An die 200 Menschen versammelten sich lautstark und bunt am Freitag, 2. Dezember am Linzer Taubenmarkt und abschließend mit einer Menschenkette beim Landhaus, um von Landtag und Landesregierung mehr Geld und mehr Personal sowie bessere Arbeitsbedingungen in Oberösterreichs Spitälern, Pflege- und Sozialeinrichtungen, Kindergärten und Krabbelstuben zu fordern.

Veranstaltet wurde die Aktion vom OÖ-Netzwerk „Mehr für Care-Arbeit!“, das von sieben zivilgesellschaftlichen Initiativen getragen wird: Treffpunkt Pflegepersonal, Mensch & Arbeit Nettingsdorf, MENSCHEN WÜRDIG PFLEGEN KOSTET MEHR, Sozial betrOFFEN, Betriebsrat SHV Linz-Land, Solidarwerkstatt Österreich, Bündnis 8. März.

Das Motto der Aktion, die unmittelbar vor dem oö. Budgetlandtag stattfand: „Mehr für Care-Arbeit!“ Denn – so heißt es im Aufruf der Veranstalter und in einem Offenen Brief an die Landesregierung: „Die Kürzungspolitik bei Gesundheit, Pflege und Betreuung gefährdet unsere Zukunft. Über Jahre wurden die Mittel für diese Bereiche nicht im notwendigen Ausmaß erhöht. 2012 wurde sogar eine Deckelung der Gesundheitsausgaben beschlossen. Dadurch verschlechtern sich auch die Arbeitsbedingungen für die Menschen in den Care-Berufen. Viele sind durch mangelnde Ressourcen und Unterbesetzung von Planstellen überlastet und verlassen den Beruf. Das Lohnniveau befindet sich am unteren Ende.“

An die 200 Menschen versammelten sich bei der Kundgebung am Taubenmarkt. BetriebsrätInnen und Betroffene schilderten eindrücklich den Notstand in den unterschiedlichen Care-Bereichen:

Helmut Freudenthaler, Betriebsratsvorsitzender MedCampus Keplerklinikum kritisierte den Pflegebonus und den sog. Sonderbonus als „Mogelpackung“: Denn: „Viele Berufsgruppen im Krankenhaus bekommen ihn unverständlicherweise nicht, wie z.B. Hebammen, MTDs, MABs, bzw. eine geringe Einmalzahlung! Die zusätzliche Urlaubswoche bekommen auch wieder nicht alle ab dem 43-sten Lebensjahr.“ Freudenthaler machte auf die fatalen Folgen der Sparpolitik im Gesundheitsbereich aufmerksam, die uns alle trifft: „Weil wir nicht MEHR geworden sind, müssen die Patient:innen WENIGER werden.“

Gudrun Bernhard, stv. Betriebsratsvorsitzende Diakoniewerk OÖ, wies auf die Ursachen der Misere im Behindertenbereich hin: "Die Personalnot im Behindertenbereich ist hausgemacht - Landhaus-gemacht. Seit 2015 wurde das Budget um 15% gekürzt. 15% weniger Mitarbeiter:innen bedeuten prekäre Dienstzeiten, Qualitätsverlust, Bedingungen, unter denen niemand gerne arbeitet. Viele verlassen die Branche. Imagekampagnen allein helfen da nicht - es braucht eine deutlich bessere Finanzierung.“ Ihre Schlussfolgerung: „Wir müssen unsere Landesregierung in die Verantwortung nehmen."

Für den Bereich der Altenpflege ergriff Daniel Egler, Betriebsratsvorsitzender des Zentrums für Betreuung und Pflege in St. Florian, das Wort: „Wenn wir nicht wollen, dass zahlreiche Pflegekräfte aussteigen, müssen diese entlastet werden. Entlastung durch mehr Freizeit, die man mit einer Dienstplanstabilität erreicht. Wir brauchen die Kürzung der Wochenarbeitszeit von derzeit 39 Wochenstunden auf mindestens 35 Wochenstunden bei vollem Entgelt. Dazu wird mehr Personal benötigt und es braucht eine finanzielle Angleichung an Arbeitsbereiche, die annähernd dieselbe körperliche Tätigkeit haben, nämlich mit der Metallindustrie.“

Margit Sageder, Leiterin des Kindergartens und der Krabbelstube Helmholtzstraße in Linz, beschrieb die unhaltbare Situation in ihrem Bereich: „Ich bin seit 30 Jahren Kindergartenpädagogin und es tut mir im Herzen weh zu sehen, wie alles zusammenbricht. Die Kinder haben keinen Platz, Mütter werden in die unbezahlte Care-Arbeit gedrängt und die Pädagog:innen sind am Ende. Ich bitte um Unterstützung und Hilfe. Denn es braucht dringend bessere Arbeitsbedingungen im Bereich der Elementarpädagogik. Die Gruppen sind viel zu groß und das Gehalt viel zu gering für diese enorme Verantwortung! Es wäre ein so toller Job, aber wir können und wollen nicht mehr.“

Andrea Wienerroithner (Treffpunkt Pflegepersonal) thematisierte generell die Situation in den Care-Berufen: „In den oö. Alten- und Pflegeheimen sind hunderte Betten gesperrt. Die Krankenhäuser müssen Abteilungen sperren, weil das Personal dafür fehlt. Es wird Zeit, uns auf die Grundbedeutung von Wirtschaften zurückzubesinnen und Fürsorgearbeit wieder ins Zentrum unseres Wirtschaftens zu rücken. Die Beschäftigten in der Pflege, in den Betreuungsberufen, die Elementarpädagog:innen wollen qualitätsvolle und professionelle Arbeit leisten. Wir haben dafür zu sorgen, dass die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür sicherstellt.“

Der Moderator der Kundgebung, Boris Lechthaler (Solidarwerkstatt Österreich) hinterfragte die „jahrelange ideologiegetriebene Fehlentwicklung“ im Landhaus: „Oberösterreich soll eine der zehn wettbewerbsstärksten Regionen in Europa werden. So das Credo der schwarz-blauen Landesregierung. Klar, dass man sich da mit Menschen, die Pflege, Fürsorge, Zuwendung brauchen und jenen Menschen, die sich beruflich darum kümmern, nicht belasten will.“ Resignation ist deshalb aber nicht angesagt. Lechthaler: „Die in den Care-Berufen Arbeitenden und ihre Klient*innen werden das gemeinsam ändern. Wenn nicht heute, dann morgen!“

Wir kommen wieder!

Dass Kraft, Engagement und Ausdauer dafür vorhanden sind, zeigte die – für das Organisations-Netzwerk unerwartete – hohe Beteiligung an der Kundgebung. Auch der Zuspruch der Passant:innen war groß. Die Menschen-„Rettungs“-Kette, die abschließend zum Landhaus zog, bestand aus hunderten 1. Hilfe-Tüchern, welche die Teilnehmenden selbst mitgenommen und beschriftet haben. Viele Menschen, die nicht dabei sein konnten, haben ihre beschrifteten Tücher bereits im Vorfeld abgegeben und damit die Forderungen an die Landespolitik unterstützt.

Schon jetzt rufen die Veranstalter dazu auf, solche Tücher weiter zu sammeln, „um im neuen Jahr die Kette der Tücher laufend zu verlängern.“ Soll heißen: Wir kommen wieder.

Foto Mehr fr Care Dez 22 01 kl