ImageDer für 28. März geplante Streik der OÖ Gemeindebediensteten gegen Lohnraub bzw. Nulllohnrunden wurde aus fragwürdigen Gründen abgeblasen. Wir lassen trotzdem den Text des Flugblatts der Solidar-Werkstatt, das wir am Streiktag verteilen wollten, hier auf der Web-Page stehen. Damit dokumentieren wir unsere Solidarität mit den Forderungen der Gemeindebediensteten, die nichts an Berechtigung verloren haben, auch wenn manche in der ÖGB-Führung kalte Füße bekommen haben.


Mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und der FPÖ wurde im oberösterreichischen Landtag mit dem Dienstrechtsänderungsgesetz beschlossen, dass die Lohn- und Gehaltserhöhung für die Landes- und Gemeindebediensteten 2012 um 1% unter dem Abschluss für die Bundesbediensteten liegen muss. Der nächste Schlag kommt nun von der rot-schwarzen Bundesregierung mit dem größten Spar- und Belastungspaket der 2. Republik: 2013 soll es eine Nulllohnrunde für öffentliche Bedienstete, also massive Reallohnverluste geben, in den Folgejahren „moderate“ Erhöhungen, also deutlich unter der Inflationsrate. Außerdem sollen mit einem Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst die Qualität der Dienstleistungen verschlechtert werden.

Die Solidarwerkstatt unterstützt voll und ganz den Streik der Gemeindebediensteten gegen diese Lohnkürzungen, denn …

... diese Politik ist unsozial und ungerecht, weil sie jene trifft, die beleibe keine Spitzerverdiener sind. Minus 1% gegenüber dem Bundesabschluss und darauf folgende Nulllohnrunden führen zu massiven Realeinkommensverlusten bei den Gemeindebediensteten: So liegt die Inflation im sog. „Mini-Warenkorb“, also den Preisen der Güter und Dienstleistungen für Otto Normalverbraucher, derzeit bei fast 5%! Die Umverteilung von unten nach oben, von Arbeit zu Kapital geht immer rascher. Seit dem EU-Beitritt ist die Arbeit der Erwerbstätigen real um 24% ergiebiger geworden, der reale Durchschnittslohn ist seither aber um 0,5% gesunken! (Quelle: AK OÖ)

... diese Politik ist kurzsichtig und wirtschaftsfeindlich, weil sie die Massenkaufkraft schwächt und damit die Gefahr einer wirtschaftlichen Rezession heraufbeschwört. Damit droht aber – siehe Griechenland – auch eine weitere Erhöhung der staatlichen Schulden, weil die öffentlichen Einnahmen wegbrechen.

... diese Politik ist zukunftsfeindlich, weil dort gespart wird, wo wir als Gesellschaft nicht den Abbau, sondern den Ausbau der qualifizierten Beschäftigung brauchen: bei Gemeindedienstleistungen und –infrastrukturen, Gesundheit, Pflege, Bildung, Kinderbetreuung, Öffentlichem Verkehr, Umweltschutz, sozialem Wohnbau, usw.

EU-Fiskalpakt entmündigt das Parlament in der Budgetpolitik

Diese Angriffe auf Öffentliche Dienste, den Sozialstaat und die Rechte von ArbeitnehmerInnen werden immer direkter über die EU-Ebene vorgetragen. Bereits 2011 verpflichteten sich die Euro-Staaten im sog. „Euro-Plus-Pakt“ zur „Lohnzurückhaltung im öffentlichen Dienst“, die "der auf Wettbewerbsfähigkeit gerichteten Anstrengungen im Privatsektor förderlich sind." Das 26 Milliarden Euro schwere Spar- und Belastungspaket der Regierung samt Nulllohnrunden ist nun ein unmittelbarer Vorgriff auf den sog. EU-Fiskalpakt, der noch im Frühjahr durch das Parlament durchgewunken werden soll. Dieser EU-Pakt raubt den gewählten Parlamenten die Budgethoheit und überträgt sie faktisch auf die Ebene der demokratisch nicht belangbaren EU-Bürokratie, allen voran der EU-Kommission:

- Die Parlamente müssen sich über eine sog. „Schuldenbremse“ selbst entmündigen. Die Regeln für diese „Schuldenbremse“ werden von der EU-Kommission diktiert, die Einhaltung dieser Regeln vom EU-Gerichtshof überwacht und sanktioniert.
- Die EU-Kommission erhält permanente Eingriffsmöglichkeiten in die nationale Budgeterstellung, noch bevor ein Parlamentarier diese zu Gesicht bekommt.
- Die EU-Kommission kann im Fall des Verstoßes gegen extrem rigide (und zugleich höchst willkürlich definierbare) „Defizitkriterien“ Verfahren für hohe Geldstrafen in die Wege leiten (bis zu 0,5% des BIP = im Falle Österreich sind das 1,5 Milliarden Euro!).
- Gleichzeitig können solche Staaten und ihre gewählten Vertreter durch sog. „Strukturprogramme“ vollkommen unter Vormundschaft von EU-Kommission und EU-Rat gestellt werden. Was das heißt, wird derzeit in Griechenland vorexerziert: Lohnsenkungen im öffentlichen Dienst um bis zu 40%, massive Sozialkürzungen und ein 50 Milliarden-Privatisierungsprogramm.

EZB-Chef freut sich: „Sozialstaat ist ein Auslaufmodell in der EU“

Der Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi hat in einem Interview mit dem Wallstreet-Journal (23.02.2012) ganz unverblümt gesagt, wozu der EU-Fiskalpakt dient: Der Sozialstaat in den EU-Staaten sei ein „Auslaufmodell… Das Sozialstaatsmodell hat ausgedient“. Da die Demontage des Sozialstaats in den Mitgliedstaaten wohl nie auf demokratischen Weg durchgesetzt werden kann, sollen über diesen EU-Fiskalpakt die gewählten Parlamente bei der Budgetpolitik regelrecht entmündigt werden. Draghi spricht das offen aus: „Der Fiskal-Pakt ist ein politisches Ereignis, weil er den Willen der Mitgliedstaaten bezeugt, einen Teil ihrer Souveränität aufzugeben, nämlich im Bereich der Budget-Hoheit.“

Das Belastungspaket der Regierung, die Lohnabschläge in Oberösterreich, die geplanten Nulllohnrunden im Öffentlichen Dienst sind erst der Auftakt zu weiteren Kürzungen im öffentlichen Dienst, wenn es uns nicht gelingt, die Ratifizierung des EU-Fiskalpaktes zu verhindern. Die Regierungsparteien wollen diesen Pakt im Eilzugstempo durch das Parlament jagen, um jede breitere Information und Debatte darüber zu verhindern. Das ist ein glatter Verfassungsbruch! Denn bei grundlegenden Verfassungsänderungen muss in Österreich zwingend eine Volksabstimmung abgehalten werden. Was, wenn nicht die Entmündigung des Parlaments in seinem „Königsrecht“, der Erstellung des Budgets, ist eine solche grundlegende Veränderung der Verfassung.

Scharfe Kritik aus der Arbeiterkammer am EU-Fiskalpakt

Auch aus der Arbeiterkammer kommt immer schärfere Kritik an diesem arbeitnehmerfeindlichen EU-Fiskalpakt. So bezeichnet der Rechtsexperte Lukas Oberndorfer von der AK Wien diesen Pakt als „Radikalisierung der neoliberalen ‚Integration’ Europas, die sich zumehmend nur durch die Umgehung demokratischer Verfahren bewerkstelligen lässt.“ (Info-Brief der AK-Wien, 1/2012 ). Es ist sicher auch kein Zufall, dass parallel zu diesem Fiskalpakt derzeit die Kommission neue Vorschriften vorlegt, die das Streikrecht einschränken sollen (sh. www.vida.at).

Lassen wir nicht zu, dass Demokratie und Sozialstaat immer mehr beseitigt werden. Wehren wir uns gegen das Kaputtsparen der öffentlichen Dienste! Verlangen wir vom Nationalrat, dass die Bevölkerung in einer Volksabstimmung in die Entscheidung über den EU-Fiskalpakt einbezogen wird!


Nähere Informationen und Aktionshinweise dazu im Dossier der Solidarwerkstatt zum EU-Fiskalpakt.