Die EU-Kommission macht Druck für das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen. Verlierer finden sich dies- und jenseits des Atlantiks. Während in Südamerika weitere Regen- und Trockenwälder für riesige Rinderfarmen gerodet werden, würde hierzulande den Familienbetrieben und besonders den Almbauern die Lebensgrundlage entzogen.
Noch hört man wenig über das geplante Freihandelsabkommen, das die EU mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur, dem die Länder Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay angehören, abschließen will. Die letzte, 32. Verhandlungsrunde fand vom 21. Februar bis 2. März 2018 statt. Der Prozess begann 1999 und wurde immer wieder für Jahre ausgesetzt. Da in Brasilien und Argentinien derzeit neoliberal gesinnte Regierungen an der Macht sind, soll EU-Mercosur jetzt rasch abgeschlossen werden. Die EU-Kommission hat ein starkes Interesse daran, die Verhandlungen vor den Wahlen in Brasilien im Herbst 2018 zu Ende zu bringen.
Sonderklagsrechte für Konzerne?
Wie bei TTIP, CETA, TiSA, JEFTA etc. passieren diese Verhandlungen hinter streng verschlossenen Türen. Ihr Ziel ist die Etablierung und Vertiefung von klassischen Freihandelsregeln (gegenseitiger Abbau von Einfuhrzöllen, die Ausweitung von Importquoten sowie der Abbau von weiteren Handelsschranken). Aber auch Dienstleistungen, Investitionen, Ausschreibungspflicht beim öffentlichen Beschaffungswesen, Patentrechte für Medikamente usw. sind in diesem Abkommen enthalten. „Mit dem Handelsabkommen soll auch ein effektiver und verbindlicher Streitbeilegungsmechanismus etabliert werden.“, kann man auf der Homepage der Österreichischen Wirtschaftskammer nachlesen. Wie man sich diesen vorzustellen hat, wird nicht näher erläutert, klingt aber für Menschen, die sich schon länger mit dem Thema Freihandel befassen, alarmierend, verbergen sich dahinter doch zumeist Sonderklagsrechte für Konzerne, die damit Staaten klagen können, wenn sie ihre Profiterwartungen durch Sozial- oder Umweltgesetze gefährdet sehen.
Verlierer: Kleinbauern dies- und jenseits des Atlantiks
Treibende Kraft hinter den vor fast 20 Jahren begonnenen Verhandlungen, die immer wieder ins Stocken gerieten, sind die europäischen Exportstaaten, allen voran Deutschland. Das Interesse der Mercosurstaaten liegt vor allem im Aushandeln besserer Einfuhrquoten in die EU für Rindfleisch, andere landwirtschaftlicher Produkte und mineralische Rohstoffe.
Zuletzt signalisierte die EU das Kontingent für zollfreie Rindfleischimporte von zuvor 70.000 auf 99.000 Tonnen anzuheben. Verlierer dabei wären die Kleinbauern dies- und jenseits des Atlantiks. Während in Südamerika weitere Regen- und Trockenwälder für riesige Rinderfarmen gerodet werden, würde hierzulande den Familienbetrieben und besonders den Almbauern die Lebensgrundlage entzogen.
Bedrohte Gesundheit
„Ein Abkommen mit solchen Inhalten tritt die Natur mit Füßen, missachtet die Rechte der Bauern hierzulande, aber auch die der indigenen, unterdrückten Bauern in Südamerika. Für Europa bedeutet das Abkommen eine Flutung der Märkte mit Gentech-Soja, mit Agro-Sprit sowie mit Fleisch zweifelhafter Herkunft und Qualität.“, schreibt Martin Häusling (Die Grünen/EFA) auf seiner Website.
Vor dem Hintergrund des „Gammelfleischskandals“ (in Brasilien haben mehrere Firmen verdorbenes Fleisch umetikettiert, gestreckt und mit Chemikalien bearbeitet, das dann von bestochenen Lebensmittelkontrolleuren als unbedenklich deklariert wurde) äußerte Elisabeth Köstinger, damals noch Lebensmittelsprecherin der ÖVP im EU-Parlament, vor einem Jahr: „Was wir aus Brasilien hören, ist besorgniserregend und führt zu einem großen Vertrauensverlust. Es geht hier um die öffentliche Gesundheit. Auf dieser Basis können wir nicht über ein Freihandelsabkommen weiterverhandeln.“ Inwieweit diese Aussage heute für die Bundesregierung noch relevant ist, weiß keiner.
EU-Pharma- und Autoindustrie drängen
Aber nicht nur unsere Gesundheit ist bedroht. Die EU fordert für ihre Pharmaindustrie eine Verschärfung des Patentrechts für Medikamente, und das heißt: größeren Schutz des intellektuellen Eigentums zu Gunsten ihrer Konzerne. Dies bedeutet in weiterer Folge einen starken Preisanstieg bei Medikamenten in den Mercosur-Staaten, obwohl sich sehr viele Menschen dort - wenn überhaupt - nur die kostengünstigen Generika leisten können. Die lokale Pharmaindustrie, die solche Medikamente derzeit herstellt und entwickelt, würde massiv eingeschränkt werden. Auch die Autoindustrie in Brasilien, die auf regionalen Absatz setzt, fürchtet die übermächtige Konkurrenz der EU-Konzerne.
Fakt ist, dass dieses und sämtliche andere Freihandelsabkommen für Konzerne und Großindustrielle massive Gewinne bedeuten, die „normalen“ Menschen und der Umweltschutz dabei aber enorme, nicht wieder rückgängig zu machende Nachteile in Kauf nehmen müssen. Die EU-Verträge sind derart abgefasst, dass „im großen Stil“ kaum Widerstand möglich ist. Noch können nationale Parlamente ein ernsthaftes Veto einlegen. Das hat Österreich bei CETA leider nicht getan. Deshalb ist unsere einzige Chance, in Zukunft derartige Freihandelsverträge zu verhindern, indem wir für eine Volksabstimmung über solche Freihandelsverträge kämpfen.
Susanne Müller
(April 2018)