Bundespräsident Van der Bellen hat angekündigt, mit seiner Unterschrift unter CETA zu warten, bis der EuGH die Frage geklärt habe, ob die Schiedsgerichte mit EU-Recht vereinbar seien. Was vordergründig als Erfolg des Widerstandes gegen CETA erscheint, ist im Grunde demokratiepolitisch und verfassungsrechtlich ein Rückwärtssalto im Kampf gegen neoliberale Freihandelsverträge.

Demokratiepolitisch ist es ein Rückwärtssalto, weil die österreichische Bevölkerung das Recht haben muss, über Verträge mit derart weitreichenden Auswirkungen selbst in einer Volksabstimmung zu entscheiden – und nicht ein schmaler Richterzirkel. Das ist umso mehr geboten, als der österreichischen Bevölkerung eine Volksabstimmung über den EU-Vertrag von Lissabon, der die Macht der EU-Kommission zur Aushandlung solcher Verträge erst in diesem Umfang ermöglichte, seinerzeit eine solche Volksabstimmung verweigert worden ist.

Elitäre Technokratenherrschaft…

Die Solidarwerkstatt hat in einem Offenen Brief, der von zahlreichen Menschen unterstützt wurde, den Bundespräsidenten aufgefordert: „Keine Ratifizierung von CETA ohne Volksabstimmung!“ Van der Bellen hat darauf nicht reagiert. Wohl auch weil er weiß, dass nicht nur demokratiepolitisch, sondern auch verfassungsrechtlich schwerwiegende Gründe für eine Volksabstimmung sprechen. Der Verfassungsrechtler Dr. Konrad Lachmayer hat in einer Studie im Auftrag der Arbeiterkammer darauf aufmerksam gemacht (=> LINK). Doch das kümmert den Bundespräsidenten, der auf die österreichische Verfassung angelobt wurde, nicht. „Sollte der EuGH entscheiden, dass CETA mit dem Unionsrecht vereinbar ist, werde ich den Staatsvertrag umgehend unterzeichnen", so Van der Bellen (Kurier, 11.7.2018). Ob die Bevölkerung diesen Vertrag, will, ob dieser Vertrag mit der österreichischen Verfassung vereinbar ist, ist ihm egal.

Van der Bellen ist die Souveränität des „Kleinstaats “ Österreich in einer Weise verhasst, wie es bislang vor allem für die deutschnationale Rechte charakteristisch war. Und die spendet Van der Bellen in Form des FPÖ-Chefs HC Strache umgehend Lob dafür, die Entscheidung über CETA an den EuGH delegiert zu haben. 15 RichterInnen sollen in einem Urteil anstelle von 6,4 Millionen wahlberechtigte ÖsterreicherInnen in einer Volksabstimmung entscheiden – das ist elitäre Technokratenherrschaft, wie sie VdB und HC offensichtlich gefällt.

… fördert Konzernmacht

Unabhängig davon, wie das EuGH-Urteil inhaltlich ausfällt, ist das ein demokratiepolitischer Rückwärtssalto der Sonderklasse. Aber auch inhaltlich bedeutet diese Aushöhlung der Demokratie eine weitere Stärkung der Konzernmacht. Denn nirgendwo sonst ist die Verpflichtung zu neoliberaler Wirtschaftspolitik und Freihandel so einbetoniert wie im EU-Primärrecht, das schließlich die Entscheidungsgrundlage der EuGH-RichterInnen darstellt. Nicht umsonst gilt der EuGH als Speerspitze des Neoliberalismus.

Volksabstimmung über CETA & Co!

Wer die Entscheidungskompetenz über so weitreichende Fragen an elitäre technokratische Zirkel abtritt, hat von vornherein verloren. Dutzende weiterer solcher EU-Freihandelsverträge sind bereits in der Pipeline. Wir sind überzeugt, dass wir den Widerstand von zwei klaren Positionen aus entwickeln müssen:
* Nicht in unserem Namen – d. h. Kein Mandat für die EU-Kommission, solche Freihandelsverträge für uns auszuhandeln!
* Nur in unserem Namen – d.h. die österreichische Bevölkerung muss das Recht haben, in Volksabstimmungen über Freihandelsverträge zu entscheiden!

Die Solidarwerkstatt sammelt nach wie vor Unterschriften unter eine Petition mit diesen beiden Forderungen. Unterschriftenformular bestellen bei Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder online hier .

Gerald Oberansmayr
(August 2018)