ImageDie jüngste Einkommensstudie des Rechnungshofes zeigt, dass die ArbeitnehmerInnen, insbesondere die unteren Arbeitergruppen, zu den großen Verlierern seit Einführung der Währungsunion zählen. So soll es nach Willen der EU-Kommission weitergehen. In einer jüngst veröffentlichen Studie fordert sie offen die Senkung von Mindestlöhnen und die „Verringerung gewerkschaftlicher Verhandlungsmacht“.


Als vor einigen Monaten eine Studie der Schweizer UBS zum Ergebnis kam, dass vor allen die unteren Einkommensschichten seit der Einführung der Währungsunion in Österreich massiv verloren haben, setzte bei industriefreundlichen „Wirtschaftsexperten“ großes Gezeter ein. Nun kommt aber auch der Einkommensbericht 2012 des Rechnungshofes zu ähnlichen Erkenntnissen. Vor allem die ArbeiterInnen haben zum Teil dramatisch an Kaufkraft eingebüßt: zwischen 1998 und 2011 im Durchschnitt minus 12 Prozent, das unterste Zehntel der ArbeiterInnen sogar minus 40%.(sh.Grafik unten)


Bei den Angestellten stagnierten im Durchschnitt die realen (also inflationsbereinigten) Einkommen im Zeitraum 1998 bis 2011, im untersten Zehntel sanken sie allerdings auch um 8%. Ernüchternd auch die enorme Kluft zwischen Männer- und Fraueneinkommen. Nach wie vor verdienen Frauen 40% weniger als Männer. Auch wenn man die überproportional hohe Teilzeitbeschäftigung von Frauen herausrechnet, bleibt noch ein Unterschied von 20%. Die Zahl der atypisch Beschäftigten (Teilzeit, Geringfügigkeit, Leih- und Zeitarbeit) liegt 2011 bereits bei über 1,5 Millionen und damit bei 39% aller unselbständig Erwerbstätigen. Bei den Frauen arbeiten bereits 59% atypisch, bei den Männern 22%. 86% der über 800.000 Teilzeit-Arbeitenden sind weiblich. Nicht nur das Gesamteinkommen von atypisch Beschäftigten liegt unter denen von Normalarbeitsverhältnissen, auch die Stundenlöhne von „Atypischen“ liegen um 27% darunter.

Teile und herrsche I

Die einzige Gruppe der unselbständig Erwerbstätigen, die reale Einkommenszuwächse erzielen konnten, sind die öffentlich Bediensteten mit einem Plus von 22%. Bemerkenswerterweise wird in der medialen Darstellung dieses Ergebnis des Einkommensberichts besonders hervorgehoben. Es passt wohl ausgezeichnet ins Bild des „Beamtenbashings“, das dazu dient, dem wachsenden Widerstand der öffentlich Beschäftigten gegen Nulllohnrunden entgegenzutreten. Nach dem alten Herrschaftsprinzip „Teile und herrsche“ sollen die, die ganz massiv verloren haben, gegen die aufgehetzt werden, die weniger verloren haben. Denn – was medial verschwiegen wird – verloren haben auch die öffentlich Bediensteten, nämlich gemessen am realen Wirtschaftswachstum (BIP), das zwischen 1998 und 2012 um 28% zugenommen hat.

Wer hat gewonnen?


Das Gegeneinander-Ausspielen von Arbeitenden im Privatsektor gegen öffentlich Beschäftigte soll davon ablenken, wer seit der Einführung der Währungsunion tatsächlich enorm profitiert hat. Das fehlt in der Einkommensstudie des Rechnungshofes, kann aber durch einen Blick in die Datenbanken der Statistik Austria aufgehellt werden: So legten die Gewinne der Kapitalgesellschaften seit 1998 real um 33% zu; bis zum Vorkrisenjahr 2007 sogar um plus 39%, nach dem Dämpfer durch die Wirtschaftskrise 2008 erholen sich die Konzerngewinne bereits wieder kräftig. Geradezu fulminant legten die EigentümerInnen der Konzerne, sprich die AktionärInnen, zu. Sie können sich über ein reales Plus von 178% freuen (bis zum Vorkrisenjahr 2007 sogar plus 214%). Auffallend die besonders gute „Performance“ der „nicht-finanzialisierten“ Kapitalgesellschaften, also vor allem der großen Industriekonzerne. Hier stiegen die inflationsbereinigten Gewinnausschüttungen bis 2011 um 239% (bis zum Vorkrisenjahr kletterten sie zwischenzeitlich sogar auf ein Plus von 280%).


Teile und herrsche II


Die nackten Zahlen des Rechnungshofes widerlegen das von Regierung und Industriellenvereinigung immer wieder aufgetischte Märchen, wonach „alle“ von der Währungsunion profitieren würden. Die Einführung der Währungsunion hat zur Entfesselung eines brutalen Konkurrenzregimes geführt: Besonders in Deutschland, aber auch in Österreich wurden die Löhne und Gehälter, vor allem gemessen an der Wirtschaftsentwicklung, deutlich gesenkt, um die Exportindustrien zu stärken. Diese nutzten die gesunkenen Lohnstückkosten, um die Länder im Süden Europas, wo die Gewerkschaften nicht so brav Gewehr bei Fuß standen, niederzukonkurrieren. Auf Grund der Einheitswährung hatten sie keine Möglichkeiten mehr, ihre Märkte und Industrien zu schützen. Die Folgen sind für die arbeitenden Menschen hier wie dort fatal: Die Reallohnsenkungen hier bereiteten den Boden für die Zertrümmerung des Sozialstaats dort auf, wie sie nun von der EU-Kommission in Ländern wie Griechenland, Spanien und Portugal gnadenlos durchgezogen wird. Über Verträge wie den EU-Fiskalpakt soll die Demolierung des Sozialstaats schließlich EU-weit durchgesetzt werden. So schaut das europaweite „Teile-und-Herrsche“ aus – im Interesse der großen Industrie- und Finanzkonzerne, durchgesetzt über die Mechanismen und Machtapparate der Europäischen Union.

„Verringerung der gewerkschaftlichen Verhandlungsmacht“

Diese bemühen sich mittlerweile auch gar nicht mehr, ihre offen neoliberale und kapitalfreundliche Agenda zu tarnen. Eine unlängst veröffentlichte Studie der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der europäischen Kommission („Labour Market Developments in Europe 2012“) fordert offen die Senkung gesetzlicher Mindestlöhne, die Kürzung von Arbeitslosenunterstützungen und „weniger zentralisierte“ Lohnverhandlungssysteme, mit dem deklarierten Ziel der „Verringerung der gewerkschaftlichen Verhandlungsmacht“. Selbst der ÖGB ist über dieses „Handbuch des Neoliberalismus“ empört. (www.oegb-eu.at) Fragt sich nur, warum dessen Repräsentanten im Sommer 2012 dem EU-Fiskalpakt zugestimmt haben, der der EU-Kommission das Machtinstrument in die Hand gibt, um diese arbeitnehmerfeindliche Politik noch effektiver zu exekutieren.

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