Dr. Mabanza beim Vortrag in LinzAuf Einladung der Solidarwerkstatt gemeinsam mit einer Reihe weiterer Organisationen hielt Dr. Boniface Mabanza am 7. Juni 2016 im vollen Cardjin-Haus in Linz einen beeindruckenden Vortrag zu den „European Partnership Agreements“ (EPA), den Freihandelsverträgen der EU mit den Staaten Afrikas, des karibischen und pazifischen Raums (AKP). Titel der Veranstaltung: „EPA – Ein Handelssystem wie Krieg gegen die Armen“.

Dr. Boniface Mabanza studierte Philosophie, Literaturwissenschaften und Theologie in Kinshasa (DR Kongo) und promovierte 2007 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. Dr. Mabanza ist Koordinator der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) in Heidelberg. Für seinen konsequenten Einsatz für afrikanische Perspektiven in Europa erhielt er im Juni 2015 den „Dorothee Sölle-Preis für aufrechten Gang“, den das Ökumenische Netzwerk „Initiative Kirche von unten“ vergibt.

Sein Vortrag zum „European Partnership Agreement“, den Freihandelsvertrag, den die EU mit den AKP-Staaten abschließen will und teilweise bereits abgeschlossen hat, fesselte die ZuhörerInnen. Anfangs zitierte Dr. Mabanza den früheren Präsidenten Tansanias, um die für afrikanische Länder fatale Logik solcher Freihandelsverträge auf den Punkt zu bringen: „Wir produzieren Dinge, die wir nicht konsumieren. Wir konsumieren Dinge, die wir nicht produzieren.“ Diese neoliberalen EPA-Verträge, auf die die EU drängt, haben vor allem ein Ziel: die AKP-Staaten daran zu hindern, ihre Märkte vor der übermächtigen EU-Konkurrenz zu schützen. Dr. Mabanza zeigte die Auswirkungen anhand von afrikanischen Staaten Afrikas auf:

- Billiges Fleisch, Tomaten, Milch und andere Agrarprodukte aus EU-Staaten überschwemmen die afrikanischen Märkte und zerstören dort die regionale Landwirtschaft.

- Der Aufbau einer eigenständigen Industrie wird verhindert bzw. wieder zunichte gemacht, da sie mit der übermächtigen EU-Industrie nicht konkurrenzfähig ist.

- Den afrikanischen Staaten entgehen durch den Wegfall von Zöllen wichtige Einnahmen, sodass die Armen noch weniger Zugang zu Gesundheit und Bildung haben. Die von der EU dafür in Aussicht gestellten Gelder aus EU-Töpfen entsprechen oftmals nur einem Bruchteil der Einnahmen, die dadurch wegbrechen.

Dr. Mabanza beim Vortrag in Linz

Freihandelsverträge zwingen Millionen zur Flucht

Letztlich – so Dr. Mabanza – geht es der EU mit diesen EPA-Verträge darum, die Länder Afrikas auf die Rolle als billige Rohstofflieferanten und Absatzmärkte für EU-Konzerne festzuschreiben, sie in Abhängigkeit von den ehemaligen europäischen Kolonialherren zu halten und gleichberechtigte Süd-Süd-Partnerschaften zu unterlaufen. Die Korrumpierung der afrikanischen Eliten dient diesem Zweck ebenso wie Kriege, wie etwa die monatelange Bombardierung Libyens im Jahr 2011. Doch auch ohne direkte Waffengewalt – so Dr. Mabanza – gilt: „Diese Handelsverträge sind Krieg.“ Denn sie vernichten die Existenzgrundlage von Millionen von Menschen, sie zwingen Millionen von Menschen zur Flucht, die dann zu Zehntausenden vor den Küsten Europas ertrinken.

„Ihr seid die Hoffnung“

Dr. Mabanza berichtete auch über den enormen Widerstand der afrikanischen Bevölkerung gegen diese Freihandelsverträge. Die EU wollte, dass die EPA-Verträge bis 2008 in Kraft treten. Doch der Widerstand hat dazu geführt, dass bis heute nur eine Minderzahl von AKP-Staaten diese tatsächlich unterschrieben haben. In Westafrika etwas hat das größte Land, Nigeria, eine Unterzeichnung bislang verweigert, in Zentralafrika hat nur Kamerun ein Interimsabkommen unterschrieben.

Immer wieder wurde aus dem Publikum die Frage gestellt, wie man diesen EPA-Abkommen entgegentreten könne. Die Antwort des Vortragenden: „Ihr seid die Hoffnung!“ Denn es braucht nicht nur den Widerstand in den AKP-Staaten, es braucht auch den Widerstand hier in den Staaten Europas. Dr. Mabanza wies darauf hin, dass Österreich durch die EU-Verträge seine Zuständigkeit für die Aushandlung solcher Verträge an die EU-Kommission abgegeben hat. Selbst bei der Ratifizierung können die Parlamente der EU-Staaten umgangen werden, indem diese Freihandelsverträge von der EU-Kommission „vorläufig angewendet“ werden. Er zeigte sich daher angetan von der Kampagne für eine Volksabstimmung in Österreich über Freihandelsverträge, damit sich die Bevölkerung die Entscheidung über solche weitreichenden Verträge wieder zurückholen kann.

Für Volksabstimmung über Freihandelsverträge wie EPA, CETA, TTIP, TiSA & Co

Die Moderatorin der Veranstaltung, Johanna Weichselbaumer von der Solidarwerkstatt, beschloss daher der die Veranstaltung mit den Worten: „Leisten wir genauso entschiedenen Widerstand gegen EPA wie gegen CETA, TTIP und TiSA! Setzen wir eine Volksabstimmung über diese Verträge durch!“ Zahlreiche BesucherInnen unterstützten diese Forderung bereits während der Veranstaltung durch ihre Unterschrift unter die parlamentarische Bürgerinitiative „Fairhandel(n) statt Frei(?)handel!". Über die Gründung eines Personenkomitees zu dieser Frage soll bei einem Treffen am 25. Juni beraten werden (13 Uhr, Veranstaltungsraum Waltherstraße 15, 4020 Linz).