ImageDas Vertrauen in Justiz und Rechtssystem wird durch viele aktuelle Entwicklungen erschüttert. Während politische AktivistInnen mit "Mafia-" und "Terrorismus"-Paragrafen bekämpft werden, werden Milliardenbetrüger mit Samthandschuhen angefasst. In einem Offenen Brief an Justizministerin Bandion-Ortner rollt die Werkstatt Frieden & Solidarität die skandalösen Umstände rund um die Privatisierung der VA-Tech im Jahre 2005 auf. Trotz offensichtlicher Verstöße gegen die Rechtslage ließ die Staatsanwaltschaft eine diesbezügliche Strafanzeige der Werkstatt Frieden & Solidarität "verschwinden". Die Werkstatt fordert die Justizministerin zum Handeln auf.




OFFENER BRIEF DER WERKSTATT FRIEDEN & SOLIDARITÄT


an die
Bundesministerin für Justiz
Fr. Mag. Claudia Bandion Ortner

Linz, am 19.09.2010

Sehr geehrte Ministerin für Justiz Fr. Mag. Bandion Ortner

Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass die Werkstatt Frieden & Solidarität am 09.02.2005 eine Strafanzeige gemäß § 153 StGB beim Linzer Landesgericht eingebracht hat. Diese Strafanzeige gegen 2 Vorstände und 10 Aufsichtsratmitglieder der Österreichischen Industrieholding AG (ÖIAG) wurde aufgrund der Vorgänge und Verhaltensweisen des ÖIAG-Vorstandes bei der Übername des in ÖIAG-Besitz stehenden Aktienpaketes der VA Technologie AG (VA-TECH) an die SIEMENS AG Österreich eingebracht (Strafanzeige siehe http://www.friwe.at/Diverses/OEIAGStrafanzeige.pdf). Bei dieser in der Anlage beiliegenden Strafanzeige wird auf den Sachverhalt des Verstoßes gegen den Privatisierungsauftrag nach § 7 des ÖIAG-Gesetzes und besonders auf die für Österreich schädigenden Umstände und Auswirkungen hingewiesen. Aufgrund des großen öffentlichen Interesses und der breiten Medienberichterstattung wird Ihnen dieser Vorgang noch in Erinnerung sein.


Es ist nicht nur demokratisch legitimiertes Recht; sondern auch Pflicht jedes Einzelnen, strafrechtlich relevante Umstände mündlich oder schriftlich den dafür zuständigen Behörden zur Kenntnis zu bringen. In diesem Fall berühren die strafrechtlich relevanten Umstände nicht nur privates Interesse, sondern öffentliches Eigentum, mit großer Bedeutung für Beschäftigte und der Gesellschaft insgesamt. Richter und Staatsanwälte sind zu einer Gleichbehandlung aller Anzeigen und Eingaben dem Gesetz entsprechend verpflichtet. Aufgrund des hohen öffentlichen Interesses in diesem Fall, müsste doch eine erhöhte Aufmerksamkeit und Sensibilität der Justiz angenommen werden.

Wir waren deshalb sehr verwundert, dass weder die eingeforderte schriftliche Bestätigung noch eine mündliche Mitteilung über den Eingang der Strafanzeige der Werkstatt Frieden & Solidarität bzw. eine Information über die weitere Behandlung erfolgt ist. Für uns bzw. die interessierte Öffentlichkeit stellen sich deshalb folgende Fragen, zu deren Beantwortung wir Sie ersuchen beizutragen.

Handelt es sich um eine Verschleppung der Strafanzeige, so sollte zumindest eine amtliche Eingangsbestätigung auffindbar sein.

Handelt es sich um eine Unterdrückung der Strafanzeige bzw. Dokumentenunterdrückung?

Handelt es sich um eine Unterdrückung der Strafanzeige zur Verhinderung eines Strafprozesses nach § 153 StGB gegen die angezeigten Personen des Vorstandes (und des Aufsichtsrates?) der ÖIAG?

Handelt es sich um eine Unterdrückung der Strafanzeige zur Verhinderung eines Strafprozesses nach § 153 StGB gegen die angezeigten Personen des Vorstandes der ÖIAG aufgrund einer Weisung von höherer Instanz, so wäre das dem Einbringer, der Werkstatt Frieden & Solidarität mitzuteilen.

Handelt es sich um einen Verlust der Strafanzeige in den Gebäuden der Justiz? Die mediale Berichterstattung über diese Strafanzeige erreichte ein Ausmaß, welches nahe legt, dass auch in diesem Fall das Vorliegen einer Strafanzeige den zuständigen Personen nicht entgangen sein kann. Noch dazu wissen wir, dass auch andere Personen eine Strafanzeige in diesem Sinne eingebracht haben und diese sehr wohl vom Eingang in Kenntnis gesetzt wurden.

Alle diese offenen Fragen sind geeignet, das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit unseres Rechtssystems in Frage zu stellen. Wir ersuchen Sie deshalb, in Ihrem Ministerium für Justiz und ministeriellen Wirkungskreis nachzuforschen, welche Umstände und Einwirkungen dafür verantwortlich sind, dass auf die Strafanzeige der Werkstatt für Frieden und Solidarität vom 9. Februar 2005 gegen die Mitglieder des Vorstandes bzw. Aufsichtsrates der ÖIAG nach § 153 StGB, weder eine schriftliche Bestätigung über deren Empfang noch eine Information über die weitere Behandlung dieses Falles übermittelt wurde.

Aufgrund der Tatsache, dass am 11. 11. 2009 der Untersuchungsausschuss zur Untersuchung von Abhör- und Beeinflussungsmaßnahmen im Bereich des Parlaments mit dem Vorsitz von Martin Bartenstein und dessen parlamentarische Mitglieder einen Offenen Brief mit grundlegender Information und Fragestellung zu dieser Causa bekamen und unbeantwortet blieb und dem derzeitigen allgemeinen Interesse, wirklich alle vor dem Gesetz gleich erscheinen zu lassen, wenden wir und an Sie.

Mit unverbrüchlicher Hoffnung in den funktionierenden Österreichischen Rechtsstaat erwarten wir von Ihnen Antwort und Aufklärung über die oben Angeführten Fragestellungen an Sie zur Strafanzeige der Werkstatt für Frieden & Solidarität, eingebracht am 09.02.2005 gemäß § 153 StGB beim Linzer Landesgericht.


Mit freundlichen Grüßen

f. d. Werkstatt Frieden & Solidarität

Rudi Schober