EPAs stoppen!Das EU-Freihandelsdiktat EPA (European Partnership Agreement) ist die sicherste und dauerhafteste Grundlage, um die Existenz von vielen Millionen Menschen zu ruinieren und viele von ihnen zur Flucht zu zwingen. Gerade die Jungen - Afrika hat einen Jugendanteil von 60% - werden dadurch um jede Zukunftsperspektive betrogen werden - ein Verbrechen ohne absehbares Ende.

 

 

Das EPA (Economic Partnership Agreement) ist ein seit 2003 von der EU gefordertes Freihandelsabkommen mit den 77 AKP-Staaten (Afrika-Karibik-Pazifikstaaten außer Kuba), davon 48 Subsahara-Staaten, allesamt ehemalige europäische Kolonien. Im Juni 2000 wurde in Cotonou/Benin das Cotonou-Assoziierungsabkommen von allen damaligen EU-Mitgliedsstaaten und den Mitgliedsstaaten der AKP-Gruppen unterzeichnet. Basis für die daraus folgenden EPA-Verhandlungen war Art. 36 des Cotonou-Abkommens, in dem es heißt: Wirtschaftspartnerschaftsabkommen werden mit den AKP-Ländern abgeschlossen, die sich in der Lage sehen, dies zu tun, in dem von ihnen als angemessen empfundenen Umfang und im Einklang mit dem von der AKP-Gruppe festgelegten Verfahren und das unter Berücksichtigung der regionalen Integration in der AKP-Gruppe.

AKP Staaten Das klingt zunächst gut, doch hinter dieser Maske wird ausschließlich mit der „Teile und herrsche“-Strategie gearbeitet

Während hierzulande die Debatte über TTIP in vollem Gange war, fanden die Vorgänge außerhalb Europas kaum Beachtung, obwohl die AKP-Staaten bereits seit 2004 von der EU-Kommission mit dem EPAs-Freihandelsdiktat unter Druck gesetzt werden. Wie in TTIP & Co ist dieses Freihandelsabkommen nach demselben Muster gestrickt. Enthalten ist ebenfalls die Öffnung von Dienstleistungssektoren und ein umfassender Investorenschutz mit Investor-Staat-Schiedsverfahren. Darüber hinaus gibt es die sogenannte „Stillstandsklausel“, die bedeutet, dass Zölle auf einem bestimmten Stand einfach eingefroren werden können. Die „Klausel zur nationalen Behandlung“ besagt, dass Produkte aus Afrika nicht anders behandelt werden dürfen als Produkte aus der EU. Das heißt, es gibt keinen Schutz mehr für die regionalen Produkte. Die „Meistbegünstigten-Klausel“ bedeutet, dass afrikanische Länder zuerst die EU konsultieren müssen, wenn sie bessere Handelsbeziehungen mit anderen Partnern eingehen wollen. Mit dieser Klausel versucht die EU im Wettbewerb andere (USA, BRICS-Staaten,…) auszustechen. Das Fatale bezüglich TTIPs gegenüber den AKP-Staaten und anderer Schwellenländern ist, dass sie gezwungen werden, sich den Freihandelsstandards und Normen der Mächtigen anzupassen. Wie der frühere EU-Handelskommissar Karel De Gucht sagte: „Wir Europäer müssen globale Standards setzen damit es nicht andere für uns tun.“

Selbstermächtigung und eigenständige Entwicklungsschritte werden nicht zugelassen

In den letzten Jahrzehnten hat sich in der Bevölkerung Afrikas ein Bewusstsein entwickelt, aus dem heraus sich Kräfte der Selbstermächtigung, zur Überwindung der Kolonialzeit und deren Folgen herausbilden konnten, die eigene Projekte und Ziele anstrebten. Dessen Weiterentwicklung wurde immer wieder von imperialen Mächten mit allen Mitteln unterbunden. Die Ablöse erfolgte meist durch Militärs, die wiederum in europäischen Schulen ausgebildet wurden. Das sind jene, die das Kolonialsystem verinnerlicht hatten und deren Privilegien nutzten. Jene, die den ausländischen Konzernen Tür und Tor öffneten, die Länder möglichst billig zu plündern und sich Grund und Boden anzueignen ohne Rücksicht auf Bevölkerung und Umwelt. Das sind die beliebtesten Geschäftspartner auch der europäischen Konzernmächte. (Wobei die völkerrechtswidrige Bombardierung Libyens und dessen Folgen, auch für die Anrainerstaaten insbesondere Mali und Nigeria ein eigenes Thema des Verbrechens mit europäischer Vormachtstellung ist!).

Seit den 1980iger Jahren wurde durch die Liberalisierung und „strukturelle Anpassungsprogramme“ bereits eine fatale Marktöffnung erreicht. Wir alle kennen die Berichte und Bilder aus Westafrika und Kamerun von der Überschwemmung der dortigen Märkte mit billigstem, hochsubventionierten Hühnerkleinteilen, mit Trockenmilch, Tomatenpaste etc. aus der Überproduktion der EU-Länder. Die Geflügelproduktion in Ghana ist damals total zusammengebrochen, bis zu 100.000 Arbeitsplätze sind verloren gegangen, die Existenz tausender Kleinbauern wurde zerstört. Kamerun wehrte sich mit hohen Importzöllen, eine Option, die mit dem EPA nicht mehr möglich ist. Im Vergleich: deutsche Schlachtereien exportierten im Jahr 2000 lediglich 5.000 Tonnen, im Jahr 2012 bereits knapp 43 Millionen Tonnen Hähnchen an Staaten südlich der Sahara(1). Mit EPAs soll nun die neoliberale Ausbeutung zugunsten der EU-Eliten und zum Ruin der Völker Afrikas einbetoniert werden. Die schwächeren Nationalökonomien Afrikas wären dann dem EU-Freihandelsregime schutzlos ausgeliefert. Durch den Abbau der Zölle auf ca. 80% der Waren, durch ein Verbot von Exportsteuern auf Rohstoffe würden die Staatshaushalte enorme Einnahmen verlieren. Der Aufbau von staatseigenen Industrien und die regionale Integration in allen Beziehungen werden dadurch erschwert oder gänzlich verhindert.

Menschen und Regierungen in Afrika leisten seit Jahren Widerstand

Die von der EU diktierte Frist, die EPA sollen bis 1.1.2008 in Kraft treten, konnte durch viele Verhandlungsschwierigkeiten und den daraus erwachsenden Widerstand nicht eingehalten werden. Dr. Boniface Mabanza von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (Heidelberg): „Die EU-Kommission verfügt über einen Riesenapparat, um in verschiedenen Regionen gleichzeitig zu verhandeln und hat die Kapazitäten zur Durchschlagskraft. Diese Stärken haben wir nicht. Die EU wollte uns Verhandlungsexperten zur Verfügung stellen. Diese von der EU bezahlten Experten wollten wir nicht. Das würde bedeuten, dass die EU mit sich selbst verhandelt. Der aktuelle Präsident, damals (2009) Handelsminister von Namibia, machte darauf aufmerksam, dass die AKP-Unterhändler von den EU-Verhandlern respektlos behandelt wurden. Wir wollen keine Praktiken die uns in die Kolonialzeit zurückführen.“

Nach dem Scheitern bis zur 1. Frist wurde eine 2. Frist bis Oktober 2014 gesetzt. Der Terror seitens der EU gegenüber den AKP-Staaten erreichte in diesem Zeitraum ein enormes Ausmaß. Wie vertraglich ausgemacht, wurde durch den anhaltenden Widerstand nicht mehr regional verhandelt, sondern einzelne Staaten unter Druck gesetzt, insbesondere die wirtschaftlich stärkeren. Auf Kenias Exporte wurden solange 30% Strafzölle verhängt, bis sie zum Aufgeben gezwungen waren, da die ArbeiterInnen nicht mehr bezahlt werden konnten, weil die Waren nicht mehr exportiert werden konnten und verdarben. Mit der Androhung von Strafen wie diesen wurden auch andere Länder erpresst, Staaten gegeneinander ausgespielt und mit verlogenen Hilfsangeboten weichgekocht. Die AKP-Staaten, die kein vollwertiges oder vorläufiges EPA unterzeichnet oder angewandt haben, haben ab 1.Oktober 2014 den bevorzugten Zugang zum EU-Markt verloren.

Auf Grund dieser schamlosen Vorgangsweisen sind bereits viele AKP-Staaten eingeknickt. Der Widerstand seitens der Regierungen hat immerhin seit 12 Jahren angehalten und einige weigern sich noch weiterhin. Der Widerstand in der Zivilgesellschaft Afrikas ist ungebrochen, die Orientierung wird sich nun auf die Verhinderung der Ratifizierungen in den nationalen Parlamenten richten.

Selbst der Ratifizierungsablauf wurde aufs Schärfste durchkalkuliert

In den EU-Mitgliedsstaaten müssen alle Nationalstaaten dieses Abkommen unterzeichnen und ratifizieren, weil die (völlig unzureichenden) Kompensationsmaßnahmen, wie im Falle Westafrikas, von allen EU-Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellt werden. Für die AKP-Staaten wurden diese Prozesse anders geregelt. Im Falle Westafrikas (ECOWAS) müssen nur 2/3 der Mitgliedsstaaten ratifizieren, damit es in Kraft treten kann. Da zeitgleich (Jänner 2015) aber auch die schon lange geplante westafrikanische Zollunion verabschiedet wurde, wird es für die Nicht-Unterzeichner zunehmend schwerer werden, ihre Märkte gegen EU-Importe zu schützen, die im Rahmen der Zollunion eingeführt werden(2). Mit dieser 2/3 Ratifizierung werden blockierende Staaten, wie Nigeria, umgangen. Nigeria stellt mehr als die Hälfte der Bevölkerung und Wirtschaftskraft der Westafrikanischen Gemeinschaft (16 Länder) dar. So werden Staaten unter dem Druck der EU gegeneinander ausgespielt, wirtschaftlich ruiniert und neuer Zündstoff für Konflikte gelegt.

FAIRhandel statt Freihandel - wirkliche Partnerschaftsabkommen auf gleicher Augenhöhe!
Warum nicht einmal den Spieß umdrehen und die Handelsvereinbarungen- und abkommen, wie in diesem Fall, von den AKP-Staaten bestimmen lassen, statt durch das Großmachtstreben der EU-Eliten immer neue Fluchtursachen zu schaffen! Die EU-Politik produziert durch diese Freihandelsregime die Flüchtlinge, lässt diese ohne Gewissensbisse jämmerlich auf den tödlichen Pfaden durch die größte Wüste der Welt zu Tode kommen, liefert sie den von ihnen an die Macht geputschten Terrormilizen in Libyen aus oder lässt sie mit Beihilfe von Frontex im Meer ertrinken. Diese EU-Politik errichtet tödliche Zäune und Mauern an den EU-Außengrenzen, die verhindern sollen, dass die Flüchtlinge zu jenen kommen, die sie um ihre Existenz und Zukunft beraubt haben.

Um Fluchtursachen wirklich zu bekämpfen fordern wir von der österreichischen Bundesregierung und dem Nationalrat Ablehnung aller EPA-Verhandlungen!

Ein entschiedenes NEIN zu allen Ratifizierungen der EPAs-Abkommen!


Johanna Weichselbaumer



Quellen:
(1) http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59231, (2) http://www.zenithonline.de/deutsch/wirtschaft/a/artikel/zeit-zu-handeln-004423/