ImageDas von der Regierung vorgelegte 26,5-Milliarden Spar- und Belastungspaket 2012 - 2016 ist asozial und zukunftsfeindlich; letztlich läuft es auf eine weitere Senkung von Löhnen und die Demontierung des Systems der Sozialversicherung hinaus. Der wirkliche Grund für dieses Belastungspaket ist nicht, weil die Verschuldung oder das Defizit explodiert, geschweige denn, dass es ein probates Mittel dagegen wäre. Der wirkliche Grund ist die vorauseilende Unterwerfung unter den EU-Fiskalpakt, der im März auf EU-Ebene beschlossen und dann in den nationalen Parlamente ratifiziert werden soll.

Jetzt Widerstand leisten gegen Sozialabbau und EU-Fiskalpakt! 

Das Gesamtvolumen dieses sog. „Konsolidierungspakets“ beträgt 26,5 Milliarden Euro in den Jahren 2012 bis 2016. Im Jahr 2016 soll damit ein „Konsolidierungsvolumen“ von über 9 Milliarden Euro (rd. 2,5% des BIP) gegenüber 2011 erreicht werden. Die Regierung selbst nennt es das „größte Konsolidierungsprogramm der Zweiten Republik“, das notwendig geworden sei zur „Umsetzung der Schuldenbremse“, die der zukünftige EU-Fiskalpakt verlange. „Ich bin stolz“, freut sich Finanzministerin Maria Fekter und auch ihr Vor-Vorgänger, der momentan ansonsten nicht viel zu lachen hat, darf sich freuen. Denn Grasser heißt jetzt Faymann. Der Kanzler jubiliert ganz im Stil des früheren blau-schwarzen Finanzministers: „Wir werden 2016 zum ersten Mal seit 50 Jahren ein Nulldefizit haben.“

Für den Großteil der Menschen in diesem Land gibt es freilich nicht den geringsten Grund zur Freude.


Zwei Drittel ausgabenseitig

Die ÖGB- und AK-Führung stimmte im Vorfeld der sogenannten „Schuldenbremse“ zu, mit der Begründung, dass man bei der Erstellung des Budgets der Schuldenbremse einnahmenseitig die „Giftzähne ziehen“ werde. Sprich: Nicht die ArbeitnehmerInnen, PensionistInnen usw. sollen über verstärkten Sozialabbau zur Kasse gebeten werden, sondern die Reichen und Vermögenden über höhere Steuern. Sollten die ÖGB-Funktionäre im Nationalrat jemals wirklich ernsthaft an ihre eigenen Argumente geglaubt haben, so zeigt dieser Budgetentwurf, dass sie damit hochkant gescheitert sind. Finanzministerin Fekter jubelt, dass 74% ausgabenseitig „konsolidiert“ werden und nur 26% über höhere Steuern. Diese Berechnung lässt sich zwar nicht ganz nachvollziehen, weil auch zusätzliche Einnahmen über die Sozialversicherung lukriert werden. Aber sicher ist: Zwei Drittel gehen zu Lasten der öffentlichen Ausgaben, maximal ein Drittel kommt über zusätzliche Einnahmen. Bei den zusätzlichen Einnahmen sind zudem zwei große Brocken (die Finanztransaktionssteuer und Abgeltungssteuer der Schweiz) in keiner Weise gesichert bzw. ausverhandelt. Nimmt man diese beiden Posten aus der Rechnung, dann kommt man den Berechnungen der Finanzministerin schon wieder sehr nahe.

87% auf Kosten der Masse der Bevölkerung

Eine solche Struktur muss die ärmeren Bevölkerungsgruppen, die viel stärker auf den Sozialstaat angewiesen sind, ungleich härter treffen, als die wohlhabenderen. Noch dramatischer sind die Ergebnisse, klopft man die Einsparungen bzw. Einnahmen danach ab, ob sie die Masse der Bevölkerung oder tatsächlich die obersten Einkommenklassen betreffen. Es gibt zwar einige vernünftige Maßnahmen, z.B. die Besteuerung von Umwidmungsgewinnen, den (bis 2016 befristeten) Solidarzuschlag für Spitzeneinkommen, die (sanfte) Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage in der Sozialversicherung und die Beschränkung der Verlustabschreibung bei der Gruppenbesteuerung von Kapitalgesellschaften. In Summe macht das gut 13% des Belastungspaketes aus. Die restlichen 87% schlagen aber mehr oder weniger auf die Masse der Bevölkerung durch. Auch in dieser Hinsicht sind die ÖGB- und AK-VertreterInnen völlig gescheitert.

Massive Lohn- und Pensionssenkungen

 

Die mit Abstand größten Brocken sind die Einsparungen bei Pensionen und Arbeitsmarkt (über 7 Milliarden); davon wiederum schlagen am meisten die geplanten Realeinkommensverluste von PensionistInnen zu Buche (2,6 Mrd.). 2013 sollen die PensionistInnen 1% Realeinkommensverluste hinnehmen, 2014 dann 0,8%. Das multipliziert sich dann in den Folgejahren entsprechend fort. Diese Pensionssenkungen sind nichts anderes als Lohnraub. Denn Pensionen sind keine sozialen Almosen, sondern erarbeitete Einkommen. Auch PensionistInnen haben damit Anspruch nicht nur auf Inflationsausgleich, sondern auf Beteiligung am Produktivitätswachstum, weil sie mit ihrer früheren Arbeit dafür ihren wirtschaftlichen Beitrag geleistet haben.

 

Auch die öffentlichen Bediensteten, in ihrer Masse alles andere als GroßverdienerInnen, kommen unter die Räder. 2013 soll es eine Nulllohnrunde, also massive Reallohnverluste geben, in den Folgejahren „moderate“ Erhöhungen, also unter der Inflationsrate. In Summe will man damit über eine Milliarde einsparen. SPÖ und ÖVP erweisen sich damit als brave Umsetzer des „Euro-Plus-Paktes“ (2011), der den Euro-Staaten „Lohnzurückhaltung“ im öffentlichen Sektor auferlegt. Zudem wird über den Einstellungsstopp die Qualität der öffentlichen Dienste verschlechtert.

 

Mehr Schikanen für Ältere – höhere Arbeitslosigkeit für die Jungen

 

Für ältere ArbeitnehmerInnen werden durch verschiedenen Verschlechterungen beim Zugang zur Pension (z.B. bei Korridorpension bzw. „Hacklerregelung“) die Schikanen der letzten „Pensionsreformen“ fortgesetzt. Schon jetzt gehen ein Drittel der ArbeitnehmerInnen aus der Arbeitslosigkeit in die Pension. Es ist absehbar, dass dieser Anteil weiter wachsen wird. Die Kündigungspönale von EUR 110,- wird wohl kaum einen Arbeitgeber von Kündigungen abhalten. Eine ähnliche Zunahme von Schikanen ist zu erwarten, wenn die Menschen von der I-Pension zum AMS umdirigiert werden.

 

Die hinter diesem Spar- und Belastungspaket stehende Politik ist klar: Nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen werden bekämpft. Selbsternannte „PensionsexpertInnen“, die ihr Leben lang nie aus dem warmen Büro rausgekommen sind, erklären Dachdeckern, Bauarbeitern, PflegehelferInnen und SchichtarbeiterInnen, dass es ja überhaupt kein Problem ist, bis 65 zu arbeiten. Hier will man offensichtlich doppelt sparen: Arbeitslose sind billiger als PensionistInnen, und die unteren sozialen Schichten der Bevölkerung haben ohnehin durchschnittlich eine um fünf Jahre kürzere Lebenserwartung als die höheren, erst recht wenn man sie in den letzten Jahren ihrer Erwerbstätigkeit durch Arbeitslosigkeit und/oder Leistungsdruck mürbe macht. Warum die Menschen gesünder werden sollen, wenn in diesem Belastungspaket gleichzeitig bei der Gesundheit gespart wird, konnten die Großkoalitionäre auch nicht schlüssig erklären. Immerhin sollen nicht näher aufgegliederte 1,4 Milliarden bei der sozialen Krankenversicherung und einige weitere Gesundheitsmilliarden über den Weg der Länder gestrichen werden. Schon jetzt laufen auf Länderebene massive Kürzungsprogramme im Gesundheitsbereich.

 

Aber nicht nur ältere, auch junge Menschen werden betroffen sein. Der AMS-Vorstand Johannes Kopf hat bereits öffentlich angekündigt, dass dieses Sparpaket zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit, insbesondere bei Jugendlichen führen wird. Dabei lag Ende 2011 die Arbeitslosigkeit der 20-24-Jährigen mit 10,5% bereits deutlich über dem Durchschnitt.

 

Sparen bei Zukunftsinvestitionen

 

Auch bei ökologische Zukunftsinvestitionen wird gespart. Zwar müssen mit Fug und Recht gewisse ÖBB-Tunnelprojekte angezweifelt werden, dass aber insgesamt um fast eine Milliarde bei Investitionen in die Schieneninfrastruktur gespart wird, ist angesichts der drohenden Klimakatastrophe einfach unverantwortlich. Wie dringend der Investitionsbedarf beim Öffentlichen Verkehr ist, zeigt alleine, dass es in Österreich auf Grund der maroden Schieneninfrastruktur 222 Langsamfahrstrecken gibt (zum Vergleich: in der Schweiz sind es sieben!).

 

Die geplanten Einschnitte bei den Förderungen gefährden auch die soziale Infrastruktur. Zu befürchten ist etwa, dass z.B. die Förderung des öffentlichen Wohnbaus weiter einknicken wird, sodass die Mieten noch rascher ansteigen (in den letzten 10 Jahren lag die Teuerung im Wohnbereich bereits beim doppelten der durchschnittlichen Inflation).


Aufbereitung der Privatisierung des Pensionssystems

 

Alarmieren sollten auch die nun einsetzenden sog. „Strukturreformen“ bei der Pensionsversicherung. Mit der Einrichtung eines sog. „Pensionskontos“ setzt die Regierung Maßnahmen, die die zukünftigen Pensionen weiter senken und eine Privatisierung des Pensionssystems erleichtern. Dass auch entsprechender Druck in diese Richtung von ganz oben erzeugt wird, bestätigt ein bislang weitgehend unbeachteter Passus des sog. EU-Six-Pack, mit dem im Vorjahr der EU-Stabilitätspakt verschärft worden war. Dort heißt es: „Bei der Bewertung der Einhaltung des Defizit- und Schuldenstandskriteriums und in den nachfolgenden Schritten des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit werden die Kommission und der Rat die Umsetzung von Rentenreformen, bei denen ein Mehrsäulen-System eingeführt wird, zu dem eine gesetzliche, vollständig kapitalgedeckte Säule gehört, und die Nettokosten der von der öffentlichen Hand finanzierten Säule angemessen berücksichtigen. Besonders zu berücksichtigen sind die Merkmale des im Zuge der Reform geschaffenen Altersvorsorgesystems insgesamt und vor allem die Frage, ob es zur langfristigen Tragfähigkeit beiträgt, ohne dabei die Risiken für die mittelfristige Haushaltslage zu erhöhen."  

Mit dem sog. „Pensionskonto“ können die zukünftigen Pensionsansprüche in die Staatsschuld eingerechnet werden, um den Druck zur Privatisierung der Pensionssystem zu verstärken. Die EU-Kommission macht in ihrem jüngsten „Weißbuch zu Pensionen“ nicht nur Werbung für die Anhebung des Pensionsalters auf 72, sie propagiert auch unverhohlen den Ausbau der privaten „kapitalgedeckten Pensionsvorsorge“. Dabei hat sich gerade in der tiefen Finanzkrise seit 2008 dramatisch gezeigt, dass diese privaten Pensionsfonds enorm krisenverschärfend wirken und viele Menschen innerhalb kürzester Zeit um großer Teile ihrer Privatpensionen gebracht wurden, während sich dagegen das staatliche Umlageverfahren als krisenresistent erwies.

“Zwei Jahre vor 1933“

Wenn auch nicht in der Dimension, so doch in der Richtung beschreitet dieses Belastungspaket den „griechischen Weg“: Abwürgen der Konjunktur durch Aushungern der öffentlichen Nachfrage, sinkende Massenkaufkraft und steigende Arbeitslosigkeit. Damit werden die Schulden letztlich nicht sinken, sondern – siehe Griechenland – weiter steigen, eine Spirale nach unten kommt in Gang. Wohin diese bereits einmal geführt hat, deutet Erhard Glötzl, früherer Direktor der Linz AG an: „Es ist nicht nur 5 Minuten vor 12, es ist bereits zwei Jahre vor 1933.“

 

Widerstand - Volksabstimmung für Selbstbestimmung!

 

Dieses Belastungspaket ist asozial und zukunftsfeindlich; letztlich läuft es auf eine weitere Senkung von Löhnen und die Demontierung des Systems der Sozialversicherung und steigende Arbeitslosigkeit hinaus. Es ist empörend, dass führende Vertreter von ÖGB, Arbeiterkammer und PensionistInnen-Vertretungen bereits ihre Zustimmung signalisiert haben. Was treibt Euch, so über die Interessen Eurer Mitglieder drüberzufahren? Was treibt Euch zu dieser Liebdienerei gegenüber Regierung und EU, die Wasser auf die Mühlen der extremen Rechten ist? Der wirkliche Grund für dieses Belastungspaket ist nicht, dass die Verschuldung oder das Defizit explodieren, geschweige denn, dass es ein probates Mittel dagegen wäre. Der wirkliche Grund ist die vorauseilende Unterwerfung unter den EU-Fiskalpakt, der im März auf EU-Ebene beschlossen und dann in den nationalen Parlamenten ratifiziert werden soll. Dieser EU-Fiskalpakt stellt Ländern, die sich nicht freiwillig per „Schuldenbremse“ dem strengen Brüsseler Sozialabbauregime unterordnen, die budgetäre Zwangsverwaltung in Aussicht. In der Lakaienlogik von Kanzler Faymann: „Wer sich an die Vorgaben des Paktes hält, bleibt souverän“. Sprich: Wenn wir uns selbst entmündigen, bleibt uns die Entmündigung durch die EU-Kommission erspart. Wer selbst die Axt an den Sozialstaat legt, dem wird das nicht mehr von Brüssel verordnet.

 

Wer dieser Alternative von Selbst- und Fremdentmündigung nichts abgewinnen kann, den/die rufen wir auf: Leisten wir gemeinsam Widerstand gegen Sozialabbau und EU-Fiskalpakt! Volksabstimmung für Selbstbestimmung!

Die Solidar-Werkstatt lädt ein zum Umzug Volksabstimmung für Selbstbestimmung
Keine Entmündigung – Kein EU-Budgetdiktat!

am Samstag, 3. März 2012, 11 Uhr

Treffpunkt: Europaplatz (beim Westbahnhof, Wien), Zug durch die Mariahilfer-Straße bis zum Museumsquartier

und danach ab 13:30 Uhr, ins Amerlinghaus, zum Plenum der Solidarwerkstatt zum Thema - Wie weiter gegen Schuldenbremse/EU-Fiskalpakt

Zum
NACHHÖREN: Sendung der Solidar-Werkstatt auf Radio FRO zum EU-Fiskalpakt und seinen Folgen.