ImageDie Wirtschaftskammer verweigert das Gespräch über einen bundesweiten Kollektivvertrag im Hotel- und Gastgewerbe. Über 200.000 Beschäftigten drohen damit deftige Reallohnkürzungen. Offensichtlich wollen die Arbeitgeber in dieser Branche ein Probegalopp für den Angriff auf bundesweite Kollektivverträge reiten.


Die Wirtschaftskammer hat die Fortsetzung der KV-Verhandlungen von unerfüllbaren Forderungen abhängig gemacht. Die Arbeitgeber verlangten nämlich nicht nur eine Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes von derzeit 3 auf 6 Monate sondern vor allem, dass die Gewerkschaft der Verkürzung der Nachtruhezeit zustimmen müssten, ehe überhaupt über Lohnerhöhungen verhandelt werden könne. Das hat einerseits bei KV-Verhandlungen nichts verloren, weil es sich um eine Gesetzesmaterie handelt. Das ist aber auch inhaltlich für die Gewerkschaften unerfüllbar, weil die von der Arbeitgebern geforderte Verkürzung der Nachtruhe von 11 auf 8 Stunden die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen schwer gefährden würde – noch dazu in einer Branche, die ohnehin für ihre belastenden Arbeitsbedingungen bekannt ist.

Mit dem Abbruch der Verhandlungen verweigern die Arbeitgeber rund 200.000 Beschäftigten und rund 10.000 Lehrlinge eine faire Einkommenserhöhung. Das bedeutet unter dem Strich deftige Reallohnkürzungen, da nicht einmal die Inflationsrate abgegolten wird. „Das Hotel- und Gastgewerbe ist ohnehin schon eine Niedriglohnbranche mit schwierigen Arbeitsbedingungen, umso beschämender ist das Verhalten der Arbeitgeber den Beschäftigten gegenüber“, so die Verhandlungsführer der Gewerkschaften, Rudolf Komaromy und Alfred Gajdosik.

Die Strategie der Arbeitgeberseite zielt offensichtlich darauf ab, anstelle bundesweit einheitlichen Lohn- und Gehaltsabschlüsse nur mehr auf Länderebene Kollektivverträge abzuschließen. Das fügt sich in einen EU-weiten Trend, Kollektivverträge auszuhebeln und Lohnverhandlungen auf immer kleinere Einheiten zu verlagern, wo die Gewerkschaften schwächer sind als auf bundesweiter Ebene. Je zersplitterter die Lohnverhandlungen, desto leichter können die ArbeitnehmerInnen auseinanderdividiert und damit alle geschwächt werden. Zentraler politischer Motor für diesen Angriff auf die Gewerkschaften ist die EU-Kommission. Die Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der EU-Kommission hat im „Labour Market Development“-Bericht 2012 offen die Senkung von Mindestlöhnen und den Abbau von kollektivvertraglichen Regelungen zugunsten „dezentralisierter“ Lohnfindung gefordert. Erklärtes Ziel: „Reduktion der gewerkschaftlichen Verhandlungsmacht“. Dort wo die EU-Kommission jetzt schon – über die sog. „EU-Rettungsschirme“ - direkten Einfluss auf die nationale Lohnpolitik hat, setzt sie diese Vorgabe brutal um: In Griechenland wurden die Mindestlöhne um 25% bis 31% gesenkt; in Spanien hat sich die Anzahl der gültigen Tarifverträge seit 2010 fast halbiert. Von einer spanischen Ministerin wird in diesem Zusammenhang die Kampfansage kolportiert: Die Gewerkschaften werden fallen wie die Berliner Mauer.“

Es deutet einiges darauf hin, dass die Verweigerung der Arbeitgeberseite im Bereich Hotel- und Gastgewerbe einen bundesweiten Kollektivvertrag auszuhandeln, in diese Strategie eingebettet ist, „dezentralisierte Lohnfindungssysteme“ durchzusetzen. Denn mit über 200.000 Beschäftigten handelt es sich um eine große Branche, die zugleich gewerkschaftlich eher schwach organisiert ist.

Norbert Bauer, Betriebsratsvorsitzender einer großen Hotelkette, KV-Verhandler und Vorsitzender der Solidarwerkstatt: „Die Wirtschaftskammer-Verhandler scheinen einen Probegalopp jener EU-Agenda zu versuchen, welche die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften europaweit zu brechen versucht. Die Verweigerung von KV-Verhandlungen trifft daher nicht nur die Beschäftigten im Hotel- und Gastgewerbe durch empfindliche Reallohnverluste, sie ist zugleich ein Angriff auf alle ArbeitnehmerInnen. Kommen sie hier damit durch, KV-Verhandlungen zu dezentralisieren, werden ähnliche Attacken in anderen Branchen nicht lange auf sich warten lassen.“ Die Solidarwerkstatt ruft daher zur Solidarität mit den im Hotel – und Gastgewerbe Arbeitenden auf und unterstützt die gewerkschaftlichen Protestaktionen.