Die Kampfbereitschaft der ArbeitnehmerInnen in der Lederindustrie hat zu einem ersten Erfolg geführt. Ende 2021 erreichte die Gewerkschaft einen neuen Kollektivvertrag, der einen Mindest-Bruttomonatslohn von 1.500 Euro bringt – allerdings nur in Etappen.


In der Lederindustrie werden besonders schäbige Löhne bezahlt. Der Mindestlohn betrug im Jahr 2021 1302 Euro brutto, netto bleiben dann 1.103 Euro zum Leben. Mit diesen Löhnen lagen die Beschäftigten trotz 40-Stunden-Job deutlich unter der Armutsgrenze von 1.328 Euro. Im Jahr 2020 verweigerten die Arbeitgeber sogar den Abschluss eines Kollektivvertrags. Trotz Niedriglöhnen gab es daher Reallohnverluste, da nicht einmal die Inflation von 1,5% abgegolten wurde.

Die Mobilisierungen der Gewerkschaft und die Kampfbereitschaft der Beschäftigten im Herbst des vergangenen Jahres haben Ende 2021 nun doch einen ersten Erfolg ermöglicht. Nach sieben Verhandlungsrunden und der Androhung von Warnstreiks konnte die Gewerkschaft endlich Mindestlöhne von 1.500 Euro durchsetzen – allerdings in Etappen: Der Mindestlohn beträgt mit 1. Jänner 2022 1.349,23 Euro (plus 3,6 Prozent), mit 1. Juli 2022 wird er auf 1.389,06 Euro (plus drei Prozent) erhöht. Am 31. Dezember 2022 erfolgt dann die Anhebung auf 1.501,64 Euro (plus acht Prozent).

7-Mal höheres Risiko eines tödlichen Arbeitsunfalls

Die Leder-Industrie in Österreich besteht aus dem Unternehmen „Boxmark Leder“ mit Standorten im steirischen Feldbach und im burgenländischen Jennersdorf sowie dem steirischen Unternehmen „Wollsdorf Leder“. Insgesamt stellen an diesen Standorten rund 1.500 Beschäftigte Produkte für viele Premiumkunden aus der Automobil-, Luftfahrt-, Bahn- und Möbelindustrie her. Doch die Arbeitsbedingungen sind alles andere als „Premium“: Wer in der Lederindustrie arbeitet, hat ein sieben Mal höheres Risiko, am Arbeitsplatz zu sterben als in anderen Branchen. Gerald Kreuzer von der Gewerkschaft PRO-GE: „Die Arbeit in einer Lederfabrik ist dreckig, sie ist gefährlich und sie ist hart.“ (Quelle: www.kontrast.at) Der Gestank der Chemikalien ist schwer ertragbar. Immer wieder kommt es zu Arbeitsunfällen mit den scharfen Maschinen und schweren Walzen.

Regierung hilft beim Lohndumping

Auch die nun erkämpfte Mindestlohn von 1.500 Euro liegt noch weit unter den von der Gewerkschaft flächendeckend angestrebten Mindestlohn von 1.700 Euro brutto. Dagegen stemmen sich die Arbeitgeber in den Niedriglohnbranchen mit aller Kraft – und sie bekommen dabei Rückendeckung durch die Regierungen. So haben die verschiedenen Regierungen in den letzten Jahren die sog. Mangelberufsliste enorm ausgeweitet. Diese Liste ermöglicht es, zusätzlich zur Anwerbung von Arbeitskräften aus dem EU-Ausland (im Rahmen der sog. „Arbeitnehmerfreizügigkeit“) in bestimmten Berufen Arbeitskräfte auch aus dem Nicht-EU-Ausland nach Österreich zu holen. Statt höhere Löhne zu bezahlen und FacharbeiterInnen in den eigenen Betrieben auszubilden, sollen billige Arbeitskräfte importiert werden. 2016 gab es erst acht solcher Mangelberufe. Die schwarz-blaue Regierung weitete die Mangelberufsliste dann von 27 auf 45 aus. Für 2020 wurde die Liste von türkis-grün auf 56 Berufe verlängert. Arbeitsminister Kocher kam dem Drängen der Wirtschaftsverbände nach und erweiterte die Liste Anfang 2022 nochmals: Österreichweit gibt es seit 1.1.2022 nun 66 „Mangelberufe“, einschließlich bundesländerspezifischen Regelungen sogar 118. Für Niedriglohnbranchen erweitert sich damit der Spielraum, Billigarbeitskräfte aus Ungarn oder Slowenien durch noch billigere aus Ländern wie der Ukraine oder Belarus zu ersetzen.

(Jänner 2022)