ImageDas geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und Kanada (CETA) beinhaltet eine strengen „Investorenschutz“. Ebenso soll es diesen im EU-USA-Abkommen (TTIP) geben. „Investorenschutz“ heißt, dass die Konzerne vor Gesetzen und anderen staatlichen Maßnahmen geschützt werden sollen, die deren Profite beeinträchtigen. Schon jetzt gibt es einer Vielzahl solcher bilateraler Freihandelsabkommen mit Investitionsschutzklauseln, die über sog. ISDS-Sondergerichte (ISDS = Investor State Dispute Settlement) eingeklagt werden können. Hier einige Beispiele für solche Konzernklagen.


Klage gegen höhere Mindestlöhne

Das französische Unternehmen Veolia hat jüngst eine Klage gegen Ägypten eingereicht, weil der Nationale Lohnrat die Mindestlöhne im öffentlichen und privaten Sektor erhöhen will. Veolia hat einen 15-jährigen Vertrag zur Abfallbeseitigung in Alexandria und sieht sich durch höhere Löhne in seinen Gewinnerwartungen enttäuscht. Streitwert der Klage: 83 Millionen Euro.

Klage gegen Fracking-Moratorium

Der US-Energiekonzern Lone Pine Resources nutzte die NAFTA-Bestimmungen (Freihandelsabkommen zwischen USA, Kanada und Mexiko) und klagte gegen Kanada, weil die kanadische Regierung ein Moratorium gegen Fracking in Québec verhängt hat. Fracking ist eine ökologisch äußerst bedenkliche Form der Schiefergas/öl-Gewinnung, bei der Millionen Liter von mit Chemikalien versetztem Wasser in den Untergrund gepresst werden.

Klage gegen zweite Brücke

Die einzige Brücke über den Grenzfluss zwischen der US-Stadt Detroit und der gegenüberliegenden kanadischen Stadt Windsor gehört dem Privatinvestor Matty Moroun. Aus Mauteinnahmen lukriert er jährliche 60 Millionen US-Dollar. Deshalb verklagt Matty Maroun Kanada vor einem Schiedsgericht, weil die dortige Regierung eine neue Brücke bauen will. Schließlich würde das seine Profite auf der derzeit einzigen Brücke schmälern. Die ursprüngliche Klagssumme wurde mit 3,5 Milliarden US-Dollar angesetzt. Seit fünf Jahren gibt es keine Entscheidung – und somit weiter kräftige Profite für Maroun.

Klage gegen Stopp bei Wasserpreiserhöhung

Anfang der 90er Jahre privatisierte Argentinien die Wasserversorgung im Großraum Buenos Aires. Der französische Konzerne Suez erhielt den Zuschlag. Bald jedoch erwies sich die Wasserprivatisierung als Irrweg: Exorbitante Preiserhöhungen, massiver Abbau von Arbeitsplätzen, Nichteinhaltung von Investitionszusagen. Als Argentiniens Wirtschaft und Währung dann 2001 zusammenbrachen, spitzte sich die Lage zu. Suez verlangte entweder einen fixen Peso-Dollarkurs oder eine Preiserhöhung um mehr als vierzig Prozent und drohte, Teile der Versorgung still- und alle Ausbaupläne auf Eis zu legen. Als sich die argentinische Regierung weigerte, diesen Plänen zu entsprechen, drohte man mit Klagen vor dem Internationalen Schiedsgericht der Weltbank (ICSID). Nach der Renationalisierung der Wasserversorgung 2006 wurde diese Klage auch eingereicht. Der Schiedsspruch: Argentinien musste 2010 405 Millionen Dollar an den Konzern zahlen.

Klage gegen die Aufhebung der Dollar-Anbindung

Kein Land hat mehr mit ISDS-Verfahren zu kämpfen als Argentinien. Viele der Fälle richten sich gegen die Entscheidung des Landes von 2002, die Anbindung der eigenen Währung an den US-Dollar aufzuheben. Die Bindung der argentinischen Währung an den Dollar hatte das Land – Griechenland lässt grüßen! – an den wirtschaftlichen Abgrund gebracht. Erst mit der Aufhebung dieser Dollar-Bindung erholte sich die argentinische Wirtschaft langsam wieder. Für etliche Großkonzerne, die von der Dollarbindung zuvor am meisten profitierten, brachte dieser neue wirtschaftspolitische Kurs freilich Gewinneinbußen. Nach langen Verhandlungsjahren vor Schiedsgerichten sah sich die argentinische Regierung im Oktober 2013 gezwungen, die Forderungen von fünf Unternehmen mit über einer halben Milliarde Dollar zu begleichen.

Klage gegen staatliche Krankenversicherung

2006 kam in der Slowakei eine linksgerichtete Regierung an die Macht. Grund dafür war nicht zuletzt der Unmut der Bevölkerung über die Privatisierung des Gesundheitssystems. Einer der ersten Schritte der Regierung war daher die Einschränkung des Rechts privater Versicherungsunternehmen, Gewinne aus dem öffentlichen Gesundheitssystem abzuziehen. Der niederländische Versicherungskonzern Achmea sah dadurch seine Profite bedroht und sicherte sich durch eine Investorenschutz-Klage letztlich 25 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln als „Entschädigung“. Seit 2012 will die slowakische Regierung eine staatliche Krankenversicherung für alle einführen. Die beiden Privatkassen des Landes sollten mittels Aufkauf oder notfalls per Enteignung vom Staat übernommen werden und mit der staatlichen Kasse fusionieren. Denn die Privaten hatten in nur fünf Jahren mehr als eine Milliarde Euro an Geldern, die die Versicherten von Gesetzes wegen einzahlten, als Gewinn dem System entzogen. Durch Investorschutzklagen ist es nun Achmea gelungen, die Einführung einer öffentlichen Krankenversicherung für alle auf Eis zu legen.

Klage gegen AKW-Ausstieg

Der schwedische Vattenfall-Konzern verklagt die deutsche Bundesregierung auf 3,7 Milliarden Euro wegen ihrer Entscheidung zum Atomausstieg nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima. Das Unternehmen war bereits in einem früheren Verfahren gegen die Umweltverordnungen der Stadt Hamburg erfolgreich, die angesichts der Gegenwehr von Vattenfall wieder entschärft wurden. Grundlage für die Klage ist die „Europäische Energiecharta“, die auf Initiative der EU-Kommission von allen EU-Staaten unterzeichnet wurde.

Klage gegen das Verbot gesundheitsgefährdender Produkte

In einem der ersten ISDS-Verfahren gegen Kanada unter NAFTA sah sich das Land gezwungen, sein Verbot des Benzinzusatzes MMT infolge der Klage des US-Unternehmens Ethyl aufzuheben. Das Verbot von MMT war erlassen worden, weil es in Verdacht steht, Nervenschäden zu verursachen. In einem späteren Fall zu Wasser- und Einschlagsrechten musste Kanada dem heimischen Papierhersteller Abitibi Bowater 122 Millionen US-Dollar zahlen. Die Provinz hatte die Wasser- und Holzrechte von Abitibi-Bowater annulliert, nachdem die Firma die Papierfabrik geschlossen hatte. Das Unternehmen hatte die NAFTA-Bestimmungen genutzt, um von seinem US-Firmensitz aus die eigene Regierung zu verklagen.

Klage gegen Vorschriften bei der Beschriftung von Zigarettenpackungen

Der US-Tabakriese Phillip Morris führt eine Milliarden-Dollar-Klage gegen die Regierung Australiens, wegen ihrer gesundheitspolitischen Entscheidung, dass Zigaretten nur noch in neutralen Packungen ohne Markenlogo verkauft werden dürfen. Phillip Morris verklagt auch Uruguay wegen seiner Maßnahmen zur Eindämmung des Rauchens, denen zufolge die Warnhinweise nun 80 Prozent der Zigarettenpackung einnehmen müssen.

Klage gegen Verstaatlichung

1999 unterzeichneten Ecuador und der Ölkonzern Occidental Petroleum (Oxy) einen Vertrag, welcher dem Unternehmen das Recht sicherte, in einem bestimmten Amazonasgebiet nach Öl zu suchen und dieses zu fördern. Wenig später beschloss das Unternehmen jedoch, sich teilweise aus dem Land zurückziehen und transferierte einen Teil seiner Aktien an eine kanadische Firma. Ein derartiger Transfer war im Vertrag jedoch ohne staatliche Zustimmung verboten, woraufhin sich Ecuador entschloss, die Zusammenarbeit mit Oxy zu beenden und einen Großteil der Förderanlagen zu verstaatlichen. Dies geschah insbesondere auch auf starken Druck der indigenen Amazonasbevölkerung, da diese schon lange gegen die Verseuchung des Amazonas durch die Erdölförderung protestierte. Oxy verklagte daraufhin Ecuador vor dem ICSID. Das Schiedsgericht verurteilte den Staat schließlich zur größten bis dahin gezahlten Summe: Insgesamt 2,3 Mrd. Dollar. Mit diesem Betrag könnte Ecuador sein Gesundheitssystem für die Hälfte der Bevölkerung ein Jahr lang finanzieren.

Klage, weil sich Bevölkerung erfolgreich Umweltzerstörung wehrt

Das kanadische Bergbauunternehmens Gabriel Resources will in Rumänien die größte Goldmine Europas in Betrieb nehmen (Rosia Montana). Die Bevölkerung hat sich gegen dieses Projekt bislang erfolgreich gewehrt, da massive Umweltzerstörung droht und viele Menschen umgesiedelt werden müssten. Daraufhin hat der Großkonzern Rumänien vor einem Schiedsgericht auf Schadenersatz wegen entgangener Gewinne verklagt. Klagssumme: 4 Milliarden Euro! Das entspricht 2% des BIP von Rumänien bzw. dem jährlichen Budget für Bildung. (Anmerkung: Der frühere österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer ist seit 2010 einer der Direktoren von Gabriel Resources.)

Klage wegen gewerkschaftlicher Aktivitäten

Der US-Konzern Nobel Ventures hat ein Stahlwerk in Rumänien gekauft. Daraufhin kam es zu Arbeitskämpfen in dem Unternehmen. Nun klagt der Konzern Rumänien auf Schadenersatz für entgangene Profite, weil der Staat das Unternehmen nicht „angemessen“ vor Streiks und Betriebsbesetzungen geschützt hat.

Klage gegen Schwerarbeiterreglung

Die kanadische Gesellschaft „Centerra Gold Inc.“ ist im kirgisischen Goldbergbau-Geschäft aktiv. Die Kumtor Goldmine von Centerra befindet sich auf über 4000 Meter über dem Meeresspiegel und gilt als die zweithöchste der Welt. Der Konzern klagt Kirgisistan vor einem Schiedsgericht, weil die Regierung einen Lohnzuschlag für Minenarbeiter, die in großer Höhe arbeiten müssen, einführen will.

Klage gegen Antidiskriminierung

Italienische Investoren klagten vor dem ICSID gegen Südafrika, nachdem ein neues Bergbaugesetz auch Kriterien der „Black Economic Empowerment“ enthielt, die sie gezwungen hätten, einige Unternehmensanteile an „historisch benachteiligte Südafrikaner“ abzutreten. Aufgrund der Klage verzichtete Südafrika Anfang 2010 in einem außergerichtlichen Vergleich auf diese Maßnahme, die die Diskriminierung von Schwarzen in der Minenindustrie verringern hätte sollen.

Klage gegen Begrenzung des Raubbaus an Wäldern

Der österreichische Holzkonzern Schweighofer droht Rumänien zu klagen, wenn die Regierung in Bukarest die geplante Änderung des Waldgesetzes vornehmen sollte. Dieses Gesetz hat zum Ziel, für ein Unternehmen die Ausweitung der Geschäftstätigkeit innerhalb des Sektors Holzproduktion auf 30 Prozent zu begrenzen, um dem ausufernden Raubbau an rumänischen Wäldern einen Riegel vorzuschieben. Firmenchef Schweighofer vertritt die Ansicht, die vorgesehene rumänische Gesetzesänderung verletze „fundamental den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ bzw. ein zwischen Österreich und Rumänien in den 90er Jahren abgeschlossenes Investitionsschutzabkommen.

 

Wichtiger Hinweis:
Für eine Volksabstimmung über TTIP, CETA, TISA & Co
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