Am 6. Dezember reiste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu einem Treffen der Mercosur-Staaten in Uruguay und unterzeichnete im Namen der EU-Kommission die Einigung auf ein Freihandelsabkommen der EU mit den vier Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Doch der Widerstand geht weiter.
Die treibende Kraft hinter dem Abkommen ist die deutsche Großindustrie, v.a. die Automobilindustrie, wie eine Studie von Attac und anderen NGOs zeigt (1). Eine Reihe von Maßnahmen zielt schlicht darauf ab, die Produktion – von den Rohstoffen und Vorprodukten bis zur Endfertigung –, den Marktzugang sowie den Betrieb von Autos zu verbilligen und damit den Absatz der europäischen Autoindustrie am lateinamerikanischen Kontinent anzukurbeln:
- Beseitigung der Zölle für Autos: EU und Mercosur beginnen die Zollsenkung sieben Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens. Nach 15 Jahren sollen die Zölle vollständig beseitigt sein.
- Noch bedeutsamer ist die Beseitigung der Zölle auf Autoteile: Nach zehn Jahren sollen über 80 Prozent dieser Zölle beseitigt sein, nach 15 Jahren die meisten übrigen Zölle.
- Beseitigung der Zölle auf Rohstoffe: Die Vertragsparteien vereinbarten eine schrittweise Zollbeseitigung innerhalb von 10 Jahren nach dem Inkrafttreten des Abkommens (Mercosur in einzelnen Fällen nach 15 Jahren) bei Produkten aus Eisen, Stahl, Aluminium, Kupfer, Lithium, Blei und Zink.
Klimapolitischer Teufelskreis
Dem massiven Lobbying deutschen Autokonzerne ist es zu verdanken, dass die EU-Kommission derart am Gaspedal beim EU-Mercosur-Abkommen steht. Verlierer werden hingegen die Landwirtschaft sein, da – im Gegenzug für deutsche Autoimporte – die Mercosurstaaten vor allem billige landwirtschaftliche Güter nach Europa exportieren werden. So können künftig zum Beispiel bis zu 160.000 Tonnen Rindfleisch pro Jahr ohne oder zu reduzierten Zöllen in die EU verkauft werden. Klimapolitisch zeichnet sich Teufelskreislauf ab: Dafür dass der Automobilismus ankurbelt wird, wird die Abholzung der Regenwald beschleunigt, um billiges Rindfleisch nach Europa über tausende Transportkilometer zu bringen, das immer mehr heimische Landwirte in den Ruin treibt.
"Toxischer Deal"
Das Abkommen zementiere die ungleiche Arbeitsteilung zwischen der EU und dem Globalen Süden, indem es die Mercosur-Staaten noch stärker als bisher auf die neokoloniale Doppelrolle als Absatzmärkte der EU-Industrie und als Lieferanten von Agrarprodukten und Bodenschätzen reduziert. Indem es der ohnehin starken Industrie der EU-Staaten die Mercosur-Märkte öffnet, schwächt es die dortige Industrie, heißt es etwa in einer Protesterklärung, die Ende November von 406 Initiativen aus Europa und Lateinamerika publiziert wurde. Der Aufruf fordert den sofortigen Stopp des „toxischen Deals für Planet und Menschen“ (2).
Für eine Volksabstimmung
Die EU-Kommission zeigt sich mit seinem Einsatz für das EU-Mercosur-Abkommen wieder einmal als oberster Konzernlobbyist. Klimaschutz und „green deal“ dienen für Sonntagsreden, unter der Wochen wird für die Interessen der Großindustrie gearbeitet. Doch der Widerstand ist breit, ganze Länder wie Frankreich, Polen und Österreich haben sich auf ein Nein zu diesem Abkommen festgelegt. Um den Widerstand gegen das EU-Mercosur-Abkommen auszubremsen, soll das Abkommen aufgesplittet werden, in einen handelspolitischen und politischen Teil. Der erste Teil, das eigentliche Freihandelsabkommen, könnte dann an den nationalen Parlamenten vorbeigemogelt werden.
Das hat demokratiepolitische Sprengkraft. Denn diese Vorgehensweise wurde erst durch den Lissabon-Vertrag möglich gemacht. Dass solche weitreichenden Freihandelsabkommen ohne Beteiligung des österreichischen Parlaments beschlossen werden können, war einer der Gründe, warum die Solidarwerkstatt und andere Gruppen eine Volksabstimmung über den EU-Vertrag von Lissabon für zwingend geboten gehalten haben. Diese Volksabstimmung wurde damals der Bevölkerung verwehrt, eine Ratifizierung des EU-Mercosur-Freihandelsabkommen ohne Volksabstimmung würde daher das österreichische Establishment noch weiter in den demokratiepolitischen Sumpf der Verfassungswidrigkeit führen. Die österreichische Bevölkerung hat das Recht in einer Volksabstimmung selbst über dieses Freihandelsabkommen zu entscheiden. Dafür müssen wir kämpfen!
(Dezember 2024)
Quellen:
(1) https://www.attac.at/news/details/neue-studie-mobilitaetswende-ausgebremst-autokonzerne-beeinflussten-eu-mercosur-abkommen
(2) https://europeantradejustice.org/eu-mercosur-nov2024/