Mit der Zerschlagung von VAMED droht der Verkauf von Reha-Kliniken an einen französischen Investment-Fond. Es gäbe Alternativen.

Wir erleben dieser Tage ein Beispiel, wie Liberalisierung und Privatisierung im Gesundheitsbereich im Vormarsch sind. Die Österreichische BeteiligungsAG (ÖBAG), über die die Beteiligung der Republik an einigen börsenotierten Unternehmen verwaltet werden, verkaufte im Mai 2024 seine 13-Prozentigen Anteil der VAMED an den bisherigen Eigentümer, der deutschen Fresenius-Konzern. Dieser Verkauf machte den Weg dafür frei, dass der Fresenius-Konzern, der in den letzten Jahren in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, die VAMED filetieren und weiterveräußern konnte. 

Die technische Betriebsführung des AKH-Wiens (Reinigung, Instandhaltung und Wartung von Heizung, Kühlsystem und Beleuchtung) sowie das österreichische Projektgeschäft geht um 90 Millionen an ein Konsortium von Porr und Strabag. Der große Teil der Thermen und Reha-Kliniken geht an einen französischen Investment Fond namens PAI-Partners. Hier arbeitet der überwiegende Teil der rund 24.000 Beschäftigten. An PAI-Partners entzündet sich auch die Kritik. Der Konzern, der aus der Investment-Division der Paribar-Bank hervorgegangen ist, steht im Ruf, eine klassische „Heuschrecke“ ohne langfristiges Interesse an den Unternehmungen zu sein. Das heißt: Die Einrichtungen werden aufgekauft, auf Kosten der Qualität saniert, um sie dann mit Profit weiter zu veräußern. Die durchschnittliche Haltezeit bei PAI beträgt sechs Jahre. Vorexerziert hat PAI-Partners das in Frankreich an einer großen Pflegekette in Frankreich, die 2014 gekauft und nur weniger Jahre später mit hohem Gewinn und deutlich schlechterem Behandlungsqualität an einen britischen Investor abgestoßen wurde. 

„Suchterkrankung und Profitmaximierung passen nicht zusammen.“

Betroffen vom Verkauf ist auch das Anton-Proksch-Institut, eine der größten und wichtigsten Suchtkliniken Europas in Wien mit jährlich 5000 PatientInnen. Derzeit gehörte das Anton-Proksch-Institut noch zu 40 Prozent einer Stiftung, die unter anderem die Stadt Wien und der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) gegründet haben. Die restliche 60 Prozent hielt die VAMED AG und soll nun an den französischen PAI-Konzern verkauft werden. Der Betriebsrat des Anton-Proksch-Instituts ist alarmiert. In einem offenen Brief an die Geschäftsführung warnte er eindringlich vor dem Verkauf. "Suchtkrankheit und Profitmaximierung passen nicht zusammen", heißt es in dem Schreiben. Bereits unter der VAMED, die im Jahr 2010 beim Anton-Proksch-Institut eingestiegen ist, habe man "eine schleichende, jedoch in ihrem Ergebnis sehr deutliche und auch in der Fachwelt wahrgenommene Verschlechterung der Behandlungsqualität" miterleben müssen.“ (Der Standard, 29.6.2024).

„Keine Profit mit Pflege und Gesundheit“

Auch aus der SPÖ kommt heftige Kritik an dem Deal. Der burgenländische Landeshauptmann Doskozil forderte Bundeskanzler Nehammer auf, den Verkauf der VAMED-Anteile rückgängig zu machen und den „Ausverkauf der Reha-Zentren“ zu stoppen. Parteichef Babler kritisiert, dass „so etwas verboten (gehört). Es gibt Bereiche, mit denen kein Profit gemacht werden darf. Dazu gehören selbstverständlich die Pflege und das Gesundheitswesen.“ (ORF, 28.6.2024)

Das ist sicher richtig, das Dumme ist nur, dass die SPÖ selbst das Tor in Richtung Privatisierung aufgemacht hat. Die VAMED war in den 1980er-Jahren für den Bau des Wiener AKH als Tochter der staatlichen Voestalpine gegründet worden. Als Österreich in den 90er Jahren Mitglied der Europäischen Union werden wollte, meldete die EU-Kommission Bedenken ob des „hohen staatlichen Anteils an der Wirtschaft“ an. Worauf hin die SPÖ-geführte Regierung Vranitzky umgehend eine Privatisierungswelle einleitete. Im Zuge dieser ging der ehemals in 100-prozentigem Eigentum der Republik stehende Gesundheitskonzern VAMED zu 77 Prozent an den deutschen Fresenius-Konzern und zu zehn Prozent an die B&C Holding. 13 Prozent verblieben über die Staatsholding im Eigentum der Republik - bis im Frühjahr 2024 die Zerschlagung der VAMED eingeleitet wurde.

Wieder in öffentliches Eigentum überführen! 

Die ÖBAG reagierte auf die Kritik: "Seit dem Privatisierungsauftrag der österreichischen Bundesregierung im Jahr 1996 und dem Mehrheitsverkauf der VAMED an den Fresenius Konzern verfügte die ÖBAG in den letzten Jahren über keinerlei Mitwirkungs- oder Vetorechte bei der VAMED und war auch nicht im Aufsichtsrat vertreten", teilte die ÖBAG in einer Stellungnahme mit. Das ist zwar formal richtig, aber gleichzeitig ein Offenbarungseid für die fehlende Bereitschaft, die Staatsholding zu nutzen, um den Ausverkauf in sensiblen Bereichen zu unterbinden und wieder Gestaltungsmacht zu erreichen. Die Schwäche von Fresenius wären eine Chance gewesen, die VAMED wieder in staatliches Mehrheitseigentum zu überführen und mit der technischen Geschäftsführung der AKH Wiens und dem österreichische Projektgeschäft weiter zu beauftragen, statt Haselsteiner & Co das Geschäft zuzuschieben. Und die Reha-Kliniken gehören ohnehin in das Eigentum der Länder bzw. Sozialversicherung, wenn man verhindern will, dass Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen zugunsten der Dividendenjagd von Aktionären ruiniert werden. „Dieser Verkauf zeigt einmal mehr, wie wichtig eine stabile öffentliche Versorgung durch eigene Einrichtungen der Sozialversicherung ist“, sagt Arbeitnehmer-Obmann der ÖGK und stellvertretender Vorstand des Dachverbands der Sozialversicherungsträger, Andreas Huss. Internationale Investoren seien „sehr oft keine verlässlichen Partner einer stabilen solidarischen Versorgung für unsere Versicherten.“ (Die Presse, 3.7.2024)

Die Privatisierung im Gesundheitsbereich rückgängig zu machen, ist möglich, geht aber nur, wenn ein starker politischer Wille vorhanden ist, die Gestaltungsmacht wieder zurückzuholen. Daran gilt es zu arbeiten. 

(Juli 2024)