Wir brauchen eine sozialökologische Transformation und die friedenspolitischen Rahmenbedingungen, sie umzusetzen. Die Solidarwerkstatt Österreich stellt in 12 Themenbereichen Forderungen auf, die in der nächsten Legislaturperiode in Angriff genommen werden müssen. Denn: Widerstand braucht Perspektive!


Wir erleben gerade die längste wirtschaftliche Rezession seit Jahrzehnten. Gleichzeitig steigt das Budgetdefizit über die von der EU verordneten Limits. Von vielen Seiten ertönen Kassandrarufe: Es dürfe kein „Weiter wie bisher“ geben. Bei genauerem Blick zeigt sich: Das Manöver ist durchschaubar. Wie immer die kommende Bundesregierung zusammengesetzt ist – wahrscheinlich eine blau-schwarze - sie soll zu groben Einschnitten beim Sozialstaat und eine Revision von Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet werden. Dagegen muss eine breite zivilgesellschaftliche Mobilisierung in Angriff genommen werden.

Was sind die Gründe für die Rezession und das Budgetdefizit?

  • Die durch die Energiekrise ausgelöste Inflation wurde bei voller Achtung der Interessen der Vermögenden bekämpft. Die Mieten sind seit 2019 um 69% gestiegen. Anstatt die ärmeren Schichten gezielt zu unterstützen, wurde Geld in Kübeln über alle ausgeschüttet
  • Die letzten Steuerreformen (Familienbonus, Abschaffung der kalten Progression, Senkung der KöSt) begünstigen vor allem die Wohlhabenden. Diese horten nunmehr in der Rezession das Geld, anstatt es in den Wirtschaftskreislauf zu führen.
  • Die einseitige Ausrichtung großer Teile der österreichischen Industrie auf die exportgestützte deutsche Automobilindustrie rächt sich. Diese befindet sich in einer strukturellen Krise, aus der sie auch durch Kürzung der Lohn- und der sogenannten Lohnnebenkosten nicht herauskommen wird.

Wir brauchen eine sozialökologische Transformation und die friedenspolitischen Rahmenbedingungen, sie umzusetzen. Dringend. Die Klima-, Umwelt-, Sozialkrisen gewähren keinen Aufschub. Diese Transformation ist gleichzeitig eine gewaltige Chance zur Verbesserung der Lebensbedingungen für einen Großteil der Menschen. Die Solidarwerkstatt Österreich stellt in 12 Themenbereichen Forderungen auf, die in der nächsten Legislaturperiode in Angriff genommen werden müssen. Und der muss damit beginnen, sich aus der Unterordnung unter das EU-Konkurrenzregime zu befreien. Denn EU-Budgetdiktate, das Brüsseler Dogma von Freihandel und Kapitalverkehrsfreiheit oder die Pläne zur Erreichung einer „EU-Kriegswirtschaft“ sind mit einer sozialökologischen, friedensorientierten Wende unvereinbar. Aus der Differenz zur Realität des Regierungsprogrammes muss die Energie für eine politische Wende wachsen.

1) Gesundheit für alle statt Zwei-Klassen- Medizin:

Mehr CareWeg mit dem Gesundheitsdeckel, fünf zusätzliche Milliarden für das Gesundheitssystem, um den drängendsten Bedarf im niedergelassenen, ambulanten und stationären Bereich zu lindern. Insgesamt muss Gesundheitsvorbeugung endlich ausgebaut werden: 6. Urlaubswoche als Beitrag zur Prävention, schrittweise Umstellung auf gesunde Lebensmittel, Einführung einer Zuckersteuer, Einführung des Pflichtfaches „Gesunde Lebensweise“ in den Schulen, Förderung des Breitensports.

2) Umorientierung in der Pflege: 

Von einer Sozialleistung zu einer Gesundheitsleistung und damit zu einem Rechtsanspruch für jede/n auf diejenigen gemeinnützigen Pflegedienste, die er/sie braucht, ob Pflegeheim, mobile Dienste oder zu Hause. Abkehr vom Pflegegeld zu einem bedarfsorientierten Sachleistungsprinzip. Damit verbunden muss der Anspruch sein, pflegenden Angehörigen eine sozialversicherungs- und kollektivvertragspflichte Anstellung zu geben (z.B. bei Gemeinden oder gemeinnützigen Verbänden). Bis 2030 brauchen wir zusätzlich ca. 50.000 Pflegekräfte. Langfristig braucht es eine Pflegeversicherung entsprechend dem Sozialversicherungssystem.

3) Sozialer Wohnbau: 

Wohnen

Wohnen ist ein Grundbedürfnis! Schrittweise Anhebung der gemeinnützigen Wohnbauförderung auf das Niveau von Mitte der 90er Jahre (= zusätzlich 4 Milliarden pro Jahr) für Investitionen Gemeinnütziger Wohnbauvereinigungen und Gemeinden. Wiedereinführung der Zweckbindung des Wohnbauförderungsbeitrags. Vorrang ökologischer Sanierung und Nachverdichtung vor Neubau. Sozialverträgliche Regulierung des privaten Wohnungsmarktes: Einschränkung der Befristungen und bei den Zuschlägen, Mietpreisdeckel. Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Mieten.

4) Ökosoziale Verkehrswende: 

Oeffentlicher Verkehr

beginnt mit dem Ausbau eines flächendeckenden, dicht getakteten öffentlichen Verkehr, der insbesondere die Ballungsräume und ihr gesamtes Einzugsgebiet in der Fläche umfasst. Endziel: Die regionalen Zentren müssen in einem Viertelstundentakt verbunden sein, an Wochenenden und zu Tagesrandzeiten zumindest in einem Halbstundentakt. Dafür müssen jetzt die Weichen gestellt werden: Sondervermögen Öffentlicher Verkehr in der Höhe von 50 Milliarden Euro für die kommenden zwei Legislaturperioden. Darüber hinaus braucht es Mikro-ÖV, Radschnellverbindungen und Ausbau der autofreien Zonen in den Städten und Gemeinden. Das Klimaticket wird verbilligt, ein Pendlerticket wird eingeführt, das die Fahrt zur und von der Arbeit mit dem öffentlichen Verkehrsmittel gratis macht. Der LWK-Transitverkehr ist nach dem Vorbild der Schweiz zu bepreisen, auf die Schiene zu verlagern bzw. – insbesondere im Lebensmittelbereich – insgesamt zurückzudrängen. Stopp aller großen Straßenbau- und Flughafenprojekte (A26 und Ostautobahn in Linz, Lobau-Autobahn, Flughafen Wien-Schwechat…), Abschaffung der „Reichsgaragenordnung“, die immer noch verpflichtend in der Regel einen Stellplatz pro Wohnung vorsieht.

5) Einstieg in den Umstieg auf eine ökosoziale Landwirtschaft, 

Gesunde Ernährung

wo Bio nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist: Jeder hat das Recht auf gesunde Ernährung (sh. Punkt 1), unsere Böden brauchen dringend eine Entgiftung. Wir müssen die natürliche Regenerationsfähigkeit unserer Böden erlangen, das heißt ohne den massiven Einsatz chemisch-technischer Produkte von Düngemittel und Pestiziden auf Basis von fossilen Erdöl- und Erdgasderivaten. Die Regierung legt ein Programm vor, wie in den nächsten 10 Jahren der Ausstieg aus den Pestiziden gelingen kann, der auch den Import von Lebensmitteln umfasst. Schrittweiser Ausstieg aus der industriellen Landwirtschaft und Umstellung in Richtung Ernährungssouveränität; Ausstieg aus der Massentierhaltung beginnend mit einem schrittweisen Importverbot von Billigfleisch und genmanipulierten Lebensmitteln. Der Bodenverbrauch ist maximal zwei Hektar am Tag zu reduzieren. 

6) Klimafreundliche Energiewende 

Erneuerbare

fortsetzen mit dem Ziel einer weitgehenden Energieautarkie auf Grundlange erneuerbarer Energien: Es ist einerseits ein Sondervermögen bereitzustellen, um Investitionen in erneuerbare Energien zu fördern, und ein Regulativ zu erarbeiten, wie und wo diese ausgebaut wird (z.B. bundesweiter Plan zum Ausbau der Windenergie, Nutzung von öffentlichen Gebäuden für Photovoltaik). Andererseits muss der Energieverbrauch sozialverträglich reduziert werden: Programm zur umweltfreundlichen flächendeckenden thermischen Sanierung von Altbauten und entsprechende Vorschriften für den Neubau. 

7) Zukunftsfähige Industrie und Sozialwirtschaft: 

Die Industrie ist nicht nur schrittweise auf erneuerbare Energie umzustellen, entscheidend ist auch, den Output nachhaltig zu gestalten: die Transformation der Industrie von der Produktion von Autos und Autobestandteilen in Richtung öffentlicher Verkehr und nachhaltige Mobilität, die Reduktion der agroindustriellen und der petrochemischen Industrie durch Umstellung auf Bio-Landbau, langlebige Produkte und Vermeidung von Verpackungsmüll, der ökologische Umbau der Bauindustrie sollen durch eine Transformationsfonds und öffentliches Eigentum in industriellen Kernbereichen unterstützt werden. Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge. 

8) Bildung für alle: 

BildungDie Einführung einer gemeinsamen Schule aller bis zum 15. Lebensjahr ist eine Notwendigkeit, um allen einigermaßen gleiche Ausgangsvoraussetzungen zu gewährleisten. Das ist jedoch durch die Zwei-Drittel-Mehrheit blockiert. Eines kann aber sofort in die Wege geleitet werden: Durch eine sofortige Aufstockung des Lehrpersonals ist die Klassenschülerhöchstzahl auf 15 zu reduzieren, zwei LehrerInnen pro Klasse mit einem System von BetreuungspädagogInnen zu installieren. Flächendeckender Ausbau kostenloser Kinderbetreuung.

9) Armutsbekämpfung:

armut stoppenAls ein erster Schritt ist das Arbeitslosengeld auf 70% Nettoersatzrate zu erhöhen, die Sozialhilfe soll als Mindestsicherung vereinheitlicht und bundesweit auf ein existenzsicherndes Niveau angehoben werden. Der Mindestlohn ist auf 2400 Euro zu erhöhen. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik muss durch Umschulungs- und Weiterbildungsprogramme die ökosoziale Transformation bestmöglich unterstützen. Das AMS-Budget muss erhöht werden.

10 Aktive Friedens- und Neutralitätspolitik: 

Österreich verfolgt eine eigenständige Außenpolitik unabhängig von der EU, aufbauend auf Völkerrecht, Kooperation, Abrüstung, Engagement für Klimagerechtigkeit und friedliche Beilegung von Konflikten. Im Ukrainekrieg setzt sich Österreich für eine souveräne, ungeteilte und neutrale Ukraine als Friedensperspektive ein. Auf diese Weise werden Sicherheitsinteressen der Ukraine aber auch Russlands gewahrt. Dies erfordert den Rückzug Russlands hinter die Linien von 24.2.2022 und die Einsetzung einer UNO-Friedenstruppe für einen Übergangszeitraum, bis die Details auf dem Verhandlungstisch geklärt sind. In Gaza setzt sich Österreich für einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand ein; jede Lösung muss ein Ende der Apartheid beinhalten, wo allen Menschen in der Region „between the river and the sea“ dieselben Rechte und Pflichten gewährt werden. Österreich beendet die Rüstungsgeschäfte mit Israel.

Ausstieg aus der EU-Militarisierung und Nato-Anbindung: Ausstieg aus dem „Strategischen Kompass“ der EU, keine Teilnahme an Sky Shield und der schnellen EU-Eingreiftruppe, Ausstieg aus der EU-SSZ/Pesco, der EU-Rüstungsagentur, der EU-„Friedensfazilität“ und anderen Strukturen des EU-militärisch-industriellen Komplexes. 

11) Kampf gegen Rechtsextremismus und Ausweitung demokratischer Spielräume: 

antifa konkurrenzregime 2016

Kampf gegen den Rechtsextremismus, der gegen ein unabhängiges und demokratisches Österreich gerichtet ist und auf ein hochgerüstetes europäisches Imperium abzielt. Keine Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips in der Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Ausweitung demokratischer Spielräume, z.B. durch die Einleitung von Volksabstimmungen durch erfolgreiche Volksbegehren. Grund-, Menschen- und Freiheitsrechte und Minderheitenschutz müssen davon ausgenommen sein. Das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen muss einer Volksabstimmung unter zogen werden!

12) Finanzierung:
  • Keine neue Straßenbauprojekte, keine Aufrüstung des Bundesheeres für die EU-Militarisierung
  • Einführung von Vermögens- und Erbschaftssteuer, Erhöhung des Spitzensteuersatzes, Erhöhung der Körperschaftssteuer: insbesondere zur Finanzierung des Sondervermögens für eine ökosoziale Verkehrs- und Energiewende und den Transformationsfonds.
  • Wertschöpfungsbesteuerung insbesondere für die laufenden Ausgaben für Gesundheit, Pflege, Bildung, Soziales.

Grobe budgetäre Abschätzung dieses Programms:

Gesundheit.                     + 5 Mrd.
Pflege                                + 3 Mrd.
Verkehr.                            + 5 Mrd.
Wohnen.                           + 2 Mrd.
Soziales.                            + 1 Mrd.
Agrar, Energie.                 + 5 Mrd.
Transformationsfonds.  + 2 Mrd.
Bildung.                            + 3 Mrd.
Summe                          + 26 Mrd.

Finanziert wird das über: 

  • den Stopp der Aufrüstung des Bundesheeres und des Straßenbaus: 3 bis 4 Milliarde
  • Vermögenssteuern: 3 bis 4 Milliarden, 
  • Gewinnsteuern: 1 bis 2 Milliarden
  • wertschöpfungsbezogene Steuern und Abgaben: rd. 16 bis 19 Milliarden. Das sind
  • ca. 4 bis 5 Prozent der österreichischen Bruttowertschöpfung.
  • Mittelfristig erfolgt eine Konsolidierung des Budgets auch über die Reduzierung der Arbeitslosigkeit.

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