ImageRudi Schober beleuchtet jene Form der systematischen Korrumpierung, über die medial zumeist geschwiegen wird: die Drehtür zwischen Politik und Konzernmacht. Auch Österreichs Kanzler der Nach-Kreisky-Zeit sind bestens bedient.



Zitat des Präsidentschaftskandidat Francois Hollande in Frankreich am 22. Jänner 2012 bei einer Wahlrede: „Er hat keinen Namen, kein Gesicht, gehört keiner Partei an und wird niemals kandidieren, also auch niemals gewählt werden. Dieser Gegner ist das Finanzkapital.“  

Hier wird eine Nebelwand aufgebaut, hinter der versteckt werden soll, wie eng politische Macht und die Macht der Industrie- und Finanzkonzerne miteinander verbunden sind – und dass ihre Repräsentanten sehr wohl Namen, Gesichter und Parteien haben. Hinter dieser Nebelwand wird vom EU-Establishment über ESM, EZB, sog. „Hilfspakete“ gekoppelt mit drakonischen Sozialabbauprogramme eine gewaltige Umverteilungsmaschinerie in Gang gesetzt, die Milliarden an Steuergelder in die Kassen gerade dieser Industrie- und Finanzkonzerne pumpt. 

Der jetzige französische Präsident Hollande war nicht gewillt, entgegen seinem Wissen, den Menschen diese scheinbar ominösen Umstände der Umverteilung von Geld von unten nach oben zu erklären. Das ist keine Zufall: Sein von Ihm selbst auserkorener Wahlkampfmanager Pierre Moscovici war Vizepräsident des Cercle de I`Ìndustrie, in welcher alle Führer der großen Französischen Unternehmensgruppen vertreten sind. Er versprach, dass unter einem Präsidenten Hollande die Staatsverschuldung ab 2013 „koste es was es wolle“ unter 3% sinken werde, dafür werde man die „entsprechenden Maßnahmen ergreifen“. Wohl nicht zufällig stieg Moscovici nach dem Wahlsieg zum neuen französischen Finanzminister auf. Es ließ nicht lange auf sich warten, dass der Widerstand der neuen französischen Regierung gegen den neoliberalen EU-Fiskalpakt einknickte. 

Auch der ehemalige Berater des Sozialistischen Ministerpräsidenten in Frankreich Pierre Mauroy, Jean Peyrelevare, weiß Nebelgranaten zu werfen, indem er die Frage stellt: „Von wem sagt man sich los, wenn man sich vom Kapitalismus abwendet? Gegen welche Institutionen geht man an, um die Diktatur des flüchtigen, global und anonym gewordenen Marktes zu beenden?“ Solche Fragestellung wundert uns nicht, ist der Herr mittlerweile Vorstandschef der Investmentbank Leonardo&Co (Besitzer sind die Familien Albert Frere, Agnelli und Michel David-Weill) geworden und in den Aufsichtsrat der Unternehmensgruppe Bouygues eingezogen.

Wenn wir uns in Europa mit seinen „repäsentativen“ Demokratien umschauen, sehen wir, dass es sich dabei nicht um bedauerliche Einzelfälle, sondern um ein medial weitgehend verschwiegenes System im Dunstkreis der direkten Vereinnahmung vermeintlich unabhängiger Politik handelt – durch die Entsendung von politischen Entscheidungsträgern in höchste Konzernetagen und umgekehrt. Hier einige Beispiele.

Italien: 

Ein Paradebeispiel für den Filz aus Politik und Konzernmacht ist der im November 2011 ernannte Italienische Ministerpräsident Mario Monti, welcher eine so genannte Technokraten und Expertenregierung führt. Keine Wahl der Bevölkerung legitimiert diese in den Medien hochgelobten „Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft“ und würde sie wahrscheinlich auch nicht bestätigen, denn unabhängige Politiker sehen anders aus. Die grundsätzliche Parteizuordnung der hier angeführten handelnden Personen können wir ersparen. Ein kleiner Streifzug:

Der Minister für wirtschaftliche Entwicklung in Italien Hr. Corrado Passera, war Vorstandsvorsitzender der Bankengruppe Intesa Sanpaolo.

Die Ministerin für Arbeit und Soziales Fr. Elsa Fornero saß im Aufsichtsrat derBankengruppe Intesa SanPaolo. Im Brotberuf lehrte Sie an der Uni Turin Wirtschaftswissenschaften.

Der Minister für Bildung und Forschung Hr. Francesco Profumo sitzt im Verwaltungsratder UniCredit Privat Banking sowie Telecom Italiana, die wiederum von Intesa SanPaolo, Generali, Mediobanka und Telefonica kontrolliert wird. Arbeiten geht Hr. Profumo als Rektor an der Technischen Uni Turin.

Der Minister für Tourismus und Sport Hr. Piero Gnudi sitzt im Verwaltungsrat der UniCreditGroup.

Als Verbindungsmann zwischen Montis Kabinett und dem Italienischen Parlament fungiert Hr. Piero Giarda, dieser war bis 2011 Vizepräsident der Banco Popolare di Milano und Mitglied im Verwaltungsrat von Pirelli. Arbeiten geht dieser als Professor des Finanzwesen an der Katholischen Uni Sacre Coure in Mailand.

Der Regierungschef Hr. Mario Monti selbst saß im Verwaltungsrat von Fiat und Generaliund war „Berater“ für Goldman Sachs und Coca Cola.

Der ehemalige Ministerpräsident und Vizepräsident des Europäischen Verfassungskonvent Hr. Giuliano Amato sitzt im European Advisory Board von Investcorp, einer Beteiligungsgesellschaft in Bahrein.

Niederlande:

Der ehemalige Ministerpräsident der Niederlande zwischen August 1994 und Juli 2002 Hr. Wim Kok stellt seine Erfahrungen als Aufsichtsrat den Konzernen Shell und KLM zur gefälligen Verfügung. 

Deutschland:

Ebenfalls sehr Freizügig mit seinem erarbeiteten Wissen ist der Exkanzler Deutschlands Hr. Gerhard Schröder. Dieser verdingt sich als Aufsichtsratvorsitzender der Nord-Stream AG, an welcher die Konzerne Gazprom, Eon, BASF, GDF Suez, Gasuni beteiligt sind. Da dies nicht tagesfüllend ist, sitzt dieser auch noch im Aufsichtsrat bei TNK-BP und berät in Sachen Europageschäft die Rothschild Investment Bank.

Sein ehemaliger grüner Außenminister Joschka Fischer hat ebenfalls die Liebe zur Groß-, insbesondere zur Atomindustrie entdeckt. Er heuerte als Berate beim RWE an, wo er für für Nabbuco, die Konkurrenzpipeline zu Nord-Stream lobbyiert.


Der trifft dort auf den ehemaligen Minister für Wirtschaft und Arbeit Hr. Wolfgang Clement, der im Aufsichtsrat von RWE Power AG sitzt und nebenbei noch als „Senior Advisor“ der Citygroup Global Markets Deutschland und als „Strategic and Operational Partner“ des Investmentkonzern Riverrock European Capital Partners seine politischen Erfahrungen in klingende Münze verwandelt.

 

Der ehemalige Staatssekretär im Deutschen Finanzministerium Hr. Caio Koch-Weser sitzt im erweiterten Vorstand der Deutschen Bank. Der ehemalige Finanzminister Deutsche Finanzminister Hr. Peer Steinbrück ist Mitglied des Aufsichtsrates Stahl- und Rüstungskonzerns ThyssenKrupp AG.


Der ehemalige Innenminister Hr. Otto Schily sitzt im European Advisory Board von Investcorp, einer Beteiligungsgesellschaft in Bahrein. 

Großbritannien:

Der ehemalige Außenminister Hr. David Milliband ist als Berater derInvestmentgesellschaft Vantage-Point Capital Partners (USA) und Indus Basin Holding(Pakistan) tätig.

Der ehemalige Handelsminister Hr. Peter Mandelson unter Tony Blair und zwischen 2004 und 2008 EU-Kommissar für Handel, berät die US-Investmentbank Lazard. 

Aber auch Hr. Tony Blair ist nicht untätig. Er ist Berater der Zurich Financial Services (ZFS), Redner für den Hedgefonds Lansdowne Partners und Vorsitzender des Internationalen Beraterstabes von JP Morgan Chase, gemeinsam mit dem ehemaligen UNO-Generalsekretär Hr. Kofi Annan und US-Präsident Hr. Henry Kissinger. 

Spanien:

Der ehemalige Außenminister Hr. Ana Palacio sitzt im European Advisory Board von Investcorp, einer Beteiligungsgesellschaft in Bahrein. 

Österreich:

Der ehemalige Bundeskanzler Hr. Wolfgang Schüssel betätigt sich seit April 2007 alsKuratoriumsmitglied in der Bertlsmann Stiftung und hat seit März 2010 noch Zeit für einAufsichtsratmandat beim Deutschen Energiekonzern RWE.

Für den ehemaligen Bundeskanzler Hr. Franz Vranitzky wurde bei der WestLB ein Job als politischer Konsulent eingerichtet. Auch sitzt Vranz als Aufsichtsrat bei Magna International des Hr. Frank Stronach. Frank weiß es zu schätzen, dass die Vranizky-Regierung ihm die Steyr-Daimler-Puch AG „für eine Butterbrot“ (O-Ton Androsch) rübergereicht hat. Weitere Beschäftigungen des umtriebigen Ex-Kanzlers ist Aufsichtsratsmitglied der TUI AG und Aufsichtsratsvorsitzender der Magic Life Club International. 

Der ehemalige Bundenskanzler Hr. Viktor Klima stellt seine Erfahrungen dem VW Konzern bzw. deren Tochter Volkswagen Argentina S.A. zu Verfügung.  

Als wirklich schweres Kaliber in diesem Tätigkeitssegment erweist sich der ehemalige Bundeskanzler Hr. Alfred Gusenbauer, welcher zuerst einmal Referatsleiter für Europafragen der niederösterreichischen Kammer für Arbeiter und Angestellte tätig. Weiters ist er geschäftsführender Alleingesellschafter der Gusenbauer Projektentwicklung & Beteiligung GmbH. Für die WAZ-Mediengruppe ist Er nur in Beratender Funktion als Osteuropa-Experte tätig. Dafür saß Gusenbauer im Aufsichtsrat der Alpine Holding AG und übernahm im Juli 2010 den Aufsichtsratsvorsitz des Konkurrenzunternehmens, des Baukonzerns STRABAG SE. Gusenbauer ist ebenfalls Vorsitzender der Haselsteiner-Familienstiftung. Weiters sitzt Alfred Gusenbauer seit 17. September 2009 im Aufsichtsrat der SIGNA RECAPHolding eines österreichischen Immobilieninvestors. Auch wurde Er im Juni 2010 in das Board of Direktors des kanadischen Bergbaukonzerns Gabriel Resources berufen. Weiters übernahm Gusenbauer 2009 einen Posten als Europa-Direktor des Investmentfonds Equitas European Funds, eine Tochter der Fondsgesellschaft Equitas Capital SpA.


Seit Anfang 2010 berät Gusenbauer den kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajef. Ab 2011 ist Gusenbauer vorsitzender Stiftungsvorstand der Wartenfels Privatstiftung. Seit Mai 2011 ist Alfred Gusenbauer Miteigentümer der Cudos Advisors GmbH.

 

Demokratie- und sozialstaatsfeindliche Durchlässigkeit zwischen Wirtschaftsmacht und Politik  

Dieser kleine Streifzug lässt erkennen, dass es eine demokratiefeindliche und damit ursächlich zusammenhängend sozialstaatsfeindliche Durchlässigkeit zwischen Wirtschaftsmacht und Politik vorherrscht. Diese systematische Korrumpierung gibt es, um die Verantwortung für Sozialabbau, Steuerraub, Raub des öffentlichen Eigentums oder neoliberale Vereinbarungen auf bundesstaatlicher und EU-Ebene, die weitere Hierarchisierung von Macht hinter der Nebelwand der „anonymen Finanzmärkte“ zu verhüllen. Das ist nicht unsere Vorstellung von repräsentativer Demokratie und politischer Verantwortung. Darum wollen wir die „Märkte“ und deren Vehikel, die Banken in öffentlicher Kontrolle sehen, am besten im Eigentum der Öffentlichen Hand, damit über Kapitalverkehrskontrollen ein volkswirtschaftlich verträglicher Geldmarkt, transparent und für deren Kunden berechenbar, Geld jenen zur Verfügung stellt, die damit auch sinnvolle Werte im Produktions-, Sozial- und Kulturbereich schaffen. Dazu brauchen wir auch keinen doktrinären Wirtschaftsraum, denn Politik könne wir auch selbst machen, und das sozialverträglicher und gerechter. 

Rudolf Schober 

Anmerkungen:Viele Informationen für diesen Beitrag stammen vom Artikel „Die Absahner“, von Geoffrey Geuens in der Monatszeitschrift Le Monde Diplomatique Ausgabe Juni 2012