ImageGriechenland braucht unsere Solidarität. Solidarisch können wir jedoch nur sein, wenn wir uns selbst der Unterordnung unter das EU-Konkurrenzregime widersetzen. Ein Kommentar von Boris Lechthaler.


Folgt man den Ankündigungen der ParteigängerInnen einer sozialen, demokratischen und wer-weiß-was-noch EU müssten heute die europäischen Regierungen vor den Solidaritätsdemonstrationen mit Griechenland erzittern. Das Gegenteil ist der Fall. Kaum noch ein/e glühende/r Friede-, Freude-, FortschrittseuropäerIn meldet sich zu Wort.

Am 13. Jänner 2015 wurde die griechische Bevölkerung von Attac Österreich in einer Presseaussendung noch gebeten „weiter daran zu glauben, dass demokratischer Wandel (im EU- und Euro- Konkurrenzregime, Anm. B.L.) möglich ist“. „Griechenlands WählerInnen sind die Hoffnung für Europa. Die griechischen Wahlen am 25. Jänner sind eine Chance für ein Ende der inhumanen Austeritätspolitik in der Europäischen Union […] Eine griechische Regierung, die dem Diktat der Troika mit einem ,Nein’ entgegentritt, handelt im Interesse aller EuropäerInnen“, heißt es weiter seitens Attac. In Österreich schafft man es womöglich nicht einmal ein soziales Kahlschlagprogramm bei Behinderteneinrichtungen aufgrund des EU-Fiskalpakts zu verhindern. Solidarität wird so zur Floskel, mit der darüber hinweggetäuscht wird, dass man zu feig ist, die eigenen Hausaufgaben zu erledigen.

Personenkomitee „EuroExit gegen Sozialabbau“ spricht Klartext

Griechenland braucht unsere Solidarität. Solidarisch können wir jedoch nur sein, wenn wir uns selbst der Unterordnung unter das EU-Konkurrenzregime widersetzen. In diesen Tagen hat sich ein Personenkomitee „EuroExit gegen Sozialabbau“ gegründet: „Die heutige Union [ist] für viele Staaten Europas zu einem engen Korsett erzwungenen Sozialabbaus gegen die eigene Bevölkerung geworden. Ein Ausscheren durch den demokratischen Wahlentscheid einer Mehrheit ist nicht vorgesehen wie Griechenland 2015 zeigt“, heißt es im Aufruf. Und weiter: „Die Währungsunion (WU) und das supranationale ‚Europa’ stehen im Dienst der regionalen und globalen wirtschaftlichen Elite. […] In Ermangelung des Ausgleichsmechanismus der Abwertung durch den gemeinsamen Euro sind die Peripheriestaaten zur ‚inneren Abwertung’ gezwungen: Der Lebensstandard der breiten Massen sinkt in extremer Weise. In Griechenland schrumpften das Sozialprodukt und die Reallöhne um ein Viertel. Der Hunger wurde im entwickelten Europa wieder zur sozialen Realität. Doch das ist keine Automatik. Es ist die Folge einer menschenverachtenden Gläubigerpolitik nach deutschem Design, die von einer nicht legitimierten Technokraten-Troika oktroyiert wird.“

Während sich die meisten „glühenden EuropäerInnen” für die griechische Tragödie mitverantwortlich machen, indem sie Salven an Nebelgranaten verschießen, spricht der Aufruf Klartext: „Die Krise hat das ‚gemeinsame Europa’ zu einem Gefüge unter offen deutscher Vorherrschaft gemacht. Die Desintegration zwischen Zentrum und Peripherie, die unvermeidliche Folge der EU-Politik, ruft neuerlich Nationalismus hervor und spaltet Europa. Wird das zu einem Kurswechsel der Eliten führen? Die glatte Ablehnung der Forderung der neuen griechischen Regierung nach einer Dämpfung des Hunger-Programms beweist überdeutlich: Ein ‚soziales Europa’, ein übernationaler, anstelle des auf nationaler Ebene zerstörten Sozialstaates, steht nicht am Programm. Ein soziales Europa ist nur aus einer neubegründeten Kooperation der Völker denkbar, die das Euro-Regime der heute in Europa herrschenden ökonomischen und politischen Eliten überwindet. Das gilt auch für die formale parlamentarische Demokratie, die mit dem Euro-Rettungs-Regime des Fiskalpaktes – dem institutionalisierten monetaristischen Sachzwang – nicht vereinbar ist.  Ausgangspunkt für einen Neubeginn sind die Nationalstaaten. Nur dort gibt es derzeit eine reale Möglichkeit von Partizipation.“

Neue Wege der Kooperation gleichberechtigter, demokratischer und sozialer Nationalstaaten

Die Stärke des Aufruftextes findet sich darin, dass im Unterschied zu anderen Solidaritätsdeklamationen nicht der notleidenden griechischen Bevölkerung auch noch die Realisierung der eigenen europapolitischen Träumereien umgehängt wird. Mit klaren Worten wird der Handlungsrahmen für uns in Österreich benannt: „Österreich ist in vieler Hinsicht ein enges Anhängsel Deuschlands, integraler Bestandteil des Zentrums-Blocks.“ Folgerichtig wird der Austritt aus der EU thematisiert: „Das Personenkomitee ‚EuroExit gegen Sozialabbau’ stellt sich zum Ziel in der Öffentlichkeit für eine soziale und demokratische Alternative zu Euro und EU zu arbeiten. Soll die Desintegration der EU nicht zu einer Vorherrschaft rechter NationalistInnen führen, so braucht es die Arbeit an einem neuen sozialen und politischen Block unter dem Motto: statt einer Union unter den finanzkapitalistischen Spielregeln der Euro-Eliten und eines egoistischen Zentrums-Nationalismus gegen die Völker der europäischen Peripherie, neue Wege der Kooperation gleichberechtigter, demokratischer und sozialer Nationalstaaten.“ Wir ersuchen alle solidarisch und demokratisch gesinnten ÖsterreicherInnen, diesem Personenkomitee beizutreten.

13.5.2015