ImageIm folgenden Beitrag beschäftigt sich Carla Weinzierl kritisch mit den Auswirkungen der Freihandelsabkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten.

 
Angesichts des Stillstandes der WTO-Doha Runde w
ächst die Anzahl der bilateralen Freihandelsabkommen stetig. In diesem Kontext sind auch die Economic Partnership Agreements (EPAs) zu sehen, Freihandelsabkommen, die seit 2002 zwischen der EU und 7 AKP (Afrika, Karibik, Pazifik) Regionen ausgehandelt werden, in denen die EU gerade diejenigen Themen durchsetzt, die aufgrund des Widerstandes der sogenannten Entwicklungsländer überhaupt erst zum Scheitern der Doha Runde führten.(1) Die EPAs müssen weiters im Licht der geopolitischen und auf Wirtschaftswachstum ausgerichteten Strategien der EU, also Lissabon/Europe 2020 und der komplementären Außenhandelsstrategie Global Europe, gesehen werden, wodurch Brüssel die  europäische Wettbewerbsfähigkeit und EU Standortvorteile zu verbessern versucht. Um dies zu erreichen, gehen die Bestimmungen der EPAs teils weit über den Rahmen der WTO-Konformität hinaus, und inkludieren die sogenannten Singapur, oder WTO-Plus, Themen.

Die EPAs k
önnen jedoch desaströse Folgen haben für die AKP Länder, vor allem im Bereich der kleinbäuerlichen Landwirtschaft: sie erhöhen den Zugang europäischer Agrarexporteure zu AKP Märkten, während durch die hohen EU Subventionen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), europäische Agrarprodukte (vor allem Fleisch-, Milch-, und Getreideprodukte) zu äußerst niedrigen Preisen auf AKP Märkten angeboten werden können.(1) Dieser Verkauf von Produkten unter ihren Produktionskosten auf externen Märkten, stellt de facto Dumping dar. Trotzdem wird diese Praxis vom internationalen Handelsregime gebilligt, denn die WTO definiert Dumping als den Verkauf von Produkten auf nicht-heimischen Märkten unter dem heimischen Preis. Dies ist in der EU nicht der Fall, denn die heutige GAP basiert nicht auf Preisstützung (also höheren EU-Preisen) sondern auf Direktzahlungen an die Bäuerinnen und Bauern, um die Einkommensverluste aus niedrigen, an den Weltmarkt-Preisen orientierten EU-Preisen auszugleichen.(1)

Die EU Agrar- und Exportpolitik - selbst Resultat der Notwendigkeit den WTO-Standards zu entsprechen - wird dadurch allerdings im Mainstream-Diskurs nicht als sch
ädigend für den Globalen Süden verstanden, obwohl kritische Analysen der bereits abgeschlossenen Interim-EPAs, sowie die Geschichte des Freihandels zwischen wirtschaftlich und politisch ungleich starken Partnern die negativen Folgen klar aufzeigen.

Negative Auswirkungen auf die Ernährungssouveränität

Die EU Dumping-Produkte verdrängen lokale Kleinbäuerinnen und -bauern, die mit den künstlich niedrig gehaltenen Preisen nicht konkurrieren können und so ihre Lebensgrundlage verlieren.(1,2,3)Die sozialen Folgen sind verheerend; wenn lokale Produktionsstrukturen zerstört werden steigen ländliche Armut und damit auch Urbanisierungsdruck und Slumbildung.(1,2) Dem Mainstream-Diskurs zu Folge, hätten die EPAs jedoch durch erleichterten Zugang zu europäischen Märkten armutsreduzierende Effekte. Empirisch ist dies allerdings kaum der Fall, denn oftmals fehlt der Link zwischen der am verbesserten Marktzugang profitierenden Exportindustrie und den ärmsten Bevölkerungsschichten.(4)

In jedem Fall haben die Verdr
ängung lokaler Produktions- und Distributionssysteme, sowie Imagedie Auferlegung neoliberaler Handelspolitiken durch die EPAs negative Auswirkungen auf die Ernährungssouveränität, das Recht aller Völker auf eine selbstdefinierte Agrar- und Nahrungsmittelpolitik inklusive dem Recht auf Nahrung und dem Recht auf Selbstversorgung.(1) In anderen Worten schränken die EPAs den politischen Handlungsspielraum der AKP Staaten im Bereich der Agrar- und Handelspolitik stark ein. Während, weiters, in Zeiten der Überschussproduktion in Europa AKP Märkte so regelrecht von billigen Nahrungsmitteln überschwemmt werden, haben die Zerstörung lokaler Produktionsstrukturen durch ebendiese Billigprodukte und die damit einhergehende Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten negative Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit wenn die Agrarpreise international stark schwanken.(1)

Die Gefahren von starker Importabh
ängigkeit von Grundnahrungsmitteln, also der Einbindung lokaler Nahrungsmittelsysteme in Weltmärkte und globale Produktionsketten, wurden in der globalen Nahrungsmittelkrise 2007/08 erschreckend offensichtlich, als die Anzahl der hungernden Menschen, trotz global steigender und für die Weltbevölkerung ausreichender Agrarproduktion, auf über eine Milliarde anstieg. Auch die ökologischen Folgen der Abhängigkeit von EU Nahrungsmittelimporten in den AKP Ländern sind schwerwiegend, denn kleinbäuerliche Produktionssysteme sind maßgeblich im Erhalt der Agro-Biodiversität und sind umwelt- und ressourcenschonender, während die industrielle Agrarproduktion der EU stark zum Klimawandel beiträgt.(1)

Untergrabung der öffentlichen Budgets

Die EPAs wirken sich auch negativ auf die Budgets der AKP Staaten aus: die AKP Staaten verlieren durch die Handelsliberalisierung dringend benötigte Zolleinnahmen; dies erfordert weitreichende Steuerreformen, wobei die AKP angesichts der hohen Beschäftigung im informellen Sektor vor massiven Schwierigkeiten stehen. Durch die Untergrabung der AKP Steuersysteme, wobei Zolleinnahmen oftmals hohe Anteile ausmachen, werden auch erforderliche öffentliche Ausgaben in z.B. Gesundheits- und Bildungssysteme sowie Infrastrukturen erschwert. Somit stellen die EPAs auch klar eine Bedrohung für die Erreichung der Millenium Development Goals dar.(2,7) Schätzungen zufolge wird die EU außerdem aufgrund der durch die EPAs geöffneten Märkte positive Handelsbilanzen in hohen Summen verzeichnen, während die AKP Handelsdefizite mit der EU haben werden (5), wodurch die von der EU proklamierten positiven wirtschaftlichen Auswirkungen der EPAs für die AKP in Frage gestellt werden.

Auch der vermeintlich stark verbesserte Zugang der AKP zu EU M
ärkten ist stark übertrieben, angesichts der Macht der EU, gewisse Produkte aus den Liberalisierungsprozessen auszunehmen um eigene Produktionssysteme zu schützen (die Liste der sogenannten sensitiven Produkte), sowie aufgrund der nicht-tarifären Handelsbarrieren (z.B. Reinheitsvorschriften und Herkunftsbezeichnungen).(6)

Studien belegen weiters, dass die regionale Integration durch den Beitritt der 7 AKP Regionen zu den EPAs eingeschr
änkt wird und es zu einer Handelsverschiebung von AKP-Nachbarstaaten zur EU als Haupthandelspartner kommt.(8)

Ärmste am härtesten betroffen

Die Entwicklungsfeindlichkeit der EPAs wird besonders deutlich in Anbetracht des Reziprozitätserfordernisses, mit welchem sich durch die EPAs zum ersten mal auch die sogenannten Least Developed Countries konfrontiert sehen. Sie werden von den EPAs am härtesten getroffen, denn sie müssen relativ zur ökonomischen Entwicklung Handelsbarrieren am stärksten abbauen, profitieren allerdings nicht, da sie den durch die EPAs ermöglichten Marktzugang im Rahmen der Everything But Arms Initiative bereits genießen.(1)Warum unterzeichnen die AKP Staaten die EPAs dann eigentlich? Kritische politökonomische Analysen zeigen, das die AKP den EPAs nicht beitreten weil sie daraus große Vorteile ziehen, sondern um bereits existierende Handelspräferenzen abzusichern, die sie sonst verlieren würden - sie wählen also das geringere von zwei Übeln.(2,4,9,10)

Zusammenfassend werden die kurzfristigen positiven Auswirkungen der EPAs bezüglich verbessertem EU-Marktzugang die mittel- und langfristigen negativen Auswirkungen auf die Entwicklungsambitionen der AKP nicht ausgleichen.  

Carla Weinzierl


Quellen:

(1) Weinzierl, Carla (2014): Free Trade and Industrialization of Agriculture as Obstacles to Food Sovereignty. The Implications of the EU-ACP EPAs, the EU CAP and the Green Revolution for African Smallholders. Diplom-Arbeit, Universität Wien.
(2) Küblböck, Karin; Forster, Franziskus (2008): Die Economic Partnership Agreements (EPAs) mit Westafrika. Eine Zwischenbilanz. ÖFSE – Briefing Paper 2/2008. Wien: ÖFSE.
(3) De Schutter, Olivier (2011): The Common Agricultural Policy Towards 2020: The Role of the European Union in Supporting the Realization of the Right to Food. Comments and Recommendations by the United Nations Special Rapporteur on the Right to Food.http://www.iatp.org/files/CAP%20Reform%20Right%20to%20Food.pdf
(4) Mbatha, Nhlanhla; Charalambides, Nick (2008): What Is Really in the Economic Partnership Agreements for the Southern African Region? A Perspective from Botswana’s Beef Export Markets. In: Agrekon, Vol. 47, No. 4, 410–432.
(5) Sukati, Mmathabo (2012): The SADC Region and EPA/EBAI – Trade Balance Analysis. In: International Journal of Sustainable Economy, Vol. 4, No. 2, 136-154.
(6) Echessah, Protase (2007): Effects of EUs Common Agricultural Policy Reforms on Prospects For Eastern And Southern Africas Trade With the EU Under the Economic Partnership Agreements. AAAE Conference Proceedings, 529-536.
(7) Fontagné, Lionel; Laborde, David; Mitaritonna, Cristina (2010): An Impact Study of the Economic Partnership Agreements in the Six ACP Regions. In: Journal of African Economies, Vol. 20, No. 2, 179–216.
(8) Hurt, Stephen (2012): The EU–SADC Economic Partnership Agreement Negotiations: ‘locking In’ the Neoliberal Development Model in Southern Africa? In: Third World Quarterly, Vol. 33, No. 3, 495–510.
(9) Mahadevan, Renuka; Asafu-Adjaye, John (2010): The Implications of European Union Sugar Price Cuts, Economic Partnership Agreement, and Development Aid for Fiji. In: Contemporary Economic Policy, Vol. 28, No. 1, 52–64.
(10) Manger, Mark; Schadlen, Kenneth (2013): Political Trade Dependence and North-South Trade Agreements. In: International Studies Quarterly, 1-13.