Bei den österreichischen MetallerInnen herrschte weit vor Beginn der Kollektiv- vertragsverhandlungen(1), traditionell im Herbst geführt, bereits im Frühling große Aufregung. Die Industriellen der sechs Branchen, die als Kollektivvertragsgemein- schaft Metallindustrie und Bergbau(2) seit 40 Jahren die KV-Verhandlungen mit den Gewerkschaften PRO-GE(3) und GPA/djp(4) gemeinsam führen, kündigten an, in Zukunft getrennt zu verhandeln. Die Metallindustrie hat einen Anteil von 45 Prozent an der gesamten österreichischen Industrie(5). Die Ankündigung wirkte wie ein Paukenschlag und traf die zuständigen Gewerkschaften PRO-GE(6) und GPA-djp(7) und die 180 000 Beschäftigten der österreichischen Leitbranche völlig überraschend. Die institutionalisierte Sozialpartnerschaft ist für die große Mehrheit der österreichischen GewerkschafterInnen ein hohes Gut. Nun war sie offensichtlich von Unternehmerseite gebrochen worden.
Bruch der „Sozialpartnerschaft“
Die „Schwächung der Arbeitnehmer-Position“ solle mit diesem „Bruch der Sozialpartnerschaft“ durchgesetzt werden, machte Rainer Wimmer, Vorsitzender der PRO-GE, die Unternehmerabsicht klar: „Das passt nahtlos in eine Entwicklung, die wir in Europa seit geraumer Zeit registrieren. Das Aufdröseln der Verhandlungsgemeinschaft soll dazu führen, dass die Gruppen, für die verhandelt wird, immer kleiner werden. Das geht dann hinunter bis auf Betriebsebene und im Extremfall zu Einzelverträgen, die mit dem einzelnen Arbeitnehmer ausgehandelt werden.“ Je kleiner die Gruppe, für die verhandelt wird, desto geringer falle die Erhöhung aus(8).
Der Bundesvorstand der PRO-GE reagierte schnell: „Die Sicherung unseres einheitlichen Kollektivvertrages für die Metallindustrie und den Bergbau ist für die PRO-GE ein Ziel an sich und steht unter keinen Umständen zur Verhandlung. Auf Gemeinschaft und Solidarität beruht unsere Stärke als ArbeitnehmerInnen. Diese werden wir uns nicht nehmen lassen. Wir betrachten daher jeden Versuch, unseren gemeinsamen Kollektivvertrag oder die zugrunde liegende Verhandlungsrunde zu zerstören, als offene Kampfansage. Wenn es erforderlich sein sollte, werden wir für unseren Kollektivvertrag mit aller Entschlossenheit kämpfen“, legte er in seiner Grundsatzerklärung am 13.4. die Marschroute fest.
Täuschen und Spalten und Schwächen
Angesichts der Entschiedenheit mit der die GewerkschafterInnen gegen eine Spaltung auftraten, versuchten die Unternehmer zu beruhigen. Allerdings mit lächerlich anmutenden Argumenten wie geänderte Rahmenbedingungen und spezifischen Bedürfnissen der Branche. Christian Knill, Obmann(9) des größten Fachverbandes FMMI(10) mit 120 000 Beschäftigte, tönte: „Wir können nicht alles über einen Kamm scheren – auch nicht bei den prozentuellen Erhöhungen. ... Wir haben sehr unterschiedliche Fachverbände mit anderen Herausforderungen und anderen Zyklen." „Intelligente Lösungen“ nannte das der FMMI in seinem Aushang für die Betriebe.
Für die GewerkschafterInnen, die unter ständiger Reallohnsenkung leiden, musste die Erklärung wie der pure Hohn klingen. Die ständig steigenden Preise, insbesondere für Lebensmittel des täglichen und wöchentlichen Bedarfs, sowie Energie sind für die Beschäftigten aller Branchen gleich hoch und werden durchaus über einen Kamm geschoren. Knill ließ ebenso außen vor, dass schon in der Vergangenheit die Forderung der Gewerkschaften sich nie allein an der Produktivität der Metallbranchen sondern an der gesamtwirtschaftlichen Produktivität orientiert hat. Damit war der Metallabschluss Richtmass für die Abschlüsse der anderen Branchen.
Entsprechend scharf reagierten die bundesweite Versammlung von 900 Betriebsratsvorsitzende und StellvertreterInnen des Metallbereichs am 30. Mai. „Die Beschäftigten sollen in kleinere Gruppen aufgespaltet werden, damit die Arbeitgeber ihre Interessen leichter durchsetzen können: Niedrigere Lohn- und Gehaltserhöhungen und Stillstand bei der Weiterentwicklung des Rahmenrechts. Über diese Ziele können auch noch so blumige, in manchen Unternehmen verbreitete Begründungen, nicht hinwegtäuschen. ... Wir sind stolz auf unseren Kollektivvertrag und werden ihn uns nicht nehmen lassen!“
Gewinne
Kollektivabschlüsse beziehen sich in Österreich auf die Daten der Vergangenheit. Da konnte von einer Krise der österreichischen Metallindustrie keine Rede sein. Im Gegenteil: Die bereits im Jahr 2010 guten Gewinne wurden von den Beschäftigen 2011 noch um 7,2 Prozent gesteigert auf fast 2,2 Milliarden Euro. Das zeigte eine Analyse der Arbeiterkammer zur Lage in 149 Unternehmen der Metallindustrie. „Die Vorstände der börsenotierten Unternehmen haben vom guten Wirtschaftsjahr 2011 profitiert: Die laufenden Vorstandsgehälter, also ohne Abfertigungen und Abfindungen, sind im Schnitt aller Prime-Market-Gesellschaften um neun Prozent auf 870.000 € brutto im Jahresvergleich gestiegen, berechnete der Interessenverband für Anleger (IVA). Die Vorstandsmitglieder von voestalpine und Andritz verdienten am meisten - im Schnitt rund 2,13 Mio. €“ schreibt medinat.at(11).
„Das Niveau auf dem die 1230 Betriebe der Metallindustrie traditionsgemäß "jammert", ist freilich ein hohes: Mit 59 Milliarden Euro lag der Produktionswert 2011 um 18 Prozent über dem Jahr davor, das bereits in der Rekordliga rangierte. Alle Branchenverbände, selbst die durch Billiglohnländer hart bedrängte Gießereiindustrie, verzeichneten zweistellige Zuwächse“, schreibt der Standard(12).
Kriegserklärung an alle österreichische Beschäftigte
"Wir haben in der Metallindustrie ein wirtschaftliches Rekordjahr 2011 hinter uns und erwarten ein sehr, sehr gutes Jahr 2012. Das bestätigt auch die jüngste Branchenanalyse der AK Wien. ... Kein Problem sind nach wie vor die Milliarden-Ausschüttungen und Dividenden. Aber die kleinen ArbeitnehmerInnen sollen bestraft werden", kritisierte Wimmer. Das eigentliche Ziel ... sind langfristig weniger Rechte und weniger Lohn bzw. Gehalt für alle ArbeitnehmerInnen in Österreich. Die Metall-Arbeitgeber wollen offenbar die deutsche Entwicklung der massiven Lohn- und Gehaltsdifferenzierung auch in Österreich einleiten. Das Ziel der Gewerkschaften in Österreich ist hingegen, das Erfolgsmodell der gemeinsamen Verhandlungen weiterzuführen und nicht zu zerstören", so Wimmer. Sollten die Arbeitgeber bei diesem Vorhaben bleiben, sei dies eine Kriegserklärung an alle Beschäftigten in Österreich. BetriebsrätInnen und Gewerkschaften wären dann gezwungen, mit allen Mitteln um den gemeinsamen Kollektivvertrag zu kämpfen(13).
Europapolitische Dimension
Arbeiterkammerpräsident und Wirtschaftsexperte Dr. Werner Mumm legte nach: „Ziel der "Eigenständigkeit" ist die Zerschlagung der Verhandlungsmacht der Gewerkschaften. Was und wie in der Metallbranche zu Herbstbeginn verhandelt wird, ist Orientierung für alle weiteren Kollektivvertragsverhandlungen. Dieses Vorhaben habe in der Eurokrise auch eine europapolitische Dimension: Österreich mit seiner von den Arbeitgebern ungeliebten "Altstrategie" zählt zur Gruppe der erfolgreichsten Länder in der EU. „Weichen die Metallarbeitgeber jetzt von diesem Kurs ab, setzen sie ein fatales Signal für Europa. Auch der Euro war als Hartwährung konzipiert, mit einem hohen Maß an Preisstabilität.“ Er warnte vor dem Schaden für Österreich und Europa, ausgerechnet in Zeiten der Krise an der erfolgreichen Lohn- und Einkommenspolitik zu rütteln(14). In Österreich unterliegen 95 Prozent der beschäftigten einem Kollektivvertrag. Ein Dorn im Auge der Unternehmer.
Analyse super – Kräfteverhältnis außer acht gelassen
Der trefflichen Analyse über Gewinnsituation, Ziel des Angriffs und der dahinter stehenden Absichten folgte keine Mobilisierung in den Betrieben. Die Unternehmer konnten bei ihrer Haltung – getrennt zu verhandeln - bleiben. Kleinlaut teilten die Gewerkschaften in einem Flyer ihren Mitgliedern mit:
„PRO-GE und GPA-djp haben sich in den vergangenen Monaten mit aller Kraft bemüht, die Arbeitgeber davon zu überzeugen, dass die Fortsetzung unserer bewährten Verhandlungsform im Interesse aller wäre. Allerdings bis jetzt ohne Erfolg. Die Gewerkschaften können und wollen den Arbeitgebern ihre freiwillige Verhandlungsgemeinschaft nicht vorschreiben. Aus diesem Grund wird es heuer Verhandlungen mit den einzelnen Fachverbänden geben ... , aber der entscheidende Teil der Verhandlungen steht erst bevor! Wir haben jetzt einen Kollektivvertrag für alle 180.000 Metaller. Das soll auch so bleiben, egal wie der Verhandlungsablauf aussieht.“
Forderung Fünf Prozent
Die Forderung nach fünf Prozent mehr Einkommen und einem einheitlichen KV wurde dann gleichzeitig an alle sechs Fachverbände übergeben. Von nun an mussten getrennte Verhandlungen geführt werden. Das bedeutet für die Kerngruppe des gewerkschaftlichen Verhandlungskomitees, dass sie den Strapazen jedes Verhandlungsmarathons, den die Unternehmer verursachen, sechsmal ausgesetzt sind. Bei den langen Anreisewegen in Österreich ist das kein Zuckerschlecken. Bei Redaktionsschluss hatten sie bereits 12 solcher Verhandlungsrunden hinter sich, die zwischen drei und 17 Stunden dauerten.
Als erstes wurde mit dem FMMI verhandelt, dessen Obmann Knill als Scharfmacher bei diesem Spaltungsüberfall gelten muss. Die Maschinen- und Metallwarenindustrie sei von einer überdurchschnittlich hohen Produktivität gekennzeichnet. Das hatte das Industriewissenschaftliche Institut IWI kürzlich präsentiert. Auftraggeber war der Fachverband der Metallwarenindustrie FMMI selbst. Das Wachstum der Branche sei mit 6,2 Prozent deutlich höher als der Personalzuwachs mit nur einem Prozent, so der ECO(15) Experte Ulrich Schuh.
Zerstörung des Kollektivvertrages – mit Schützenhilfe von oben
Die Unternehmer fühlten sich stark. Ihre Zermürbungsmethode ging weiter. Bevor die Unternehmer über die Lohnforderung von 5 Prozent reden wollten, verlangten sie Zusagen zu Verhandlungen über
- betrieblichen Arbeitszeitregelungen (Verbetrieblichung der Tarifpolitik)
- unterschiedliche Lohnhöhen in Betrieben, abhängig von wirtschaftlichem Erfolg und Personalaufwand
- unterschiedliche Arbeitszeiten für jüngere und ältere Beschäftigte. Jüngere sollten länger arbeiten und dabei ihre Überstundenzuschläge verlieren, altere kürzer und entsprechend weniger vedienen.
Schützenhilfe für ihren Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten bekamen sie von der Industriellenvereinigung. Auch für die IV sind – so deren Präsident Georg Kapsch am Donnerstag – flexiblere Arbeitszeitmodelle ein Schwerpunkt bei der notwendigen Veränderung von Beschäftigungsmustern. Zur Gewerkschaftsforderung nach einer fünfprozentigen Lohnerhöhung lässt er durchblicken, dass die Forderung zu hoch sei. Mit Einmalzahlungen und Konjunkturprämien könne man die Arbeitnehmer an der guten Entwicklung der Vergangenheit beteiligen.
Auch ganz oben zeigt die autoritäre Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfond (IWF) in Griechenland wie der europaweit geplanten Eingriff in die nationalen Kollektivverträge durchzusetzen ist.
Erhalt der gemeinsamen KV erfordert Kampf
Der Bundesvorstand rief zu einer weiteren bundesweiten Konferenz der Betriebsratsvorsitzenden und ihrer Stellvertreter auf. In mehreren Betrieben forderte der Gewerkschaftliche Linksblock GLB diese Konferenz auf alle Betriebsratsmitglieder auszuweiten. Peter Scherz, für den GLB im Verhandlungskomitee, stellte klar: „Unsere „Sozialpartner“ haben ihr wahres Gesicht gezeigt. Immer schon haben wir gesagt, dass sie keine Partner sind, sondern – auch am Verhandlungstisch - unsere Gegner, die ihre Interessen beinhart durchsetzen wollen. Statt über die Gewerkschaftsforderung von fünf Prozent höhere Löhne zu verhandeln, kommen sie mit Forderungen über abweichende betriebliche Abschlüsse daher. Der Druck auf die Rechte der arbeitenden Menschen wird deutlich verstärkt. Wir haben vor der Zustimmung über getrennte Verhandlungen gewarnt. Die arbeitenden Menschen sollten nach dem Willen der Verhandler der Unternehmerseite die ganze Last von wirtschaftlich schlechteren Unternehmensergebnissen tragen und sich dann noch von Managern mit Spitzeneinkommen die Welt erklären lassen, z.B. warum sie in einem Betrieb geringere Löhne erhalten sollten als im anderen. Wir wollen eine Lohnerhöhung von 5 Prozent. Das wird nicht ohne Kampf gehen.“
Noch vor der anberaumten Gewerkschaftskonferenz, am 3. Termin, legten die Unternehmer ihre Karten dann ganz offen auf den Tisch. Sie „boten“ 2,26 % Lohnerhöhung an oder zwischen 2,4 % und 2,8 %, wenn ihrem „Beschäftigungspaket“ zugestimmt würde. Die offiziellen Inflationsrate liegt bei 2,7 Prozent. PRO-Ge listete auf, was die Forderungen der Unternehmer konkret bedeuten würden:
- „Wir sollen in unseren Kollektivvertrag eine Öffnungsklausel für die Arbeitszeit aufnehmen, damit in den Betrieben alle irgendwie möglichen Flexibilisierungen der Arbeitszeit vorgenommen werden können. Dies hieße eine tägliche Normalarbeitszeit von bis zu 12 Stunden, eine wöchentliche Normalarbeitszeit von bis zu 56 Stunden und langjährige Durchrechnung der Arbeitszeit. Damit würden Zuschläge für Überstunden de facto abgeschafft werden.
- Ältere ArbeitnehmerInnen sollen zu Teilzeitbeschäftigten werden und deren Einkommen entsprechend sinken.
- Für jüngere ArbeitnehmerInnen soll die Normalarbeitszeit verlängert werden, Überstunden und Überstundenzuschläge fallen dadurch weg. –
- In den einzelnen Betrieben soll die Lohn- und Gehaltserhöhung unterschiedlich hoch sein. Je höher der Personalaufwand und je niedriger der Betriebserfolg eines Unternehmens, umso geringer die Lohn- und Gehaltserhöhung.“
Wir sind doch keine Trottel
Entsprechend groß war die Empörung unter den Betriebsräten. 1000 folgten dem Aufruf der Gewerkschaft zur Konferenz. In ihrem Positionspapier bekräftigten sie ihre Forderung nach einer Lohnerhöhung um 5 Prozent, einen einheitlichen Kollektivvertrag und wandten sich gegen die Aushöhlung der Tarifverträge.
Besondere Empörung rief hervor, dass die Unternehmer diese Aushöhlung des Kollektivvertrages als „Beschäftigungspaket“ verkaufen wollten. "Dieses Paket bringt in Wirklichkeit keinen einzigen Arbeitsplatz mehr", erklärte Peter Scherz. "Wir sind doch keine Trottel."
Die Industrie, besonders die Automobilindustrie verkünde seit Wochen "schrumpfende Auftragseingänge". Und nun verlange sie längere Arbeitszeiten. "Wie passt das zusammen? Das ist ein Paket zur Vernichtung von Arbeitsplätzen kein Beschäftigungspaket.
In der Gewerkschaft glaubt mancher noch immer an die Ehrlichkeit der "Sozialpartner". Aber was sind das für Partner, die die Älteren in den Betrieben zu Teilzeitbeschäftigten machen und ihnen Lohn- und Gehaltskürzungen zumuten? Hat schon jemand an die Folgen für die Pension gedacht, die sich daraus ergeben würden?"
"Wir müssen kämpfen, in den Betrieben und in der Gesellschaft. Wenn wir das nicht tun, werden wir überrollt. Denn hier droht ein Rückschritt der alle Menschen in Österreich treffen soll. Die von der Gewerkschaft geforderten Betriebsversammlungen und Betriebsrätekonferenzen sind ein erster richtiger und wichtiger Schritt, allein dabei kann es nicht bleiben", so Scherz.
300 Betriebsversammlungen
Die über 300 Betriebsversammlungen in den FMMI-Betrieben – in Österreich traditionell eine Kampfmassnahme – brachten dann auch den Durchbruch. Die Unternehmer nahmen Abstand von ihren Forderungen. Am 4. Termin aber erreichten die MetallerInnen nur 3,4 Prozent ab 1. November für 12 Monate.
Zur Erinnerung, im Vorjahr hatten die Gewerkschaften 5,5 Prozent gefordert und nach einem gut organisierten Streik, dem sehr viele Betriebe folgten, 4,2 Prozent, für die unteren Einkommen bis zu 5,3 % durchsetzen können(16).
Metallerabschluss – widersprüchlicher Abwehrerfolg
Nun war eingetreten, was der PRO-Ge Vorsitzende bereits zu Anfang analysiert hatte: „Die Schwächung der Arbeitnehmerposition.“ Sie war allein am Verhandlungstisch nicht zu verhindern. Zwar war durch die starke Haltung der Metallerinnen in den Betrieben, die Aushöhlung des Kollektivvertrages verhindert, aber die Lohnerhöhung fiel zu gering aus. Deswegen stimmte Peter Scherz dem Lohnabschluss nicht zu:
"Unsere Forderung nach 5 Prozent höheren Löhnen und Gehältern war sehr gut begründet. Die vergangene Inflationsrate betrug 2,7 Prozent, der Produktivitätsanstieg 6,6 Prozent. Nehmen wir die Benya-Formel, also Inflation plus halbe Produktivität, müssten wir 6 % Lohnerhöhung bekommen. Gefordert haben wir weniger, maßvolle fünf Prozent.
Das hat aber keinesfalls zum Entgegenkommen der Unternehmer geführt. Im Gegenteil: Der FMMI hat sehr trickreich agiert.
Erst haben sie die Verhandlungen in sechs Branchen aufgesplittert, um uns zu spalten und in kleinen Einheiten zu schwächen, um so unterschiedliche Kollektivverträge abschließen zu können. Dann haben die Unternehmer riesige Geschütze aufgefahren, um uns von unserer Lohnforderung abzulenken und abzubringen.
Jetzt sind viele unter uns erleichtert, dass wir den Eingriff zu Arbeitszeit, Lohnsenkung und Verbetrieblichung der Kollektivverträge abwehren konnten. Dass wir da stark geblieben sind, dass wir durch das Signal der 1000 Betriebsräte und 300 Betreibsversammlungen unsere Kampfbereitschaft gezeigt haben, ist ein Abwehrerfolg. Das ist gut so.
Es wäre aber mehr möglich gewesen. Wir haben 5 Prozent gefordert, die Forderung ist gerecht und 3,4 Prozent sind keinesfalls eine ausreichende Antwort auf die Teuerung.
Zumal wir für die Metallunternehmer sowohl ihre Ertragslage als auch die Dividendenzahlungen mit unserer Arbeit auch in diesem Jahr enorm erhöht haben.
Selbst das Metallgewerbe hat mit 3,4 Prozent abgeschlossen. Und traditionell liegt die Industrie sowohl im Gewinn als dann auch im Kollektivabschluss höher. Das hat es noch nie gegeben, dass wir in der Industrie beinahe noch unter dem Gewerbe liegen. Und drittens ist der Abschluss mit dem FMMI der Leitabschluss für die anderen Branchen. Deren Unternehmer werden versuchen drunter zu bleiben. Und das können wir unseren Kolleginnen und Kollegen nicht antun.
Aus all den Gründen habe ich gegen den Abschluss gestimmt. In den Betrieben waren wir kampfbereit."
Bei Redaktionsschluss hatten drei der sechs Branchen identisch abgeschlossen, die restlichen Verhandlungen laufen noch bis Ende Oktober.
Kollektivverträge weiterhin gefährdet
So erleichtert Funktionäre und Beschäftigte darüber sind, dass die Aushöhlung oder gar Zerstörung der Kollektivverträge verhindert werden konnte, so ist leider festhalten, dass die Unternehmer aus dieser KV-Runde gestärkt herausgehen. Freilich konnten sie ihr ursprünglich in Auge gefasste Ziel, einen „Beschäftigungspakt“ zum Abbau von Arbeitsplätzen nicht durchsetzen. Die Kampfkraft der Beschäftigten stand dagegen. Wohl aber haben sie gelernt, wenn sie mit riesigen Geschützen auffahren, wie der drohenden Zerstörung der Kollektivität, dass sie dann Erfolge haben, beim Absenken der Lohnforderung, wenn das gewerkschaftliche Verhandlungskomitee sich nicht entschließen kann, alle Kampfkraft in den Betrieben zu mobilisieren.
Das Unternehmer könnten es wieder tun, denn sie verlieren bei dem Versuch nichts. Und die Gefahr der Wiederholung ist groß. Andere Unternehmerverbände schlagen bereits härter zu. Im Frühjahr hat der bei der Lufthansa-Tochter Austrian Airlines (AUA) die Unternehmensleitung den Bord-KV aufgekündigt. Und vor wenigen Tagen hat der Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) den Journalisten-KV gekündigt. Hunderte JournalistInnen und Journalisten gingen in Österreichs Großstädten dagegen auf die Strasse.
Ulrich Schuh(17) spricht aus, wohin die Reise aus Unternehmersicht gehen soll: Laut Standard will er es Deutschland gleichtun und plädiert für niedrigere Lohnabschlüsse, die Benya-Formel hält er für überholt(18). Die GewerkschafterInnen und Beschäftigten tun gut daran, sich aus der Illusion der Sozialpartnerschaft zu lösen. Richtige Analysen und gute Argumente sind wichtig für die Mobilisierung – aber ohne Mobilisierung ist alles nichts.
Anne Rieger
(2) Maschinen und Metallwaren, Fahrzeugindustrie, Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen, Bergwerke und Stahl, Nichteisen-Metallindustrie, Gießereiindustrie
(3) Produktionsgewerkschaft
(4) Gewerkschaft der Privatangestellten Druck-Journalismus-Papier
(5) derStandard.at 18.9.2012
(6) Produktionsgewerkschaft
(7) Gewerkschaft der Privatangestellten Druck-Journalismus-Papier
(8) Kurier 1.5.2012
(9) Vorsitzender
(10) Fachverband Maschinen- und Metallwarenindustrie
(11) 26.19.2012
(12) 18.9.2012
(13) apa 8.9.2012
(14) PRO-GE webseite 24.8.2012
(15) ECO Austria, die Industriellen Vereinigung hatte im Vorjahr ein neues Wirtschaftsforschungsinstitut gegründet
(16) Marxistische Blätter 5/11 S. 7ff
(17) siehe 15
(18)18.9.2012