ttip volksabstimmung klWer der EU die Letztentscheidung über neoliberale Handelsabkommen wie CETA lässt, entmündigt die Menschen in Österreich. Die Durchsetzung einer Volksabstimmung ist ein wichtiger Schritt zur Verteidigung unserer demokratischen Rechte gegen die Interessen von Finanz- und Industriekonzernen.

 

Am 17. September 2016 sind europaweit Hunderttausende, allein in Österreich Zehntausende auf die Straße gegangen, um gegen die geplanten Freihandelsabkommen CETA und TTIP zu demonstrieren. Menschen verschiedenster Gesellschaftsschichten bekundeten eindrucksvoll, dass sie diese Handelsverträge ablehnen. Es stellt sich nun die Frage: Wie geht es weiter? Viele entscheidende Punkte sind nach wie vor offen. Am 18. Oktober 2016 stimmen die Außenminister im EU-Rat für allgemeine Angelegenheiten über CETA ab. Es gibt nach wie vor keine verbindlichen Aussagen darüber, ob diese formelle Annahme einstimmig sein muss oder ob eine qualifizierte Mehrheit genügt. Schon Ende Oktober ist die Vertragsunterzeichnung mit Kanada geplant und dann wird der Handelsvertrag dem EU-Parlament zur Genehmigung vorgelegt. Die EU-Kommission hat im Juli überraschend CETA doch als sogenanntes „gemischtes Handelsabkommen“ eingestuft, dem auch die nationalen Parlamente zustimmen müssen. Sara Hassan und Inge Chen bezeichnen dieses Zugeständnis aber als „Opium für die Demokraten“ (Standard, 12. Juli 2016), da die europarechtlichen Teile des Abkommens sofort nach der Abstimmung im EU-Parlament in Kraft treten werden. Wenn später ein Mitgliedsstaat gegen CETA stimmt, hat das zunächst keine Auswirkungen auf die „vorläufige Anwendung“, denn was genau passieren soll, wenn ein Parlament gegen dieses Abkommen stimmt, weiß niemand. 

EU-Kommission macht Druck

Auch wenn TTIP von vielen Medien für „politisch endgültig tot“ erklärt wird (OÖN, 1.September 2016), schließt Jean-Claude Junker am 4. September 2016 einen Abbruch der Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP dezidiert aus. „Wir werden mit den USA weiterverhandeln“ sagte er kurz vor Beginn des G-20-Gipfels in China. Das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA), das nicht minder weitreichende nachteilige Folgen für die Bevölkerung hat, wird im Hintergrund kontinuierlich weiter ausverhandelt. Viel weniger bekannt, aber mindestens so brisant sind die Freihandelsverträge, die die EU den Staaten des Südens aufzwingt. EPA (Economic Partnership Agreement), das am 1. Oktober 2016 zwischen der EU und 77 AKP-Staaten (Afrika-Karibik-Pazifikstaaten) abgeschlossen werden soll, und dem mittlerweile die meisten Staaten, oft aufgrund massiven Drucks seitens der EU, zugestimmt haben, hat weitreichende Folgen gerade für die Menschen in Afrika (sh. Seite 11). Durch Niederkonkurrieren der regionalen Produktion, Ausplünderung der Bodenschätze, Leerfischen der Küstengewässer verlieren Millionen von Menschen ihre sozialen Existenzgrundlagen. In diesem Zusammenhang dann von „Wirtschaftsflüchtlingen“ zu sprechen, ist an Zynismus kaum zu überbieten. 

EU macht Freihandel zum Dogma

Internationaler Handel kann zur Wohlfahrt der Menschen beitragen. Mit der EU wurde Freihandel jedoch zum Dogma, das im EU-Primärrecht einzementiert worden ist. Die tiefe Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008, die in der EU nach wie vor nicht überwunden ist, findet ihre Ursache u. a. in diesem Dogma. Mit CETA und anderen Freihandelsabkommen wird die Ursache der Krise weiterhin als Rezept verabreicht. In der Eurozone wird den Staaten sogar die Möglichkeit einer geld- und fiskalpolitischen Gegensteuerung aus der Hand genommen. 

Der EU-Vertrag von Lissabon verpflichtet die Mitgliedsstaaten nicht nur nach innen zu einer „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ sondern fordert auch nach außen den „Abbau internationaler Handelshemmnisse“ (Art. 21, VEU), die „Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und bei den ausländischen Direktinvestitionen“ (Art. 206, VAEU). Die Mitbestimmungsrechte der nationalen Parlamente bei Freihandelsverträgen wurden durch den Lissabon-Vertrag stark eingeschränkt, die Macht der Kommission dagegen ausgebaut. Das Mandat für die Aushandlung von Freihandelsverträgen liegt ausschließlich bei der EU-Kommission, die aufs engste mit den großen EU-Konzernen und ihren Lobbyisten verbunden ist und zu den entschiedensten Verfechtern einer aggressiven neoliberalen Außenwirtschaftspolitik zählt. Entsprechend intransparent werden diese Verträge – siehe TTIP, TiSA, CETA & Co – hinter verschlossenen Türen ausgemauschelt. Und mit der sog. „vorläufigen Anwendung“ (Artikel 218 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU) hat die EU-Technokratie ein Instrument erhalten, die Mitbestimmung der nationalen Parlamente zu umgehen. Diese „vorläufige Anwendung“ ist de facto eine „vorzeitige Anwendung“, die theoretisch bis zum St. Nimmerleinstag dauern kann.

Wer hat die Letztentscheidung?

Wie können wir dieser Entmündigung entgegentreten? Was können wir tun, CETA zu verhindern, wenn auf EU-Ebene dieses Abkommen durchgewunken bzw. „vorzeitig angewendet“ wird? Hören wir mit dem Widerstand auf, wenn Brüssel entschieden hat? Brüssel locuta, causa finita? Die Solidarwerkstatt ist der Meinung: Nein, wir sehen nicht ein, dass über uns drübergefahren wird. Wer der EU die Letztentscheidung über diese Frage lässt, entmündigt die Menschen in Österreich - für manche ein bequemer Weg, Widerstand nur zu heucheln. Die Österreicherinnen und Österreicher haben das Recht, darüber zu entscheiden, ob sie CETA, TTIP & Co haben wollen – oder nicht! Das ist eine derart weitreichende Entscheidung, dass sie in einer Volksabstimmung getroffen werden muss. Die Durchsetzung einer Volksabstimmung ist ein wichtiger Schritt zur Verteidigung unserer demokratischen Rechte gegen die Interessen von Finanz- und Indus-triekonzernen. 

Damit können wir von Österreich aus auch einen wichtigen internationalen Beitrag leisten, um Menschen in anderen Ländern zu ermutigen, selbst die Entscheidung in die Hand zu nehmen.

Susanne Müller

----

CETA stoppen

eine Volksabstimmung durchsetzen-

das Freihandelsdogma der EU beenden

Die Solidarwerkstatt lädt alle Interessierten dazu ein, gemeinsam darüber zu beraten, wie wir eine solche Volksabstimmung über CETA & Co durchsetzen können:

Mi, 28. September 2016,18 Uhr, 1100 Wien, Gudrunstraße 133 (Vereinslokal DIDF)

Do, 29. September 2016,18 Uhr, 4020 Linz, Waltherstraße 15, Büro Solidarwerkstatt