Der EuGH hat Ende 2019 erneut zum Schlag gegen Gewerkschaften und Arbeitnehmer-Rechte ausgeholt. Die EU-Richter erklärten die Dumpinglöhne beim Bordservice in mehreren Zügen der ÖBB, die 1.000 Euro unter österreichischem Kollektivvertragsniveau lagen, für rechtlich korrekt. Die Gewerkschaft warnt vor einem Dammbruch in der Verkehrsbranche .


Die ÖBB hatten zwischen 2012 und 2016 Do & Co beauftragt, die Zugrestaurants und das Bordservice in mehreren Zügen zu betreuen. Die Züge verbanden München und Salzburg mit Budapest. Den Auftrag vergab Do & Co weiter an die eigene Tochtergesellschaft Henry am Zug in Österreich. Diese Firma reichte den Auftrag wieder an ein Subunternehmen weiter, die Henry am Zug Hungary Kft, die ihren Sitz in Ungarn hat. Die ungarischen Angestellten, die für dieses Unternehmen tätig waren, wurden nach ungarischen Bestimmungen angestellt, entlohnt und sozialversichert, obwohl sie die meiste Zeit in Österreich tätig waren. Das Unternehmen sparte sich damit einen Großteil der Lohnkosten. Konkret: Statt nach österreichischem Kollektivvertrag zumindest monatlich 1.500 Euro zu erhalten, wurden die Beschäftigten mit 500 Euro abgespeist. Lohndumping pur, das die Kassen des Unternehmens klingeln ließ. In Hochzeiten arbeiteten auf diese Weise immerhin bis zu 120 ArbeitnehmerInnen bei Henry am Zug.

500 Euro statt 1.500 Euro Monatslohn

Entzunden hatte sich der Rechtsstreit, als nach einer Untersuchung des Arbeitsinspektorats zahlreiche Rechtsverstöße durch Do & Co festgestellt wurden. Daraufhin brummte das zuständige Wiener Magistrat dem Unternehmen eine Millionenstrafe auf, weil die österreichischen Mindestlöhne nicht eingehalten wurden. Dagegen berief Geschäftsführer Michael Dobesberger, unterlag damit aber beim Bundesverwaltungsgericht. Darauf wandte sich Dobesberger an den EuGH. Und dieser entschied knapp vor Weihnachten: Alles korrekt im Sinne der Kapitalseite. Die Arbeitnehmer dürfen um 1.000 Euro unter österreichischem Kollektivvertrag bezahlt werden, weil ja das Aus- und Einladen der Getränke und Speisen in Ungarn erfolge. Dass 80% der Tätigkeiten auf österreichischem Territorium für einen österreichischen Auftraggeber ausgeübt wurden, interessierte die EU-Richter nicht weiter. Sie blieben damit ihrer konzernfreundlichen Rechtsprechung treu, die nationale Kollektivverträge Schritt für Schritt zugunsten des neoliberalen EU-Binnenmarkts auszuhöhlen. Bereits im September 2019 hatte der EuGH mit einer skandalösen Entscheidung in der Causa Andritz dem östereichischen Antidumping-Gesetz einen empfindlichen Schlag versetzt.

Weitreichende Konsequenzen

Die Konsequenzen des EuGH-Urteils könnten weitreichend sein. Wenn es reicht, dass jemand in einem Billiglohnland in den Zug oder Bus ein- bzw. aussteigt, dann könnte das Lohndumping bald auf andere Berufsgruppen überspringen: Lokomotivführer, Zugbegleiter, Buschauffeure, Reinigungspersonal, andere Caterer. Gerade die zunehmende Liberalisierung im Verkehrsbereich, die über diverse EU-Richtlinien durchgesetzt wird, öffnet dafür Tür und Tor. Die türkis-grüne Regierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm bekanntlich dafür ausgesprochen, diese Liberalisierung im Eisenbahnbereich zu forcieren.

Mit dem EuGH-Urteil droht – so Roman Hebenstreit, Chef der Transportgewerkschaft Vida - „Lohndrückerei zum europäisch sanktionierten Geschäftsmodell erhoben zu werden.“ Nachsatz des Gewerkschafters: „Dann braucht sich keiner wundern, wenn arbeitende Menschen zunehmend das Vertrauen in die EU verlieren." (Standard, 23.12.2020).

(Jänner 2020)