Die Werkstatt Frieden & Solidarität kritisiert in vielen Punkten den nun vorliegenden Regierungspakt von SPÖ und ÖVP:
1) Beschleunigte Fortsetzung des Liberalisierungskurses
2) Im Gesundheitsbereich drohen Einschränkungen
3) Hochschulen: Verschärfung des Numerus Clausus
4) Steuerreform für Gut- und Bestens-Verdienende
5) Aufrüstung und Ausbau des Überwachungsstaates
6) Daumenschraube für die Gemeinden
1) Beschleunigte Fortsetzung des Liberalisierungskurses:
Die Regierung bekennt sich voll und ganz zur weiteren EU-Liberalisierung in den Bereichen Energie, Bahn und Post, ja fordert sogar deren Beschleunigung. Gerade die Liberalisierung der Post hat aber bereits mehr als ein Viertel der Arbeitsplätze und fast die Hälfte der Postämter gekostet. Gerade die angestrebte Totalliberalisierung der Postmärkte bis 2011 soll zum Abbau weiterer 9.000 Arbeitsplätze und zur Reduktion der Postämter auf ein Zehntel (!) des Bestandes von 1999 führen. Gerade die Liberalisierung der Energiemärkte hat zu unkontrollierbaren privaten Monopolen geführt, die Riesengewinne auf Kosten der KundInnen und der Belegschaft einfahren. Gerade die bevorstehende Bahnliberalisierung wird zur weiteren Reduzierung des Streckennetzes bei Nebenbahnen führen. Für die ÖBB deutet der Regierungspakt die Teilprivatisierung über mögliche „Kapitalaufstockungen“ und „strategische Partnerschaften“ an.
2) Im Gesundheitsbereich drohen Einschränkungen:
Die Sanierung der Gebietskrankenkassen wird mit der Bereitschaft zu „kostendämpfenden Maßnahmen“ junktimiert. Damit droht die Einschränkung der Leistungen für die PatientInnen, denn die Misere der Krankenkassen beruht keineswegs auf einer Steigerung der Kosten, im Gegenteil: der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP ist seit Jahren bemerkenswert stabil. Die Misere beruht vielmehr auf der Erosion der Einnahmen, die sich nach den Bruttolöhnen berechnen. Mit der verschärften Umverteilung von Löhnen zu Gewinnen bricht die Einnahmenbasis für das Gesundheitssystem weg. Strukturelle Reformen zur nachhaltigen Gesundung der Krankenkassen z.B. durch Ausdehnung der Bemessungsgrundlage auf die gesamte Wertschöpfung hat Neo-Sozialminister Hundsdorfer bereits eine klare Absage erteilt.
3) Hochschulen: Verschärfung des Numerus Clausus:
Mit der Universitätsgesetz-Novelle 2009 soll die flächendeckende Einführung von Zugangsbeschränkungen für das Master- und Doktorats-Studium ermöglicht werden. Spitzenqualifikation soll nur einer kleinen Eliten zukommen.
4) Steuerreform für Gut- und Bestens-Verdienende:
Rechnet man sich die Veränderungen der Progressionsstufen und –sätze durch, so erkennt man, dass die wirklichen Gewinner dieser Steuerreform die Gut- und Bestens-Verdienenden sind:
- Gar nichts von dieser Steuerreform haben Kleinstverdiener bis 10.000 Euro im Jahr
- Kleinverdiener im Bereich bis 15.000 Euro jährlich haben eine Ersparnis von rd. 400 Euro im Jahr
- Mittlere Einkommen bis etwa 50.000 Euro jährlich ersparen sich 600 bis 700 Euro im Jahr.
- Erst ab da geht es deutlich nach oben, da die Grenze, aber der der Spitzensteuersatz von 50% greift deutlich nach oben verschoben wurde: Wer mehr als 60.000 Euro im Jahr verdient darf sich immerhin über 1.400 Euro Steuerersparnis jährlich freuen.
Auch die verschiedenen familienpolitischen Maßnahmen nützen – mit Ausnahme des erhöhten Kinderabsetzbetrages – nur jenen, die auch entsprechende Steuerleistungen haben, also nicht den unteren Einkommenbeziehern. Die steuerpolitische Maßnahme, die auch dieser Gruppe eine spürbare Kaufkraftsteigerung bringen würde – nämliche eine Senkung der Mehrwertsteuer - wird nicht einmal erwähnt.
5) Aufrüstung und Ausbau des Überwachungsstaates:
Rethorisch wird zwar die Neutralität beschworen, faktisch sieht dieses Programm den bislang härtesten Militarisierungskurs einer Regierung vor: Österreichische Soldaten sollen sich „an der ganzen Bandbreite des Petersberg-Spektrum“ – also bis hin zum offenen Angriffskrieg – beteiligen, und das auch in Zukunft als „Führungsmacht“ von EU-Streitkräften. UNO-Mandate sind dafür entbehrlich, dafür soll die Beschaffung von neuem Kriegsgerät „fortgesetzt und intensiviert“ werden. Der EU-Reformvertrag, der die Verpflichtung zu kontinuierlichen Aufrüstung sogar in Verfassungsrang erhebt, soll nach rot-schwarz-Willen „rasch in Kraft und umgesetzt werden“. Nach innen hin soll der Überwachungsstaat ausgebaut und die EU-Vorgabe der Online-Überwachung rasch umgesetzt werden.
6) Daumenschraube für die Gemeinden:
Wer meint, dass angesichts der dramatischen Finanz- und Wirtschaftskrise der öffentliche Sparzwang (EU-„Maastricht“-Kriterien), der maßgeblich zu dieser Krise beigetragen haben, in Frage gestellt wird, muss den SP-/VP-Pakt mit Fassungslosigkeit lesen: Gerade die Länder und Gemeinden sollen noch viel stärker finanziell geknebelt werden. Länder und Gemeinden sollen bereits 2009 einen Budgetüberschuss von 0,1% des BIP erwirtschaften und diesen schrittweise auf 0,5% des BIP bis 2013 steigern. Das ist wirtschaftlich kontraproduktiv, denn die Gemeinden tätigen rund vier Fünftel der öffentlichen Investitionen. Und es ist sozial verantwortungslos, denn betroffen sind davon vor allem Investitionen bei existenziellen Güter und Dienstleistungen wie Nahverkehr, Abfallentsorgung, Energie, Kinderbetreuung.
Ein Überblick über die derzeitige Politik und die im SP-VP-Regierungsübereinkommen festgehaltenen Ziele ergibt eine bemerkenswerte Schieflage:
- Den Banken wird 15 Milliarden billiges Geld vom Staat zur Verfügung gestellt, ohne damit Einfluss auf die Geschäftspolitik der Banken zu bekommen. Diese können damit Kredite vergeben, genauso gut können sie aber auch das Geld dazu verwenden, die Löcher fauler Kredite zu stopfen oder die Aktionäre mit Dividenden und die Manager mit satten Gagen zu verwöhnen. Welche Löcher die 100 Milliarden-Haftung des Staates für Banken in den öffentlichen Haushalt reißen wird, ist nicht absehbar. Im Vergleich zu den Summen, die den Banken offeriert werden, bewegt sich dagegen das groß hinausposaunte „Konjunkturprogramm“ im Bagatellbereich.
- Die Steuerreform begünstigt die Gut- und Besserverdienenden. Die exorbitanten Steuererleichterungen der letzten Steuerreformen zu Gunsten von Großkonzernen (Senkung der Körperschaftssteuer, Gruppenbesteuerung), der Spitzenverdiener (Senkung des Spitzensteuersatzes), der Milliardenvermögen (Abschaffung der Vermögenssteuer, Privatstiftungen) werden unverfroren beibehalten. Es obliegt dem ehemaligen ÖGB-Präsidenten und nunmehrigen Sozialminister Hundsdorfer Stein und Bein zu schwören, dass keine Rücknahme der Steuergeschenke für Konzerne und Superreiche angedacht wird.
- Gleichzeitig wird an den restriktiven Auflagen für die öffentliche Verschuldung festgehalten, Länder und Gemeinden sogar zu Abführung von Überschüssen verpflichtet. Militär- und Rüstungsausgaben dagegen sollen erhöht werden, um „Führungsaufgaben“ bei EU-Militäreinsätzen zu übernehmen.
Nimmt man diese drei Grundzüge zusammen, so drängt sich ein Schluss auf: Die breite Mehrheit der Bevölkerung sollen die Lasten der Finanz- und Wirtschaftskrise durch Sozialabbau und die Einschränkungen von öffentlichen Investitionen aufgebrummt bekommen. Kanzler Faymann spricht das mittlerweile unverschämt offen aus: „Wenn unser Schutzschirm einer 100 Milliarden-Euro-Haftung für die Banken nicht dazu führt, dass die Betriebe wieder mehr Kredite erhalten, müssen wir nachlegen. Es gibt Anzeichen, dass der derzeitige Haftungsrahmen nicht reicht. Wenn sich das verdichtet, werden wir sofort nachbessern. …“ Auf die Frage, woher das Geld kommen soll, antwortet der Kanzler forsch: „Gespart werden soll im gesamten Bereich der Verwaltung, aber natürlich auch durch eine Gesundheits- und Spitalsreform.“ (OÖN, 6.12.2008) Im Klartext: Mehr Geld für die Banken, weniger für das Gesundheitssystem.
Boris Lechthaler, Vorsitzender der Werkstatt Frieden & Solidarität: "Mit dem Bankenrettungspaket versucht die Bundesregierung das Engagement der österreichischen Banken vor allem in Osteuropa abzusichern. Positive Auswirkungen auf die heimische Nachfrage und Investitionen sind beschränkt. Dafür sorgen auch nicht zuletzt die Auflagen der EU-Kommission. Mit dem Argument wettbewerbsrechtliche Verzerrungen verhindern zu wollen, werden die Staaten mit ihren Kapitalzuschüssen und Haftungen zu direkten Komplizen bei der Sicherung von Zugriff auf Ressourcen und Wertschöpfung anderer. Ohne Umverteilung wird mit diesen Rettungspaketen die nächste Finanzmarkt-Blase vorbereitet. Um aus dieser Sackgasse rauszukommen, bedarf es einer solidarischen und demokratischen Wende, die nur mit der Eigenaktivität der Betroffenen durchgesetzt werden kann."