Bei der kämpferischen Gewerkschaftsdemonstration der Beschäftigen in der Sozialwirtschaft wurde aufgerufen, nicht nur den „Schmiedl“, die Arbeitgeber der Sozialunternehmungen, sondern auch den „Schmied“, deren Finanziers in der Politik, ins Visier zu nehmen.

 

Rund 3.000 Menschen beteiligten sich am 29. Jänner in Wien am Sternmarsch der Gewerkschaften GPA und vida, um ihren Forderungen in den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen im Bereich der Sozialwirtschaft lautstark Nachdruck zu verleihen:

  • 6% Lohnerhöhungen, Sockelbetrag von plus 150 Euro
  • 35 Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich
  • 6. Urlaubswoche für alle
  • Verbesserung bei der Dienstplangestaltung
  • Anrechnung von Vordienstzeiten

Diese Forderungen sind mehr als berechtigt. Denn die Menschen im Sozial-, Pflege-, Jugend-, Bildungsbereich bekommen für ihre gesellschaftlich so ungemein wichtige Arbeit wenig Anerkennung: Die Löhne und Gehälter der Beschäftigten in der Sozialwirtschaft liegen im Durchschnitt 17% unter dem durchschnittlichen Lohnniveau. Die ständige Verdichtung der Arbeitszeit treibt viele in den Burn-out, viele sind nur teilzeitbeschäftigt und können von ihrem Einkommen kaum leben. Und schlechte Arbeitsbedingungen in diesem Bereich bekommt die Gesellschaft schnell zu spüren – in der Pflege und Altenbetreuung, in Kindergärten und Jugendwohlfahrt, in Sozialeinrichtungen, Rettungsdiensten, Behindertenbetreuung, uvm.

„Wir sind streikbereit!“

In den kämpferischen Reden bei der Abschlusskundgebung beim Wiener Rathaus ließen einige Ansagen besonders aufhorchen: „Aufgrund des Personalmangels krachen die Betriebe jetzt schon wie die Kaisersemmeln. Wir brauchen mehr Personal – und wir brauchen es jetzt!“ Und daran anschließend: „Wir sind streikbereit!“ Berichte von Abstimmungen in Betrieben zeigen eine ganz große Streikbereitschaft der Beschäftigten.

Stärker als bei vergangenen Kollektivvertragsauseinandersetzungen wurde die Budgetpolitik der öffentlichen Hand ins Visier genommen. Denn die Sozialunternehmen werden zu über 80% aus öffentlichen Töpfen  finanziert. Die gewerkschaftlichen Forderungen der in der Sozialwirtschaft Arbeitenden sind daher nur durchsetzbar, wenn die neoliberale Spar- und Kürzungspolitik durchbrochen wird. Die kantige Ansage einer Betriebsrätin daher: „Wir müssen zum Schmied und nicht nur zum Schmiedl gehen!“ Sprich: Es reicht nicht, die Arbeitgeber unter Druck zu setzen, die für die Finanzierung Verantwortlichen in der Politik selbst müssen ins Visier genommen werden.

Sozialstaat statt EU-Fiskalpakt!

Dass hier namentlich die restriktive Budgetpolitik der rot-grünen Wiener Stadtregierung attackiert wurde, zeigt, dass diese Sparwut auf dem Rücken der Beschäftigten kein bloß türkis-blaues Phänomen ist, sondern alle Parteien und alle Ebenen vom Bund bis zu den Gemeinden erfasst. Der Grund dafür liegt darin, dass durch den EU-Fiskalpakt Parlament, Landtage und Gemeinderäte in einem hohen Ausmaß entmündigt und auf eine strikte Austeritätspolitik verpflichtet werden. Der gewerkschaftsnahe Ökonom Stephan Schulmeister hat das prägnant zusammengefasst: Der EU-Fiskalpakt führt dazu, „die Budgethoheit auf die EU-Kommission übergehen zu lassen“ und „den Sozialstaat zu strangulieren“ (Die Presse, 19.5.2016).

In einem bei der Demo verteilten Flugblatt rief die Solidarwerkstatt dazu auf, daraus die Konsequenzen zu ziehen: „Es ist notwendig, die Forderung nach Verbesserung der Löhne und Arbeitsbedingungen im Sozial- und Gesundheitsbereich mit dem Ausbruch aus dem neoliberalen Korsett des EU-Fiskalpakts zu verknüpfen. Sozialstaat statt EU-Fiskalpakt!“

Gerald Oberansmayr
(30.1.2019)
Demo Sozialwirtschaft Wien 2