ImageEU will die Privatisierung Griechenlands nach dem Vorbild der Treuhandanstalt zur Abwicklung des Staatseigentums der DDR. Einmal mehr zeigt sich: Die einzig emanzipatorische Perspektive liegt im Austritt aus dem EU-Konkurrenzregime – für GriechenInnen genauso wie für ÖsterreicherInnen.


Der luxemburgische Ministerpräsident und Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean Claude Juncker, scheint Werkstatt-Blatt Leser zu sein. „Euro und Eurozone bedeuten Wiedervereinigung hoch 17.“· haben wir im Werkstatt-Blatt 04-2010 festgehalten. Freilich, was hier als Menetekel für die weit überwiegende Mehrheit der arbeitenden Menschen in der EU gedacht war, ist für Herrn Juncker Handlungsanleitung. Juncker schlägt „unseren griechischen Freunden“, eine Privatisierung nach dem Vorbild der Treuhandanstalt zur Abwicklung des Staatseigentums der DDR vor. Dazu soll eine regierungsunabhängige Privatisierungsagentur gegründet werden, in der auch ausländische Experten sitzen würden. „Die EU wird die Privatisierung so eng begleiten, als würden wir sie selbst durchführen“ so Juncker (Die Presse, 23. 5. 2011) Das sollten wir dem Herrn Juncker durchaus glauben.

Radikalstes neoliberales Programm

Zur Erinnerung: Die Privatisierung mittels Treuhandanstalt war eines der radikalsten neoliberalen Programme der vergangenen 30 Jahre. Viele Betriebe der ehemaligen DDR wurden von potentiellen Konkurrenten aufgekauft, einfach um sie stillzulegen. Es kam in weiterer Folge zu einer Deindustrialisierung ganzer Landstriche, einem nach wie vor andauernden sprunghaften Anstieg struktureller Arbeitslosigkeit und einem Verfall der gemeinschaftlichen Infrastruktur, der nach wie vor nicht aufgeholt wurde, trotz des Kohl'schen Versprechens „blühender Landstriche“. Manche Regionen der neuen Bundesländer leiden nach wie vor unter Bevölkerungsverlust. Aus gesamtdeutscher Perspektive mitunter noch bedeutsamer ist jedoch, die damit verbundene Verschiebung des gesamtgesellschaftlichen Kräfteverhältnisses. Auf dieser Grundlage konnte erst das Programm der· Abkoppelung der Löhne und Sozialleistungen von der Produktivitätsentwicklung unter der rot-grünen Regierung in der Radikalität durchgezogen werden, die aggressiven Begehrlichkeiten der deutschen Exportindustrie befriedigt werden.

Freilich wurde dafür auch ein politischer Preis gezahlt. Er fand sich in der Relation mit der die alten DDR-Mark konvertiert wurden, 1:2 anstatt der vorher üblichen 1:7. Damit wurden Millionen arbeitender Menschen zu Almosenempfängern degradiert. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Griechen ähnlich alimentiert werden, auch wenn dies die zivilgesellschaftlichen und gewerkschaftlichen Apologeten des EU-Konkurrenzregimes als die Lösungsperspektive verkaufen. Für die GriechInnen liegt ebenso wie für die ÖsterreicherInnen die einzig solidarische und emanzipatorische Perspektive im Austritt aus der Eurozone, der Wiedergewinnung der vollen Souveränität über die Geldpolitik als einem wichtigen Instrument der gesamtwirtschaftlichen Steuerung. Argentinien hat es 1998 vorgemacht, als es die fixe Bindung an den Dollar aufgegeben hat. Freilich ist das alles andere als Friede, Freude, Eierkuchen. Aber besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.

Solidarstaat statt EU-Konkurrenzregime!

Neoliberalismus ist keine Veranstaltung auf den Finanzmärkten. Er findet in den Fabriken, auf den Baustellen und in Büros statt. Durchgesetzt wird er über die Beschneidung des öffentlichen Sektors und das Freihandelsdogma im Allgemeinen bzw. den EU-Binnenmarkt im Besonderen. Die Turbulenzen auf den Finanzmärkten sind eine notwendige Nebenbedingung, genährt durch die Ungleichgewichte, die auch durch das EU-Binnenmarktregime katalysiert werden. Wie ÖGB-Funktionär Sepp Wall-Strasser im Standard vom 19.5.2011 zu behaupten: " .... denn es regieren die Spekulanten und Ratingagenturen.“ ist ein Spiel mit dem Feuer. Es führt uns direkt ·zur Göbbel'schen Dichotomie vom schaffenden und raffenden Kapital.

Und mit der Formulierung Wall-Strassers „Dann kommen die weltweit aktiven Anlegerspekulanten auf die Idee, nach den USA Europa abzugrasen“ sind wir nur noch einen kleinen Schritt vor der seinerzeitigen Erkenntnis, dass die „Ostküste“ (der USA) die Wurzel allen Übels sei. Mit diesen Ansagen wird der Aufstieg der politischen Rechten nicht gestoppt, sondern beflügelt. Nur um die Kollaboration der ÖGB-Führung bei der neoliberalen Zurichtung der Gesellschaft für die aggressive EU-Exportindustrie zu vertuschen. Deshalb: Raus aus der EU! Solidarstaat statt EU-Konkurrenzregime!

Boris Lechthaler-Zuljevic

Nähere Informationen siehe auch DOSSIER "Solidarsta.At statt EU-Konkurrenzregime!"