ImageDer Streik der Gemeindebediensteten wurde von der Gewerkschaftsführung im letzten Augenblick abgeblasen. Warum? Hat Pühringer auf einmal eine konkrete Zusage gemacht, die Minus 1% für 2012 zurückzunehmen, gibt es Zusagen die Nulllohnrunde im nächsten Jahr auszusetzen? Nichts von dem. 

 

Pühringer hat bloß angekündigt, dass man wieder mit ihm reden darf. Es werde „Verbesserungen“ geben, meint der Landeshauptmann unverbindlich. Vager geht´s nimmer. Es ist eine gewerkschaftliche Grunderfahrung, dass Kampfmaßnahmen wie Streiks die Position in Verhandlungen stärken. Wer einen Streik abbläst, bevor noch irgendeine Zusage auf dem Tisch liegt, fügt der eigenen Sache schweren Schaden zu. Warum dieser vollkommen überhastete Rückzieher, warum dieser Schuss ins eigene Knie, dem immerhin ein Drittel der Mitglieder des GdG-Vorstandes ihre Zustimmung verweigert hat. Warum wurde derart über die Gewerkschaftsbasis drübergefahren, wie der heftige und einstimmige Protest der Betriebsversammlung des AKH-Linz gegen die Streikaussetzung belegt. 

 

Nun, wir wissen es auch nicht, aber wir stellen uns so manche Frage:

 

Der Streik der OÖ Gemeindebediensteten hat sich am Minus1% Abschlag, der von ÖVP, FPÖ und Grünen im Landtag beschlossen wurde, entzündet. Aber er hat sich in Folge auch gegen die Politik der SP/VP-Bundesregierung gerichtet, die in ihrem 26 Milliarden Belastungspaket eine Nulllohnrunde im Öffentlichen Dienst für 2013 und „moderate“ Abschlüsse (also unter der Inflationsrate) für 2014 beschlossen hat. Die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten hat vorgerechnet, dass das Realeinkommenskürzung von rd. 6% für die Gemeindebediensteten bedeutet.

 

Könnte es sein, dass gerade deshalb von der Führung der Arbeiterkammer Druck auf die streikbereiten Teile der Gewerkschaft gekommen ist, diesen Streik abzublasen? Immerhin hat auch der oberösterreichische AK-Präsident Kalliauer bei der Konferenz der sozialdemokratischen Kammer- und Gewerkschaftsführung dem größten Belastungspaket der 2. Republik zugestimmt (nur der Salzburger AK-Präsident Siegfried Pichler und ein Jugendvertreter stimmten dort dagegen). Kalliauer war im Streikzelt des Linzer AKH zu einer Veranstaltung eingeladen. Wäre es ihm peinlich gewesen, den Streikenden zu erklären, warum er als „Arbeitnehmer-Vertreter“ seinen Sanktus Nulllohnrunden und Kürzungen im öffentlichen Dienst gegeben hat?

 

Eine ähnliche Frage stellt sich in Bezug auf Ackerl und die Führung der oberösterreichischen SPÖ zu. Während der Minus 1%-Abschlag in Oberösterreich für das heurige Jahr lautstark kritisiert wurde, ist die anfängliche Kritik an Belastungspaket, Nulllohnrunden und Personalabbau im Öffentlichen Dienst bei Ackerl & Co rasch verklungen. Auch dem SPÖ-Chef von OÖ, der sich auffallend erleichtert über das Abblasen des Streiks gibt, wären dazu im Streikzelt am 28. März wohl kritische Fragen nicht erspart geblieben.

 

Das 26 Milliarden Belastungspaket ist der Vorgriff auf den EU-Fiskalpakt, den die Regierung im Frühjahr geräuschlos durchs Parlament bringen will. Dieser EU-Fiskalpakt ist vielleicht der größte Angriff auf den öffentlichen Dienst und die Rechte der ArbeitnehmerInnen seit 1945. Denn mit ihm soll das neoliberale Sparregime „auf ewig“ (O-Ton deutsche Kanzlerin Merkel) einzementiert werden, mit ihm soll das „Ende der Sozialstaats“ (O-Ton EZB-Chef Mario Draghi) besiegelt werden. Natürlich wäre dieser Streik in seiner Konsequenz auch ein Streik gegen die Auswirkungen dieses Fiskalpakt-Regime gewesen. Und das wollen Faymann & Co um jeden Preis verhindern, denn auch sie stehen unter enormen Druck: von der EU-Kommission, von der deutschen Regierung, von Industriellenverbänden. Gerade weil sich innerhalb von Gewerkschaft, AK, aber auch der SPÖ die Stimmen der Kritik am EU-Fiskalpakt mehren, wird derzeit massiver Druck ausgeübt, Widerstand gegen den Fiskalpakt zu unterbinden oder auf den St. Nimmerleinstag zu verschieben. Sobald dieser Pakt durchs Parlament geschleust worden ist, können schließlich die Gewerkschaftsforderungen mit Verweis auf die neuen europäischen Vorschriften abgewimmelt werden. Ist diesem Druck auch der Streik der OÖ Gemeindebediensteten zum Opfer gefallen? 
 

Wie auch immer: Wir sehen uns bestärkt, den Widerstand gegen den EU-Fiskalpakt zu intensivieren. Wir rufen gerade gewerkschaftlich engagierte Menschen auf: Wer den Neoliberalismus kritisiert, darf jetzt nicht schweigen: Nein zum EU-Fiskalpakt – Ja zu einer Volksabstimmung!

 


PS: Wir lassen trotz Streikaussetzung den Text des Flugblatts der Solidar-Werkstatt, das wir am Streiktag verteilen wollten, auf der Web-Page stehen. Damit dokumentieren wir unsere Solidarität mit den Forderungen der Gemeindebediensteten, die nichts an Berechtigung verloren haben, auch wenn manche in der ÖGB-Führung kalte Füße bekommen haben.