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Doch die EU setzt weiter auf neoliberalen Freihandel, jüngstes Beispiel: das EU-Freihandelsabkommen mit Vietnam.

Die EU-Freihandelsverträge lassen sich jetzt nicht ungeachtet der dramatischen Entwicklungen, die durch das Virus Covid 19 ausgelöst wurden, betrachten. Davon sind auch viele andere, mindestens so wichtige Themen, gleichermaßen betroffen, wie z.B. die Lage der Flüchtlinge in und vor Griechenland oder das Gesundheitswesen eines Staates.
Trotzdem beschränke ich mich auf den Freihandel, denn das Ausbreiten des Coronavirus offenbart gravierend die Verletzlichkeit der schrankenlosen Globalisierung und die Vorteile funktionierender innerstaatlicher Versorgung.

Wieder Paralleljustiz für Konzerne

Im Schatten von Covid 19 ist auch völlig aus dem Blickpunkt geraten, dass wieder einmal höchstproblematische EU-Freihandelsabkommen, aktuell mit Vietnam, abgeschlossen wurden. Am 12. Februar 2020 hat das EU-Parlament für das Handels- und das Investitionsabkommen mit Vietnam gestimmt. Das Handelsabkommen könnte schon sehr rasch in Kraft treten, das Investitionsschutzabkommen muss noch im Laufe der Zeit von den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Bereits im Jänner warnten Renate Anderl (Präsidentin der AK) und Wolfgang Katzian (Präsident des ÖGB) in einem gemeinsamen Brief die EU-Abgeordneten vor den schwerwiegenden Folgen dieser Abkommen. Wie schon bei anderen (CETA, MERCOSUR,…) verhindern auch diese Verträge eine faire internationale Handelspolitik, schränken den Gestaltungsspielraum der Mitgliedsstaaten bei wichtigen Fragen des öffentlichen Interesses massiv ein und enthalten das zu Recht heftig kritisierte Sonderklagerecht für Konzerne (ISDS).

Das EU-Vietnam-Abkommen ignoriert (wieder einmal) völlig die dringenden Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, wie z.B. die Verringerung der sozialen Ungleichheit, die Förderung nachhaltiger Entwicklungen und die Eindämmung der Klima- bzw. Umweltkrise. Im „European Green Deal“, der Ende letzten Jahres von der EU-Kommission präsentiert wurde, wurden den Maßnahmen für Klimaschutz und für eine nachhaltige Entwicklung „oberste Priorität“ eingeräumt. Am 15. Jänner 2020 sprach sich das EU-Parlament diesbezüglich in einer Entschließung dafür aus, „dass alle internationalen Handels- und Investitionsabkommen starke, verbindliche und durchsetzbare Kapitel über nachhaltige Entwicklung – einschließlich Klima und Umwelt – enthalten sollen.“ Schön und gut! Trotzdem findet sich im Handelsabkommen zwischen der EU und Vietnam dazu leider nur ein völlig zahnloses Kapitel über nachhaltige Entwicklung, das vom Streitbeilegungsmechanismus ausgenommen ist. Notwendige gemeinsame Standards und konkrete Verpflichtungen zum Schutz und zur Durchsetzung internationaler Klima-, Umwelt-, Arbeits- und Menschenrechtsverpflichtungen sind ebenfalls nicht vorhanden.

EU-Agenda: Wirtschaftswachstum, Profitmaximierung…

Darüber hinaus wurde weder das Vorsorgeprinzip verbindlich verankert, noch lässt sich eine Liberalisierung der Dienstleistungen lückenlos ausschließen. Trotz langjähriger Kritik und Proteste der Zivilgesellschaft ist die globale Paralleljustiz für Konzerne (ISDS) erneut einzementiert worden…
Die einzige Agenda der EU ist Wirtschaftswachstum, Gewinnmaximierung (vor allem für Großbetriebe und Konzerne) und eine Kostensenkung im Gesundheits- und Sozialbereich um jeden Preis. Umwelt- oder ArbeitnehmerInnenschutz, geschweige denn wirklich fairer Handel mit Ländern, die genau einen solchen bitter benötigen würden, ist nicht Teil des Konzepts.

Lehren der Coronakrise

Durch die Coronakrise wird uns jetzt sehr deutlich vor Augen geführt, dass wir uns nicht einfach der EU bzw. dem freien Markt überlassen dürfen. Wenn die lokale Landwirtschaft, Nahversorger und kleinere Betriebe dem Freihandel geopfert, die Produktion von Medikamenten, Schutzkleidung oder –masken etc. aus Kostengründen ausgelagert werden, bzw. das Gesundheitssystem kaputtgespart wird (Fiskalpakt), gelangen wir sehr schnell an existenzbedrohliche Grenzen. Deshalb ist es wichtiger denn je, dass wir uns als „Zivilbevölkerung“ informieren, engagieren und von unserer Regierung bei derartigen (und anderen) wichtigen Themen eine Volksabstimmung fordern!

Susanne Müller
(März 2020)