eindeutig gesetzeswidrigen Vorgehensweise hat die Solidar-Werkstatt Österreich Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft eingereicht.

Rudi Schober

(Der vollständige Text der Strafanzeige findet sich hier)