Warum die Industriellen bei den KV-Verhandlungen provozieren, die FPÖ so unüblich schweigsam ist und ein Blick in die USA uns ermutigen sollte.


Das Angebot der Arbeitgeberseite unter ihrem Obmann Georg Knill in den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen in der Metalltechnischen Industrie ist eine Provokation. Anders kann man es nicht bezeichnen, wenn Angebote gemacht werden, die weiter unter der Inflationsrate liegen, und zugleich die Gewinne in der Industrie als auch die Dividendenzahlungen kräftig nach oben gegangen sind (siehe hier).

Kollektivverträge im Visier

Man kann sich fragen, was die Industriellen zu dieser Unverschämtheit antreibt. Eines dürfte ihnen ein besonderer Dorn im Auge sein: Österreich hat EU-weit nach wie vor eine Spitzenposition bei der Abdeckung mit Kollektivverträgen. Rund 97% aller Beschäftigungsverhältnisse sind von Kollektivverträgen erfasst, während gleichzeitig in vielen EU-Staaten – oft unter Druck von EU-Kommission und EZB – die Anzahl der ArbeitnehmerInnen, für die die Gewerkschaften über Kollektiv- bzw. Tarifverträge Mindestbedingungen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen aushandeln, im letzten Jahrzehnt massiv nach unten gegangen ist (siehe hier). Überall hat sich gezeigt: Sobald Kollektivverträge abgeschafft oder gelockert werden, hat die Kapitalseite ein leichtes Spiel, Löhne und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern, da sie auf einzelbetrieblicher bzw. einzelvertraglicher Ebene über eine ungleich stärkere Verhandlungsmacht verfügt. Gerade vor Kurzem hat der aus Deutschland stammende Neo(liberale)-Chef des IHS Holger Bonin „Öffnungsklauseln“ vorgeschlagen, damit Unternehmen, „denen es nicht gutgeht“, ihren Beschäftigten keine oder nur geringere Lohnerhöhungen zahlen müssen. Bonin weiß, was das bedeutet. In Deutschland wurde über solche „Öffnungsklauseln“ die Tarifbindung unterlaufen und ein gigantischer Niedriglohnsektor aufgebaut. Vorstöße in diese Richtung kamen in Österreich immer wieder aus der Industriellenvereinigung.

Rechtsextreme – wie immer – auf Seite der Großindustriellen

Die politische Speerspitze für die Aushebelung der Kollektivverträge ist in Österreich die FPÖ. Manchmal machen die Rechtsextremen das ganz unverblümt. So rief z.B. der frühere Wirtschaftssprecher der Partei Berhard Themessl 2016 dazu auf, Kollektivverträge insgesamt in Frage zu stellen und durch Betriebsvereinbarungen zu ersetzen. In der Regel reitet die FPÖ die Attacken gegen die Kollektivverträge aber indirekt, indem sie die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in Arbeiter- und Wirtschaftskammer fordert. Das wäre gleich ein doppelter Schlag gegen die ArbeitnehmerInnen. Denn die Aufhebung der AK-Pflichtmitgliedschaft würde die Durchsetzung von Arbeitsrechten erschweren, und die Aufhebung der Pflichtmitgliedschaft in der WKÖ wäre eine Hintertür zum Ausstieg aus den Kollektivverträgen. Nur über diese Pflichtmitgliedschaft kann die WKÖ nämlich bindende Verträge für alle Betriebe einer Branche abschließen.

Wer sich also fragt, warum die FPÖ, die sich gerne als „soziale Heimatpartei“ aufspielt, so unüblich schweigsam in Bezug auf die aktuellen Kollektivvertragsauseinander-setzungen agiert, dem/der kann eine einfache Antwort gegeben werden: Die Rechtsextremen stehen auf der Seite der Großindustriellen. Das hat bekanntlich eine lange geschichtliche Tradition in dieser politischen Strömung. Um einen vom FP-Chef selbst gegenüber politischen Gegnern gerne verwendeten Terminus auf ihn selbst anzuwenden: Kickl ist der „Bussibär“ von Knill, Mateschitz & Co. In der Opposition will die FPÖ das derzeit freilich nicht allzu laut sagen, aber wie sehr die Blauen in der Regierung bereit sind, die Interessen der unselbständig Beschäftigten mit Füßen zu treten, haben sie in der türkis-blauen Episode hinlänglich bewiesen: Einführung des 12-Stunden-Arbeitstags bzw. der 60-Stunden-Arbeitswoche, Demontage der Arbeitnehmer- Selbstverwaltung in der Sozialversicherung.

Ein ermutigender Blick nach Übersee

Die Solidarwerkstatt Österreich unterstützt voll und ganz den Streik der Metallgewerkschaft für faire Lohnerhöhungen und Verbesserungen im Rahmenrecht, wie z.B. ein leichterer Zugang zur 6. Urlaubswoche. Wir rufen alle anderen Berufsgruppen zur Solidarität auf. Denn wenn sich die Industriellen mit ihren Provokationen durchsetzen könnten, würden bald ebenso freche Angriffe der Kapitalseite in andere Branchen folgen.

Was eine kämpferische Gewerkschaftspolitik erreichen kann, haben wir soeben in den USA erlebt: Mit einem 6 Wochen dauernden Streik erreichten die Gewerkschaften Lohnerhöhungen zwischen 25 und 33 Prozent. Zwar gilt die Vereinigung auf 4 ½ Jahr, aber da der Ausgleich der Lebenshaltungskosten noch hinzukommt, konnte im Vergleich zu den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine wirkliche Trendwende erreicht werden. Breite Teile der Bevölkerung sympathisierten mit diesem Arbeitskampf, weil sie spürten, dass hier gewerkschaftlich gut organisierten Gruppen einen Kampf für eine Umverteilung von oben nach unten im Interesse aller Lohnabhängigen führten. Angesichts jahrzehntelangem Lohndumping gibt es auch in Österreich mittlerweile eine solche Stimmung. Also ÖGB, einen Blick nach Übersee riskieren! Mut zur eigenen Courage, Glück auf!

Gerald Oberansmayr
(November 2023)