Image Die Solidarwerkstatt Wien ruft die Wienerinnen und Wiener dazu auf, sich in der kommenden Woche vom 7. bis 9. März an der Wiener Volksbefragung zu beteiligen und bei der 3. Fragestellung ein Votum für den Schutz kommunalen Eigentums vor Privatisierung abzugeben.

Doch auch ein eindeutiges Ergebnis in dieser Frage bietet natürlich keineswegs ausreichend Gewähr dafür, den Begehrlichkeiten privater Konzerne für kommunales Eigentum zu widerstehen. Für kritische BeobachterInnen des Zeitgeschehens der vergangenen 20 Jahre ist nämlich die SPÖ nicht die erste Adresse für Anliegen, die den Schutz öffentlichen Eigentums vor Privatisierung betreffen:

Die meisten Privatisierungen erfolgten unter SPÖ-Verantwortung

Schon Anfang 2007 fasste die Werkstatt Frieden & Solidarität die Erfahrungen mit der Privatisierung öffentlichen Eigentums unter dem Titel „SPÖ für den größten Teil der Privatisierungen verantwortlich“ folgendermaßen zusammen: „Ideologisch sind ÖVP und FPÖ/BZÖ die klassischen Privatisierungsparteien. Doch die SPÖ erwies sich als Partei der Tat. Nimmt man die Privatisierungen zusammen, die unter einem SPÖ-Kanzler stattfanden bzw. auf anderen Ebenen in den sozialdemokratischen Einflussbereich fallen – Verkauf der Bank Austria durch die Stadt Wien, Verkauf der BAWAG durch den ÖGB – so hat das SP-Spitzenpersonal rund drei Viertel der Privatisierungen der letzten eineinhalb Jahrzehnte maßgeblich zu verantworten. Auch Privatisierungen während der schwarz-blauen Regierungszeit wurde entweder zugestimmt (z. B. VE-Tech) oder faktisch kein Widerstand entgegengesetzt (z. B. Post-Privatisierung).“ (guernica 1/2007, S. 9) Die Arbeiterkammer Wien berechnete, dass allein durch die Privatisierungsschritte bei OMV, Post und Telekom dem Bundeshaushalt bis 2010 394 Mio. Euro entgangen sind (vgl. http://wien.arbeiterkammer.at/online/privatisierungen-ein-verlustgeschaeft-65789.html).

Aber auch die Wiener SPÖ tat sich in den vergangenen Jahren immer wieder durch Ausgliederungen, Public-Private-Partnership- und Cross-Border-Leasing-Abenteuer hervor. Auch wenn dabei zumeist die (Mehrheits)eigentumsanteile der Stadt gehalten wurden, so zeitigen bereits Ausgliederungen gravierende Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und damit auch Qualität des Angebots kommunaler Dienstleistungen, stehen ja in diesen selbstständigen Betrieben im Eigentum der Stadt Wien dann nicht mehr die Interessen und Bedürfnisse der Wienerinnen und Wiener im Vordergrund, sondern die Wirtschaftlichkeit des Betriebs. So mussten z. B. die Beschäftigten bei den Wiener Linien masive Lohneinbußen durch ein neues Dienstrecht in Kauf nehmen.

Angesichts derartiger Erfahrungen kann die Botschaft der in Wien derzeit flächendeckend von der SPÖ affichierten Plakate der Sorte „Die SPÖ schützt kommunale Betriebe vor Privatisierung“ oder „Die SPÖ schützt Gemeindebauten vor Privatisierung“ als gefährliche Drohung gelesen werden. Misstrauen ist der aktuellen Kampagne der Wiener SPÖ gegenüber also allemal angebracht.

Privatisierungsverbot unter Verfassungsschutz stellen!

Trotz alledem ist es gefährlich, die Befragung zum kommunalen Eigentum der Stadt Wien nur als Werbegag der SPÖ abzutun und die Befragung deshalb gar zu boykottieren. Der finanzielle Druck auf die Gemeinden wird durch die im vergangenen Jahr vom österreichischen Parlament abgenickten Schuldenbremse bzw. durch den Fiskalpakt der EU enorm zunehmen. Auch wenn im Wiener Gemeinderat zurzeit alle Parteien in Bezug auf das Thema Privatisierung Kreide gefressen zu haben scheinen, so verbessert ein deutliches Votum gegen die Privatisierung kommunalen Eigentums die Voraussetzungen für den notwendigen Kampf, wenn der finanzielle Druck auf die Gemeinde steigt und die Rathausparteien aller Couleur wieder einmal die Sachzwänge entdeckt haben werden.

Darüber hinaus bietet ein klares Votum für die Erhaltung des kommunalen Eigentums gute Ausgangsbedingungen für eine Kampagne zur Rekommunalisierung privatisierter oder ausgegliederter Betriebe öffentlichen Interesses bzw. zur Festschreibung eines Privatisierungsverbots in der Wiener Landesverfassung. Und die Wiener Rathausparteien könnte man daran erinnern, dass sie bereits im Jahr 2001 die Quellgebiete und Wasseranlagen der Stadt Wien unter Verfassungsschutz gestellt haben. Es spricht aus Sicht der Wienerinnen und Wiener nichts dagegen, dass sie weiteren kommunalen Dienstleistungsbetrieben diesen Schutz zukommen lassen.