ImagePakt für Lohn- und Sozialabbau

Merkel und Sarkozy verschärfen das neoliberale Tempo in der EU. Die EU-Staaten sollen auf einen “Pakt für Wettbewerbsfähigkeit” eingeschworen werden. Hauptinhalt: Lohndumping und Sozialabbau. Grün-alternative GewerkschafterInnen rufen zu konsequenter EU-Opposition auf und selbst ÖGB-Funktionäre beginnen, die als EU “neoliberale Spielweise” zu erkennen.

 

In einer der größten außenpolitischen Zeitschriften Deutschlands wird Angela Merkel bereits als die „Kanzlerin der EU“ gefeiert, die gegenüber den anderen EU-Staaten eine „Richtlinienkompetenz“ durchgesetzt habe. Frankreichs Salrkozy dürfe ihr als „Vizekanzler“ assistieren. Tatsächlich setzen die deutschen Machteliten mit immer unverhohlenerer Brutalität die „Verschärfung des Neoliberalismus“ (J. Becker) gegenüber den anderen EU-Staaten durch. Seit dem Vorjahr geht es Schlag auf Schlag:

- Im Juni 2010 beschloss die EU auf deutsches Drängen das sog. „Europäische Semester“. D.h. ab 2011 werden den EU-Staaten von Seiten der Kommission und des Rats genaue Budgetvorgaben vorgelegt, die gewählten Parlamente werden zunehmend zu Nachvollzugsorganen der EU-Hochbürokratie degardiert.
- Im Herbst 2010 legte die EU-Kommission ein 6-Punkte umfassendes Legislativpaket zur Ver schärfung des Stabilitätspaktes vor. Darin sind enthalten die leichtere Durchsetzung von saftigen Geldstrafen gegenüber sog. „Defizitsündern“ sowie die Ausweitung der Gründe für Sanktionen. So soll auch „mangelnde Wettbewerbsfähigkeit“ zu Sanktionen führen können. Damit hätte Brüssel erstmals ein Instrument, um direkten Druck auf Löhne und Sozialleistungen auszuüben.
- Im Dezember 2010 einigten sich die EU-Staatschefs auf eine Veränderung des EU-Vertrags, der einen sog. Rettungsschirm auf EU-Ebene institutionalisiert, der – siehe Griechenland und Irland – die Profite der Banken und der Exportindustrie „rettet“, während die ohnedies sozial Benachteiligten den Gürtel noch enger schnallen müssen.
- Anfang 2011 erfolgte nun der nächste Paukenschlag. Die EU-Staatschefs mussten sich einen sog. „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ von „Kanzlerin Merkel“ und „Vizekanzler Sarkozy“ vor den Latz knallen lassen, der noch weiter geht als der Kommissionsvorschlag: Die Löhne und Gehälter sollen nicht mehr an die Abgeltung der Inflation gebunden werden dürfen, das Pensionsantrittsalter soll EU-weit diktiert werden können, alle EU-Staaten sollen zu einer automatischen „Schuldenbremse“ verpflichtet werden, wie sie Deutschland bereits in die Verfassung erhoben hat. Damit würde endgültig jeder Politik, die mit Hilfe des Staatshaushalts Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrisen entgegen wirkt, der Garaus gemacht werden.

Anfang März soll bei einem EU-Gipfel die Details dieses „Paktes für Wettbewerbsfähigkeit“ ausgearbeitet werden. Das autoritäre Muster dieser Politik ist klar: Über die EU-Ebene wird durchgesetzt, was in den einzelnen EU-Staaten kaum durchsetzbar wäre.

“Neoliberale Spielwiese.” Mittlerweile scheinen auch die Gewerkschaften immer mehr zu realisieren, dass die EU so gar nichts mit dem lange Zeit von ihnen propagierten „sozialen Europa“ zu tun hat. John Monks, Generalsekretär des EGB, warf in einem Brief am 11. Jänner der EU-Kommission vor “Druck zu machen, die Mindestlöhne und Pensionen zu kürzen”. Und selbst ÖGB-Chef Foglar, der noch 2009 gemeinsam mit der Industriellenvereinigung eine peinliche Pro-EU-Kampagne gestartet hatte, beginnt zu ernüchtern: „Alle Sonntagsreden darüber, dass die EU eine Union der Bürger ist und dass man näher an die Menschen will, die sind hinfällig, wenn die Kommission weiter alles dazu tut, die EU zu einer neoliberalen Sielwiese zu machen.“ Die Arbeiterkammer Wien beschloss im Herbst 2010 einen Antrag, in dem die Regierung aufgefordert wird, die Verschärfung des EU-Stabilitätspaktes zurückzuweisen. Markus Koza von den Alternativen und Grünen GewerkschafterInnen, die den Antrag gestellt hatten: „Die politische Linke und die Gewerkschaften werden ihr Verhältnis zu diesem Europa neu und vor allem deutlich kritischer bis klar ablehnend definieren müssen… Die EU ist definitiv nicht unser Europa.“ Denn: „Die EU führt schnurstracks in den autoritären Kapitalismus“.

Die Solidarwerkstatt teilt diese Befürchtungen der grün-alternativen GewerkschafterInnen. Norbert Bauer, Vorsitzender der Solidarwerkstatt und Betriebsratsvorsitzender einer großen Hotelkette, weist auf die strategische Konsequenz hin, die die Solidarwerkstatt daraus in ihrem Programm gezogen hat: „Ein auf sozialer Ungleichheit, ungehemmter Konkurrenz und militärischer Gewalt gründendes Europa gefährdet letztlich das friedliche Zusammenleben der Völker in Europa. Dieser Weg ist nicht zukunftstauglich. Wir wenden uns entschieden insgesamt gegen diesen eingeschlagenen Weg und fordern den Austritt aus der EU. Nicht weil wir gegen völkerverbindende Integration sind, sondern weil wir  wissen, dass die Erringung eines neutralen, solidarischen und weltoffenen Österreichs unabdingbare Voraussetzung dafür ist.“

 

 

Österreich: Arbeiterinnen haben seit dem EU-Beitritt am meisten verloren
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“Sehr verhalten”

Der Sozialbericht 2009-2010 des Sozialministeriums liefert einen interessanten Einblick, wie sich die Verteilung in Österreich seit dem EU-Beitritt entwickelt hat HauptverliererInnen seit dem EU-Beitritt sind die ArbeitnehmerInnen. Die durchschnittlichen Nettorealeinkommen (also inflationsbereinigt) der ArbeitnehmerInnen sind zwischen 1995 und 2008 um 2,6% gesunken. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt ist in diesem Zeitraum real um 32% gestiegen. D.h. es hat eine massive Umverteilung zugunsten der Gewinneinkommen stattgefunden. Besonders dramatische Einbußen gibt es in den unteren Lohngruppen.
- Die Realeinkommen (inflationsbereinigt) des 1. Quintils (=einkommensschwächsten 20 %) aller ArbeitnehmerInnen sind von 1995 bis 2008 um – 25 % brutto (- 22,4 %) gesunken.
- Im 2. Quintil sanken die realen Einkommen von 1998 bis 2008 um – 12,6 % (- 12,7 %)

Auch für die Frauen geht es seit dem EU-Beitritt wieder rückwärts. 1980 verdienten Arbeiterinnen 61,6% ihrer männlichen Kollegen, bis 1995 konnten sie auf 64,5% zulegen, doch 2008 lagen wie wieder bei 61,2%, also unter dem Stand von 1980. (sh. Grafik).

Auch das Sozialministerium muss angesichts dieser Zahlen etwas verschämt konstatieren, dass die reale Einkommensentwicklung bei den unselbständig Beschäftigten „seit Mitte der 90er Jahren sehr verhalten“ gewesen und eine „fast kontinuierlich Zunahme der Ungleichheit" zu verzeichnen sei.


kurz gemeldet:

Befehle

EU-Kommission, Europäische Zentralbank und IWF schwingen die Peitsche gegenüber Griechenland. Sie verlangen die Privatisierung von Staatsbetrieben in der Höhe von 15 Milliarden Euro bis Ende 2011 und weiteren 35 Milliarden Euro bis 2015. Selbst die griechische Regierung empfindet mittlerweile den Kasernenhofton, mit dem die EU mit ihr umspringt als „unannehmbar.“ "Wir haben auch Würde. Befehle erhalten wir nur vom griechischen Volk", so Regierungssprechers Petalotis.

Hausaufgaben

Auch Spanien wurde ein drakonisches Sparpaket von der EU-Kommission verordnet: Die staatlichen Investitionen werden um sechs Milliarden gekürzt, Sozialleistungen für Familien werden gestrichen, die Gehälter im Öffentlichen Dienst gesenkt und die Renten eingefroren, tausende Menschen im öffentlichen Dienst entlassen. Ein Streik der Fluglosten wurde mit Militärgewalt beendet. Die deutsche Kanzlerin Merkel zeigte sich über diese Folgsamkeit der spanischen Regierung erfreut: „Spanien hat seine Hausaufgaben gemacht und ist auf einen sehr guten Weg“ (El Pais, 4.2.2011), lobt sie den spanischen Kanzler Zapatero. Der spanische Nachhilfe-Schüler gelobte postwendend der deutschen Lehrerin, ihren „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ in den EU-Gremien zu unterstützen.