Laut Umfragen lehnen drei Viertel der österreichischen Bevölkerung das neoliberale EU-Kanada-Freihandelsabkommen (CETA) ab. In einer Schmierentragödie in vier Akten ist es dem Establishment bisher gelungen, diesen Bevölkerungswillen zu verhöhnen. Schreiben wir selbst den 5. Akt!
1. Akt: Bundeskanzler Kern hätte im Herbst 2016 CETA beerdigen können, hätte er auf EU-Ebene – wo Einstimmigkeit erforderlich war - gegen CETA gestimmt. Trotz eindeutigem Ergebnis einer innerparteilichen Mitgliederbefragung fällt er in Brüssel um und stimmt CETA zu. CETA gilt jedoch als „gemischtes Verfahren“. D.h. jene Teile von CETA, die die Sonderjustiz für Konzerne beinhaltet (ICS) erfordern eine nationale Ratifizierung aller Parlamente der EU-Staaten. Die FPÖ verspricht hoch und heilig, dass eine Volksabstimmung über CETA eine absolute Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung der FPÖ ist.
2. Akt: Die SPÖ verhindert, dass die Ratifizierung von CETA noch vor den Nationalratswahlen in Parlament kommt, weil es zu diesem Zeitpunkt eine deutliche Mehrheit gegen CETA gegeben hätte (die FPÖ konnte ja nicht schon vor der Wahl umfallen). Christian Kern gesteht offenmütig diesen Beweggrund: „Im Parlament gibt es momentan keine Chance, einen positiven Beschluss für dieses Freihandelsabkommen zu erreichen. Ich will verhindern, dass das Abkommen … durch eine Ablehnung im Nationalrat als Ganzes scheitern würde.“ (Kronen-Zeitung, 4.10.2017).
3. Akt: Nach den Wahlen ist die FPÖ mit dem Umfallen an der Reihe. Im schwarz-blauen Regierungspakt wird die Zustimmung zu CETA paktiert. Eine Volksabstimmung zu CETA wird ausgeschlossen. Im Mai 2018 geben türkis und blau grünes Licht für die Ratifizierung im Parlament. Dabei wird diese Entscheidung, die tief in die österreichische Verfassung einschneidet, ohne Verfassungsmehrheit durchgedrückt.
4. Akt: Jetzt ist Bundespräsident Van der Bellen an der Reihe. Schließlich hat der Bundespräsident mit seiner Unterschrift zu beurkunden, ob Parlamentsbeschlüsse verfassungskonform zustande gekommen sind. Genau das aber ist CETA nicht, weil es nicht einmal eine Verfassungsmehrheit gegeben hat! Van der Bellen wäre also gefordert, die Unterschrift unter CETA zu verweigern, umso mehr als er das im BP-Wahlkampf in Aussicht gestellt hat. Van der Bellens Bauchfleck ist etwas fintenreicher als der von SPÖ und FPÖ. Er unterschreibt zunächst nicht und erklärte, er wolle gemäß der Entscheidung des EuGHs handeln, bei dem noch eine Klage gegen CETA anhängig ist. Was vorneweg einleuchtend klingt, ist tatsächlich eine ungeheuerliche Entmündigung der Bevölkerung: Anstatt die österreichische Bevölkerung – sprich: 6,4 Millionen wahlberechtigte BürgerInnen – in einer Volksabstimmung entscheiden zu lassen, delegiert der Bundespräsident die Entscheidung an einen elitären Zirkel von 15 EuGH-Richtern, die kaum eine Gelegenheit auslassen, sich als Motor des neoliberalen Freihandels zu profilieren. Der Generalstaatsanwalt (dessen Empfehlungen der EuGH in aller Regel folgt) hat bereits grünes Licht für CETA gegeben.
Schreiben wir den 5. Akt selbst!
Vier Mal sind immer genau jene umgefallen, die es in der Hand gehabt hätten, CETA zu verhindern. Vier Mal sind wir verarscht worden. Ist damit der letzte Vorhang dieser Schmierentragödie gefallen? Nein, es gibt in der Geschichte immer die Möglichkeit, einen neuen Akt zu schreiben. Und dieser kann auch von unten, von der Bevölkerung geschrieben werden. Schon einmal, im Jänner 2017, hat ein Volksbegehren gegen CETA, das von über 560.000 Menschen unterzeichnet wurde, den CETA-Fahrplan der Regierung gehörig durcheinander gebracht. In der Woche vom 25. März bis 1. April 2019 haben wir wieder die Chance, Sand ins Getriebe der neoliberalen Freihandelsmaschine zu bringen. Dann nämlich liegt das Volksbegehren „Für eine Volksabstimmung über CETA!“ auf den Gemeindeämtern zur Unterschrift auf. Dieses Volksbegehren hat weder große Organisationen noch Medien hinter sich. Es hängt von jedem/r von uns ab, ob wir diese Chance ergreifen, den Mächtigen dir rote Karte für ihr permanentes Foulspiel an der Demokratie zu zeigen.
Wenn viele in dieser Woche den kleinen Schritt zum Gemeindeamt schaffen, kann das ein großer Schritt für einen demokratischen Aufbruch in Österreich sein. Schreiben wir den 5. Akt selbst!
Volksbegehren für eine Volksabstimmung über CETA unterschreiben,…
… weil Freihandelsverträge wie CETA soziale und ökologische Standards gefährden, die Privatisierung öffentlicher Dienste vorantreiben und den Konzernen die Möglichkeit geben, Gesetze zu beeinspruchen, noch bevor sie in die Parlamente kommen (regulatorische Kooperation).
… weil Freihandelsverträge wie CETA eine Paralleljustiz zugunsten der Konzerne einrichten. Konzerne können Staaten klagen, wenn sie durch Sozialgesetze, Lohnerhöhungen, Umweltschutzvorgaben usw. ihre Profiterwartungen geschmälert sehen. Für CETA wurden die bisherigen privaten Schiedsgerichte (ISDS = Investor-State-Dispute-Settlement) zwar durch ein Investitionsgerichtssystem (ICS = Investment Court System) ersetzt. Am grundlegenden Problem ändert sich dadurch nichts. Denn auch im ICS wird Konzernen eine privilegierte Möglichkeit eröffnet, ihre Interessen gegenüber dem Staat durchzusetzen.
… weil nur die österreichische Bevölkerung das Recht hat, über Handelsverträge zu entscheiden, die so grundlegend das demokratische Prinzip der österreichischen Verfassung verletzen (Artikel 44, Abs 3 B-VG). Die Unterzeichnung solcher Freihandelsverträge ist daher aus unserer Sicht ein Bruch der Verfassung, wenn nicht zuvor darüber eine Volksabstimmung stattgefunden hat.
… weil eine solche Volksabstimmung bereits 2008 über den EU-Vertrag von Lissabon stattfinden hätte müssen, denn erst dieser EU-Vertrag hat der EU weitreichende Vollmachten zum Durchpeitschen solcher Handelsverträge auf Kosten der nationalen Parlamente verschafft. Wird nun über CETA erneut eine solche Volksabstimmung verweigert, so kommt das einem schleichenden Staatsstreich gegen die österreichische Verfassung gleich.
… weil ein Erfolg des Volksbegehrens eine große Chance ist, dem Widerstand gegen die EU-Freihandelspolitik neue Dynamik zu verleihen. Das ist umso wichtiger, als die EU-Kommission per EU-Grundlagenvertrag auf eine aggressive Freihandelspolitik verpflichtet ist und ständig neue Freihandelsverträge auf den Weg bringt (JEFTA, TTIP, EPA, TiSA, EU-Mercosur, usw.)
… weil wir eine Stärkung der direkten Demokratie brauchen, wenn wir der immer stärker werdenden Konzernherrschaft ernsthaft etwas entgegensetzen wollen.
25.3. bis 1.4.2019 – am besten gleich zwei Mal unterschreiben!
Zeitgleich mit dem Volksbegehren für eine Volksabstimmung über CETA liegt auch ein Volksbegehren für die Stärkung der direkten Demokratie auf. Die zentrale Forderung: Es müssen verpflichtende Volksabstimmungen durchgeführt werden, wenn zumindest 100.000 BürgerInnen eine solche verlangen. Freilich müssen die Rahmenbedingungen solcher verpflichtender Volksabstimmung (z.B. Schutz Menschenrechte) noch breit diskutiert und ausgearbeitet werden. Aber die grundsätzliche Stoßrichtung halten wir für goldrichtig. Wenn die Bevölkerung eine solche Möglichkeit hat, selbst verpflichtende Volksabstimmungen von unten zu initiieren, dann können wir den Schmierentragödien der Mächtigen, wie wir sie bei CETA erneut erlebt haben, einen Riegel vorschieben. Daher am besten gleich beide Volksbegehren unterschreiben!
Wer bei der Bewerbung dieser Volksbegehrens mithelfen will, kann bei der Solidarwerkstatt Falter, Pickerl und Plakate bestellen: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, T 0732 77 10 94.
Den Falter gibts hier auch zum Herunterladen.