arbeitszeit 150Die Debatte um die angeblich „zu hohen Lohn(neben)kosten“, die von Regierung, Industriellenorganisationen und FPÖ gleichermaßen beschworen wird, beruht nicht auf Fakten. Im Gegenteil: Diese Debatte soll verschleiern, dass in Österreich seit dem EU-Beitritt eine eklatante Umverteilung von unten nach oben stattgefunden hat. 

Drei Wochen Urlaub gestohlen! 

Grafik 1 Gewinne_Loehne

Umverteilung von Arbeit zu Kapital

Seit dem EU-Beitritt öffnet sich eine deutliche Schere zwischen Löhnen und Gehältern einerseits und Gewinnen andererseits (sh. Grafik Einkommen aus Gewinne und Vermögen). Addiert wurden seit Mitte der 90er Jahre über 150 Milliarden Euro, das entspricht fast dem halben Bruttoinlandsprodukt eines Jahres, in diesem Zeitraum von Arbeit zu Kapital umverteilt. Die Arbeiterkammer hat dazu eine interessante Berechnung angestellt. Hätte 2014 die Verteilung zwischen Arbeit und Kapital wie 1994 stattgefunden, hätte jede/r Arbeitnehmer/in 3.200 Euro (einschließlich Lohnnebenkosten) mehr bekommen. Das entspricht in etwa dem Wert von drei zusätzlichen Urlaubswochen, die den ArbeitnehmerInnen Jahr für Jahr vorenthalten werden.

Sinkende Lohnstückkosten

Die „Wettbewerbsfähigkeit“ bemisst sich nicht an der Höhe der Lohnkosten, sondern am Verhältnis der Lohnkosten zur Produktivität, den sog. Lohnstückkosten. Auch hier ergibt sich ein eindeutiges Bild: Zwischen 1995 und 2015 stiegen die Bruttolöhne je Arbeitsstunde real um 14%. Die Arbeitsproduktivität je Arbeitsstunde wuchs in diesem Zeitraum dagegen um 32%, also dem mehr als Doppelte (sh. Grafik Bruttolohn im Verhältnis zur Arbeitsproduktivität) .

Gewinnausschüttungen laufen Löhnen und Investitionen davon

Noch stärker als die Gewinne sind die Gewinnentnahmen der Kapitalgesellschaften nach oben geschnellt. Das vor kurzem von der AK veröffentlichtes Wertschöpfungsbarometer, das über 1.000 Groß- und Mittelbetriebe untersucht, belegt diese Entwicklung. Zwischen 2005 und 2015 stiegen die durchschnittlichen Pro-Kopf-Personalaufwendungen nominell um ca. 20%, die Gewinnausschüttungen an die Eigentümer jedoch um über 50%, also das Zweieinhalbfache. Für die Wirtschaftsentwicklung ist dieses Dividendenfeuerwerk offensichtlich kontraproduktiv, denn die Sachinvestitionen nahmen in diesem Zeitraum nominell gerade einmal um 10% zu. Inflationsbereinigt stagniert damit die Investitionsleistung (sh. Grafik, Zunahme der Sachinvestitionen). Zuletzt hat sich dieser Trend deutlich verstärkt. Von 2014 auf 2015 stiegen die Gewinnausschüttungen um das mehr als Vierfache (plus 9,6%) im Vergleich zu den Pro-Kopf-Personalaufwendungen (plus 2,3%). Über 71 Prozent, also fast drei Viertel aller Einkommen aus Gewinnausschüttungen und Zinsen, fließen an das oberste Zehntel der Haushalte.

Grafik 2ArbeiterInnen und kleine Selbständige stürzen ab

Auch der Einkommensbericht 2016 des Rechnungshofes zeigt auf, wer die HauptverliererInnen des neoliberalen EU-Regimes sind (sh. Grafik Realeinkommensentwicklung): 

  • Die Brutto-Realeinkommen aller Unselbständigen sanken zwischen 1997 und 2015 um 4%.
  • Das Brutto-Realeinkommen je ArbeiterIn sank zwischen 1997 und 2015 um 14%.
  • Dramatisch sind die Realeinkommensverluste im untersten Bereich der Unselbständigen. Das unterste Dezil (10% verdienen weniger, 90% verdienen mehr) stürzte um 35% ab; das unterste Dezil der ArbeiterInnen gar um 46%.

Neben dem deutlichen Sinken der Lohnquote in den letzten beiden Jahrzehnten ist für diese dramatischen Einkommensverluste vor allem der Anstieg der prekären Arbeitsverhältnisse, insbesondere der Teilzeitbeschäftigung, verantwortlich. Der Anteil der teilzeitbeschäftigten ArbeitnehmerInnen hat sich von 14,5% (1997)auf 28,2% (2015) nahezu verdoppelt. Wobei Teilzeitbeschäftigte auch die niedrigsten Stundenlöhne haben. Der mittlere (!) Stundenlohn von geringfügig Beschäftigten lag 2015 bei 8 Euro, jener des untersten Viertels (1. Quartil) bei 4,50 Euro!


Der Einkommensbericht des Rechnungshofes zeigt auch auf, dass nicht nur ArbeiterInnen, sondern auch kleine Selbständige zu den Hauptverlierern seit den 90er Jahren zählen. Die mittleren Einkommen der Selbständigen sind erschreckend niedrig. 2015 betrug das mittlere Monatseinkommen (Jahreszwölftel) der ausschließlich selbständig Erwerbstätigen 949,- Euro (Männer: 1.251 Euro, Frauen: 653,-) – nach Abzug der Sozialversicherung, aber vor Steuern. 

Grafik 3

Freilich muss man in Rechnung stellen, dass Selbständige mehr Spielräume bei der Einkommensermittlung haben als Unselbständige, aber diese Niedrigeinkommen dokumentieren, dass ein Großteil der Selbständigen selbst unter massiver Prekarität leiden, während im obersten Bereich bestens verdient wird. Ähnlich wie bei den ArbeiterInnen zeigt auch bei den Selbständigen die Einkommensentwicklung deutlich nach unten. Zwischen 1997und 2013 sanken die Realeinkommen der ausschließlich selbständig Erwerbstätigen um rd. 10%.

 

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