Das EU-Freihandelsdiktat EPA (Economic Partnership Agreement) ist die sicherste und dauerhafteste Grundlage, um die Existenz von vielen Millionen Menschen zu ruinieren und viele von ihnen zur Flucht zu zwingen. Gerade die Jungen – Afrika hat einen Jugendanteil von 60% - werden hiermit um jede Zukunftsperspektive betrogen - ein Verbrechen ohne absehbares Ende.

Das EPA (Economic Partnership Agreement) ist ein, seit 2003 von der EU gefordertes Freihandelsabkommen mit den 80 AKP-Staaten (Afrika-Karibik-Pazifikstaaten), davon 50 Subsahara-Staaten, allesamt ehemalige europäische Kolonien. Im Juni 2000 wurde in Cotonou/Benin das Cotonou-Assoziierungsabkommen von allen damaligen EU-Mitgliedsstaaten und den Mitgliedsstaaten der AKP-Gruppen unterzeichnet. Basis für die daraus folgenden EPA-Verhandlungen war Art. 36 des Cotonou-Abkommens, in dem es heißt: Wirtschaftspartnerschaftsabkommen werden mit den AKP-Ländern unternommen, die sich in der Lage sehen dies zu tun. In dem von ihnen als angemessen empfundenen Umfang und im Einklang mit dem von der AKP-Gruppe festgelegten Verfahren und das unter Berücksichtigung der regionalen Integration in der AKP-Gruppe.

Das klingt zunächst gut, doch hinter dieser Maske wird ausschließlich mit der „Teile und herrsche“-Strategie gearbeitet.

Wie in allen anderen Freihandelsabkommen sind auch im EPA die Öffnung von Dienstleistungssektoren und ein umfassender Investorenschutz mit Investor-Staat-Schiedsverfahren enthalten. Darüber hinaus sind in diesem Abkommen verschiedene Klauseln enthalten. Es gibt die sogenannte „Stillstandsklausel“, die bedeutet, dass Zölle auf einem bestimmten Stand einfach eingefroren werden können. Die „Klausel zur nationalen Behandlung“ besagt, dass Produkte aus Afrika nicht anders behandelt werden dürfen als Produkte aus der EU. Das heißt, es gibt keinen Schutz mehr für die regionalen Produkte. Die „Meistbegünstigten-Klausel“ bedeutet, dass afrikanische Staaten zuerst die EU konsultieren müssen, wenn sie bessere Handelsbeziehungen mit anderen Partnern eingehen wollen. Mit dieser Klausel versucht die EU im Wettbewerb andere (USA, BRICS-Staaten,…) auszustechen.

33 von den betroffenen 50 Staaten zählen zu den LDC-Staaten (am wenigsten entwickelten, ärmsten).  Trotzdem werden sie gezwungen sich den Freihandelsstandards und Normen der Mächtigen anzupassen. Wie der frühere EU-Handelskommissar Karel De Gucht sagte: „Wir Europäer müssen globale Standards setzen damit es nicht andere für uns tun.“

Selbstermächtigung und eigenständige Entwicklungsschritte werden nicht zugelassen

In den letzten Jahrzehnten hat sich in der Bevölkerung Afrikas ein Bewusstsein entwickelt aus dem heraus sich Kräfte der Selbstermächtigung, zur Überwindung der Kolonialzeit und deren Folgen, herausbilden konnten, die eigene Projekte und Ziele anstrebten. Dessen Weiterentwicklung wurde immer wieder von imperialen Mächten mit allen Mitteln unterbunden. Die Ablöse erfolgte meist durch Militärs, die wiederum in europäischen Schulen ausgebildet wurden, jene die das Kolonialsystem verinnerlicht hatten und deren Privilegien nutzten. Jene, die den ausländischen Konzernen Tür und Tor öffneten, die Länder möglichst billig zu plündern und sich Grund und Boden anzueignen ohne Rücksicht auf Bevölkerung und Umwelt. Die beliebtesten Geschäftspartner auch der europäischen Konzernmächte. Unbeugsame, die dem Willen der Mächtigen des Westens entgegenstehen, von Lumumba, Sankara,  Gbagbo bis Gaddafi, werden einfach rücksichtslos beseitigt und sei es durch einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg wie in Libyen.

Seit den 1980iger Jahren wurde durch die Liberalisierung und dem strukturellem Anpassungsprogramm bereits eine fatale Marktöffnung erreicht. Wir alle kennen die Berichte und Bilder aus Westafrika und Kamerun von der Überschwemmung der dortigen Märkte mit billigsten, hochsubventionierten Hühnerkleinteilen, Trockenmilch, Tomatenpaste etc. aus der Überproduktion der EU-Länder. Die Geflügelproduktion in Ghana ist damals total zusammengebrochen, bis zu 100.000 Arbeitsplätze sind verloren gegangen, die Existenz tausender Kleinbauern wurde zerstört. Kamerun wehrte sich mit hohen Importzöllen, eine Option, die mit dem EPA nicht mehr möglich ist. Im Vergleich: Geflügelschlachtereien der EU exportierten im Jahr 2000 188.538 Tonnen, im Jahr 2010 196.446 Tonnen und 2012 bereits 464.059 Tonnen Geflügel an Staaten in Afrika. (1)

Mit EPAs soll nun die neoliberale Ausbeutung zugunsten der EU-Eliten und zum Ruin der Menschen Afrikas einbetoniert werden. Die wirtschaftsschwächeren Nationalökonomien Afrikas wären dann dem EU-Freihandelsregime schutzlos ausgeliefert. Durch den Abbau der Zölle auf ca. 80% der Waren, durch ein Verbot von Exportsteuern auf Rohstoffe würden die Staatshaushalte enorme Einnahmen verlieren. Der Aufbau von staatseigenen Industrien und die regionale Integration werden dadurch erschwert oder gänzlich verhindert. Staaten werden unter dem Druck der EU gegeneinander ausgespielt, wirtschaftlich ruiniert und neuer Zündstoff für Konflikte gelegt.

Der Widerstand der Zivilbevölkerung und einzelner Regierungen geht trotz allem ungebrochen weiter!

Nach dem Scheitern bis zur ersten Unterzeichnungs- und Beitrittsfrist bis 2008 wurde eine zweite Frist bis Oktober 2014 gesetzt. Der Terror seitens der EU gegenüber den AKP-Staaten erreichte in diesem Zeitraum ein enormes Ausmaß. Durch den anhaltenden Widerstand wurde seitens der EU nicht mehr regional verhandelt, sondern einzelne Staaten unter Druck gesetzt und bilaterale Freihandelsabkommen beschlossen. Z.B.: Kenia: Auf Kenias Exporte wurden solange bis zu 30% Strafzölle verhängt bis die Regierung durch die daraus resultierenden schwerwiegenden Folgen zum Aufgeben gezwungen war. Mit der Androhung von Strafen wie diesen wurden auch andere Staaten, wie Kamerun, Ghana und weitere erpresst. Auf der EU-Parlament-Service Webseite konnte man folgende Drohung nachlesen:  Die AKP-Staaten, die kein vollwertiges oder vorläufiges WPA unterzeichnet oder angewandt haben, haben ab 1.Oktober 2014 den bevorzugten Zugang zum EU-Markt verloren.

Doch diese Politik der Erpressung stößt auf Widerstand. Tansania ist der einzige Staat in der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC), der sich weiterhin der EU-Freihandelsdoktrin verweigert. Ex-Präsident Mkapa begründet dies folgendermaßen:

„Tansania ist Mitglied der LDC-Staaten und profitiert daher vom EBA-Abkommen (Everything but Arms), d.h. wir können bereits jetzt zoll- und quotenfrei in den EU-Markt exportieren. Würden wir das EPA unterschreiben müssten wir im Gegenzug unsere Märkte auch für EU-Produkte öffnen. Cirka 2/3 unserer Produkte würden ohne Zollschutz  mit Importen aus der EU in Konkurrenz treten. Statistiken belegen, dass Afrika selbst der Hauptmarkt für industriegefertigte Produkte aus der EAC-Region ist. 91% der derzeitigen Exporte in die EU machen Rohstoffe aus und minimale 6% industriegefertigte Produkte. Im Kontrast dazu beträgt der Anteil  der Fertiggüter-Lieferungen in afrikanische Länder 50% der Gesamtexporte. Das bedeutet, dass der Binnenmarkt für die Unterstützung der Industrialisierungsbemühungen der EAC äußerst wertvoll ist. Im Gegensatz dazu hat der EU-Markt kaum Bedeutung. Das WPA würde die derzeit aufblühende regionale Industrialisierung bedrohen, weil unsere Fertigprodukte dem EU-Wettbewerb nicht standhalten könnten und unsere Bemühungen um eine regionale wirtschaftliche Integration zerstören. All unsere Anstrengungen für einen gemeinsamen EAC-Markt würden stattdessen den kommerziellen Interessen der EU nützen. Wir würden der EU einen Marktplatz bieten, statt diesen Markt mit unseren eigenen Produzenten zu versorgen. (2)

Nigeria, der wirtschaftsstärkste Staat in der Westafrikanischen Gemeinschaft (ECOWAS), beugt sich ebenfalls nicht dem anhaltenden Druck und den Erpressungsmethoden der EU nicht. Wirtschaftsanwalt  Kennedy Ukaóha, Vertreter Nigerias bei den WTO-Verhandlungsrunden und Mitglied des Verhandlungsteams für ECOWAS zu den EPA-Verhandlungen bekräftigt dies, bei einer alternativen EPA-Konferenz mit folgenden Worten:

Die Verhandlungen sind von Anfang an von Geheimgesprächen und von Druck aus Brüssel geprägt gewesen. Übler noch: Die EPA-Verhandlungen und ihre Ergebnisse sind klare Indikatoren von falschen Versprechen. Die drei Hauptziele des Cotonou-Abkommens, der 'Mutter' aller EPAs, nämlich regionale Integration, Entwicklung und Armutsbekämpfung sind gänzlich verfehlt worden. Für die ECOWAS hat sich die regionale Integration sogar ins Gegenteil verkehrt, die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft bricht gerade auseinander.

Die EPAs führten, wenn sie jetzt implementiert werden würden, zu De-Industrialisierung, zu übermäßigem Wettbewerb, zu Verlusten an Arbeitsplätzen und Einkünften, zu Kapitalflucht, zum Anstieg von Armut und gewissermaßen zum Verlust von Souveränität und einer Zerstörung der Region. Aus diesen gewichtigen Gründen hat Nigeria seine Unterschrift nicht unter das Abkommen gesetzt, sondern verfolgt vielmehr eine eigene „Agenda des Fortschritts. Wir sollten Industrie entwickeln (…) wir wollen eine Perspektive für unsere Jugend anbieten. Wir wollen sicher sein, dass sie bei uns bleiben können. Wir wollen sicherstellen, dass sie nicht abhängig von Europa sind, nicht durch Wüsten gehen, über Berge steigen oder das Mittelmeer in einem Boot überqueren müssen.

Ich denke, die EPA-Verhandlungen laufen ganz, ganz schlecht, und ich denke, jeder Bürger dieser Welt sollte der Realität ins Gesicht schauen und die richtigen Fragen stellen: Warum laufen denn die Verhandlungen so, wie sie laufen? Ist das die Gegenseitigkeit, die uns versprochen worden ist? Ist das nicht das gleiche Europa, das Afrika kolonisiert hat?“ (3)

Diese Freihandelsverträge sind Krieg

Letztlich geht es darum, die Staaten Afrikas auf die Rolle als billige Rohstofflieferanten und Absatzmärkte für EU-Konzerne festzuschreiben, sie in Abhängigkeit von den ehemaligen europäischen Kolonialherren zu halten und gleichberechtigte  Süd-Süd-Partnerschaften zu unterlaufen. Die Korrumpierung der afrikanischen Eliten dient diesem Zweck ebenso wie Kriege. Doch auch ohne Waffengewalt sind diese Freihandelsverträge Krieg. Denn sie vernichten die Existenzgrundlage von Millionen von Menschen, zwingen Millionen zur Flucht, die dann zu Zehntausenden vor den Küsten Europas ertrinken.

Deshalb fordern wir von der österreichischen Bundesregierung und Nationalrat die sofortige Rücknahme bereits bestehender EPA-Abkommen und die sofortige Ablehnung aller weiteren EPA-Verhandlungen. 

Johanna Weichselbaumernein zu epa johanna (2.12.2018)

EU: Hände weg von Afrika!
Kundgebung gegen EU-Afrika-Gipfel
Mo, 17.1.2018
ab 18 Uhr, U1 Vorgartenstraße, 1020 Wien

Quellen:

1 https://info.brot-fuer-die-welt.de/sites/default/files/blog-downloads/1308_pm_fleischexporte_grafiken.pdf

2 https://afrika.info/newsroom/tansania-epa-die-rechnung-geht-einfach-nicht-auf/

3 https://info.brot-fuer-die-welt.de/sites/default/files/blog-downloads/1712_epa-konferenz-dokumentation_final.pdf