ImageIm Ende des Vorjahres erschienen „Fiscal Stability Report 2012“ fordert die EU-Kommission von Österreich einen jährlichen "Primärüberschuss" in den öffentlichen Budget von 12 Milliarden. Dahinter verbirgt sich soziale Brutalität.

 

Kurz vor Weihnachten hat die EU-Kommission Österreich die Rute ins Fenster gestellt. Österreich gehöre mit seiner Finanzpolitik zu den „Risikogruppen“ in der EU, rügen die Kommissare im „Fiscal Stability Report 2012“ vom 18.12.2012. Um bis 2030 auf ein Schuldenniveau von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu kommen, müsse Österreich eine "permanente Verbesserung des Primärhaushaltes“ (d.h. Einnahmen minus Ausgaben ohne Zinsen) von 4,1 Prozent erreichen, heißt es in dem Bericht. Hinter diesem Technokraten-Sprech verbirgt sich soziale Brutalität.

Derzeit hält Österreich bei einem Primärüberschuss von 0,1%. D.h. die EU-Kommission will eine Verbesserung von 4%, das sind über den Daumen gepeilt zwölf Milliarden Euro - Jahr für Jahr. Zum Vergleich: Das entspricht in etwa einem Drittel der jährlichen Aufwendungen für die Alterspensionen oder der Hälfte alle öffentlichen Gesundheitsausgaben oder dem fast Fünffachen der jährlichen Ausgaben für Hochschulen und Universitäten, die „konsolidiert“ werden müssen. Das Bemerkenswerte: Ein Primärüberschusses von 4,1% entspricht dem Vielfachen dessen, das „notwendig“ wäre, um die - ohnehin höchst fragwürdigen - Defizit- und Verschuldenskriterien pflichtgemäß zu erfüllen, die im verschärften Stabilitätspakt bzw. dem EU-Fiskalpakt vorgegeben sind. Worum geht es dann? Offensichtlich um die Zerschlagung der sozialen Sicherheit, insbesondere der Sozialversicherung.

Im Frühjahr 2012 erklärte der Chef der Europäischen Zentralbank in einem Interview mit dem Wallstreet Journal (23.2.2012) den „europäischen Sozialstaat zum Auslaufmodell“. Die EU-Kommission liefert jetzt die konkreten Zahlen für diesen Masterplan.

Angriff auf Pensionen, Gesundheit und öffentliches Eigentum

Denn Hauptangriffspunkt im „Fiscal Stability Report“ sind die Ausgaben für Pensionen und Gesundheit. Die „Begründung“ dafür ist hanebüchen: Es drohe ein Anstieg der Ausgaben für Pensionen und Gesundheit von zusammen 4,8% gemessen am BIP bis 2060. Umgerechnet auf ein Jahr ist das ein Zuwachs von einem guten Promill! Dass ja keiner auf die Idee kommt, eine solche „Konsolidierung“ könnte auch einnahmenseitig erfolgen, gibt die Kommission auch gleich „Empfehlungen“ ab, wo Österreich zu sparen habe: Zunächst einmal müsse das Pensionsalter angehoben werden. Der EU-„Sozial“-Kommissar László Andor hat vor einigen Monaten bereits ein Pensionsantrittsalter von 70 bis 72 Jahren angedacht (Standard, 8.2.2012) Der OECD-„Experte“ Christopher Prinz  schlägt eine generelle Absenkung der Pensionen in Österreich um 20% vor (Standard, 26.12.2012). Es wird wohl nicht lange auf sich warten lassen, bis die Kommission diesen Ball dankend aufgreift.

Der nächste Bereich, wo Brüssel die Schere angesetzen will, ist der Gesundheitsbereich. Denn – so der Kommission-Report - das prognostizierte Wachstum der Gesundheitsausgaben (gemessen am BIP) bis zum Jahr 2060 (!) würde in Österreich um 0,8% (!) höher ausfallen als der EU-Durchschnitt. Höher als der EU-Durchschnitt bei den Gesundheitsausgaben zu sein, fällt mittlerweile übrigens ziemlich leicht. Im Jahr 2010 sind im EU-Durchschnitt die Ausgaben für Gesundheit um 0,6% gesunken sind, in Österreich sind sie dagegen „nur“ stagniert. Wie unerhört. Mit der mittlerweile akkordierten „Gesundheitsreform“ bekäme die EU-Kommission dann auch ein direktes Durchgriffsrecht auf den Gesundheitsbereich. (sh. Seite 5).

Und natürlich kann mit diesen 12-Milliarden Hammer Druck in Richtung Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen gemacht werden, auf die große Konzerne, wie z.B. im Wasserbereich, ohnehin ein begehrliches Auge richten.

Forderungen von EU-Kommission und FPÖ deckungsgleich

Angesichts dieses Großangriffs auf den Sozialstaat sollte man sich etwas Erinnerung rufen: Im Jahr 2009 stellte die Strache-FPÖ einen Antrag im Nationalrat, der genau ein solches 12 Milliarden-Sparpaket zum Inhalte hatte. Einmal mehr zeigt sich: Die extrem Rechten und die extrem Neoliberalen sind zwei Seiten einer Medaille. Ihr ideologisches Bindeglied: Sozialdarwinismus, der Hass auf die „Schwächeren“, die „Nicht-Markt-Konformen“. Die Rechtsextremen brauchen sich dabei freilich meist gar nicht die Hände schmutzig zu machen. Die Regierungsparteien arbeiten die neoliberalen EU-Vorgaben ohnehin fleißig ab– und die Rechten dürfen dabei sogar noch etwas Opposition simulieren. In dieser Zwickmühle sollen die Menschen entmutigt und gegeneinander ausgespielt werden, um sich ohnmächtig in den Verlust ihrer sozialen Errungenschaften zu fügen. Wer sich für einen Ausweg aus diesem Teufelskreis von Neoliberalismus und Rechtsextremismus engagieren will, ist herzlich eingeladen, bei der Solidar-Werkstatt mitzumachen.