ImageGespräch mit Walter Theisl, Betriebsrat bei der Leiharbeitsfirma Manpower GmbH in Graz.

Werkstatt-Blatt: Wo hast Du bisher als Leiharbeiter gearbeitet?

Walter Theisl: Ich bin seit 14 Jahren Leiharbeiter und war vor etwa 10 Jahren Gründungsmitglied des Arbeiterbetriebsrates bei Manpower. In diesen 14 Jahren hatte ich über 30 Einsätze. Ich arbeitete als Fensterputzer, Küchenhelfer, Lagerarbeiter, Möbelpacker, ich räumte Bücher in einer Bibliothek ein, half bei der Übersiedlung eines Museumslagers, verlegte Kabel in einem Kraftwerk und war Hausmeister. Ich fertigte Theaterrequisiten, Verkehrsschilder, Werbetafeln, Autositze, Getriebeteile für Autos, Matratzen, Zigarettenschachteln, 8 verschiedene Autotypen, Fenster und einiges anderes an.

WB: Was sind – auf dem Hintergrund dieser langjährigen Erfahrungen - Deiner Meinung nach die größten Probleme von Zeitarbeitskräften?

WT: Es gibt immer wieder fehlerhafte Abrechnungen. Der Grund dafür ist, dass die Leihfirmen sich als außenstehende Firma selten ein Bild von den Arbeitsplätzen machen können. Dadurch dass es bei den Leihfirmen extreme Konkurrenz gibt und sie fürchten müssen, dass sie bei falschen Abrechnungen den Auftrag verlieren, kommt es nur noch sehr selten zu absichtlichen falschen Abrechnungen. Ein weiteres Problem ist, dass die Leiharbeiter vor allem bei kleineren Kundenfirmen als Außenseiter angesehen werden. Dadurch dass es immer weniger Kurzeinsätze gibt – das rentiert sich für die Leihfirmen nur sehr selten - wird dieses Problem immer seltener.
Nur wenige Leihfirmen in Österreich haben Betriebsräte, etwa 20 von ca 1200 Leihfirmen haben einen, und diese können die Arbeiter nur schwer erreichen. Häufig bekommen die Arbeiter nach einem Einsatz einen Zettel mit einer "einvernehmlichen Auflösung" vorgelegt. In der ersten Woche nach einem Einsatz dürfen die Arbeiter nicht gekündigt werden, danach beginnt die Kündigungsfrist. Bei einer einvernehmlichen Auflösung verlieren sie mindestens drei Wochen Lohn, den Anteil des Urlaubs und Weihnachtsgeld für diese Zeit, ca. zwei Urlaubstage, und die Arbeitssuchtage. Leider unterschreiben über 90 % der Arbeiter die Einvernehmliche.

WB: Warum ist es Deiner Meinung nach in den letzten 10 Jahren zu einer so massiven Ausweitung der Leiharbeit gekommen? Was verspricht sich die Kapitalseite davon?


WT: Der Hauptgrund für die Zunahme war, das die Kunden kein Risiko bei Krankenständen haben, in der Zeit bezahlen sie nichts an die Leihfirma. Außerdem haben sie steuerliche Vorteile, da sie die Leiharbeiter nicht als Personalkosten sondern als Fremdfirmen abrechnen. Kurios ist auch, das einige Großfirmen an ihre Aktionäre gesunkene Personalkosten weitergeben können.

Inzwischen sinken die Leiharbeiterzahlen deutlich, von über 80 000 auf aktuell ca 72 000. Der Grund liegt darin, dass sich die Firmen jetzt häufig "neue Selbstständige" holen. Diese haben keine Kollektivverträge, keinen Urlaubsanspruch, keine Bezahlung im Krankheitsfall, keine Kündigungsfrist, keinen Anspruch auf Arbeitslosenentgelt, keine Maximalarbeitszeit und arbeiten - zum Teil – bis zu 16 Stunden am Tag. Inzwischen werden diese sogar schon als Regaleinräumer in Kaufhäusern eingesetzt!
 
WB: Hat sich durch die Novelle zum Arbeitskräfteüberlassungegesetz 2013 die Situation von ZeitarbeiterInnen real verbessert?

WT: Nur wenige Vorteile. Die Informationspflicht über das Ende eines Einsatzes wird nur sehr selten angewandt. Die Kunden informieren die Leihfirmen einfach nicht über das Ende eines Einsatzes und diese können die Arbeiter nicht informieren. Die Kunden können nicht rechtlich belangt werden und die Leihfirmen werden sie mit Sicherheit nicht verklagen, weil sie sonst von diesem Kunden keinen Auftrag mehr bekommen.
 
WB: Zeitarbeitsfirmen argumentieren gerne, dass ohne Leasingarbeit viele Leute arbeitslos wären. Stimmt das?


WT: Vor etwa 10 Jahren waren Leiharbeitsjobs noch eine gute Chance, dass Langzeitarbeitslose oder ältere Arbeitnehmer wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen konnten, weil es für die Kunden weniger Risiko gab. Durch die hohe Konkurrenz zwischen den Leihfirmen, hat sich das allerdings geändert. Bei einigen Leihfirmen ist es sogar soweit, dass sie, wenn der Arbeiter in einem Jahr mehr als drei Wochen im Krankenstand ist, mit dem Arbeiter Verlust machen. Darum stellen Leihfirmen heute fast ausschließlich jüngere und gesunde Arbeiter, die nicht lange arbeitslos waren ein. Ausnahme sind hochqualifizierte Arbeitsplätze, bei diesen werden auch ältere Arbeitskräfte eingesetzt.