Eine Verschlechterung der Arbeitslosenversicherung trifft nicht nur die Arbeitslosen, sie trifft alle ArbeitnehmerInnen. Denn hohe Arbeitslosigkeit, ein niedriges Arbeitslosengeld und eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen erschweren die individuelle Verhandlungsposition der ArbeitnehmerInnen am Arbeitsmarkt und sie untergraben die kollektive Verhandlungsmacht der Gewerkschaften.

Die Grafik zeigt: Hand in Hand mit steigender Arbeitslosigkeit und erhöhtem Druck auf die Arbeitslosen nimmt ab Mitte der 90er Jahre auch der Druck auf die Löhne zu. Während über viele Jahrzehnte Löhne und wirtschaftliche Produktivität gleichermaßen angestiegen sind, fallen ab Mitte der 90er Jahre die Löhne deutlich hinter die Produktivität zurück. Diese Schere hat sich seither nicht mehr geschlossen.

Schere öffnet sich

Der Zeitpunkt, ab dem sich diese Schere geöffnet hat, ist nicht zufällig. Mit dem Beitritt Österreichs zum EU-Binnenmarkt, mit der Liberalisierung der Güter-, Dienstleistungs-, Kapital- und Arbeitsmärkte hat die Macht der Unternehmen, insbesondere der großen Konzerne gegenüber den Lohnabhängigen enorm zugenommen. Den Staaten wurden dadurch die wirtschaftspolitischen Instrumente, die für eine Vollbeschäftigungspolitik notwendig sind, weggenommen: von der Geld-, der Außenwirtschafts- über die Industrie- bis hin zur Budgetpolitik. Während die nationalen Parlamente zunehmend entmündigt wurden, ist die Macht technokratischer neoliberaler EU-Institutionen wie der EU-Kommission laufend gewachsen.

EU-Kommission für Reduktion von Arbeitslosengeld

2012 hat die EU-Kommission in einem „Arbeitspapier“ dargelegt, welche „arbeitsmarktpolitischen Reformen“ sie anpeilt: „Reduktion der Arbeitslosenunterstützung“, „Lockerung des Kündigungsschutzes“, „Senkung von Mindestlöhnen“, Abbau von kollektivvertraglichen Regelungen zugunsten „dezentralisierter“ Lohnfindung mit dem Ziel der „Reduktion der gewerkschaftlichen Verhandlungsmacht“ (1).

Die Solidarwerkstatt kämpft für das glatte Gegenteil: die Reduktion von Konzernmacht, um der neoliberalen Verrohung der Gesellschaft entgegentreten zu können. Wir verbinden unser Engagement für die Erhöhung des Arbeitslosengeldes, für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne daher mit dem Ringen, aus diesem neoliberalen EU-Korsett auszubrechen, um wieder das volle wirtschaftspolitische Instrumentarium zurückzugewinnen, das wir für eine Vollbeschäftigungspolitik brauchen. Eine solche Vollbeschäftigungspolitik reicht von der Ausweitung der öffentlichen Investitionen für Gesundheit, Pflege, Bildung, Kinderbetreuung, sozialen Wohnbau, Klima- und Umweltschutz bis hin zur Verkürzung der Arbeitszeit. Vollbeschäftigungspolitik braucht und stärkt die Gewerkschaften. Und sie bringt Schwung in die immer dringendere ökosoziale Umgestaltung unserer Wirtschaft.

(Werkstattblatt April 2022)

Quelle: (1) Europäische Kommission (2012): Labour Market Developments in Europe 2012, European Economy Nr. 5/2012


Volksbegehren ARBEITSLOSENGELD RAUF!
von 2. bis 9. Mai 2022 unterschreiben
auf jedem Gemeinde-/Bezirksamt/Magistrat bzw. mit Handysignatur
Nähere Informationen siehe www.arbeitslosengeld-rauf.at

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