ImageTrotz der immer deutlicher werdenden Krisenauswirkungen beschließt die Regierung kein Konjunktur- sondern ein Sparpaket. Die EU-Kommission treibt diese krisenverschärfende Politik an und hat bereits gegen sechs EU-Staaten ein Defizitverfahren eingeleitet. Die Werkstatt bekräftigt die Forderungen nach einer solidarischen und demokratischen Wende und unterstützt die bundesweite Demonstration am 28. März in Wien.


Der Budgetexperte des Wifo Gerhard Lehner prognostiziert bereits für 2009 mit einem Budgetdefizit von 3,5% des Bruttoinlandsprodukts ein Überschreiten der Maastricht-Stabilitätsgrenze. Die Bundesregierung ging bei ihrer Budgetprognose mit einem Defizit von 2,2% des BIP von einer Rezession im Ausmaß von -0,1% des BIP aus. Optimistische Annahmen setzen jetzt die Rezession mit mindestens -0,5% des BIP an. Die rosigen Annahmen an der Jahreswende werden nicht halten. Selbst Finanzminister Pröll spricht bereits von einem Defizit in Höhe von 2,6% des BIP. Gaben sich Faymann und Pröll Ende des Jahres noch als agile Konjunkturonkels, ziehen sie in der Endrunde der Budgetverhandlungen die Bremse. Es fehlen alle Ansätze einer Umverteilung von oben nach unten und einer nennenswerten zukunftsgerichteten Investitionspolitik.

Bisher wurde hauptsächlich verkündet, in der Hoffnung die Frage der Bewältigung der Krise sei eine Frage der geschäftigen Verbreitung guter Stimmung. Verkündet wurde die Steuerreform. Sie gibt den Leuten nur einen Teil dessen zurück, was ihnen die kalte Progression in den letzten Jahren weggefressen hat. In absoluten Beträgen gerechnet gewinnen Besser- und HöchstverdienerInnen am deutlichsten. Die ersten Maßnahmen, die jetzt wirksam werden, bestehen in einer steuerlichen Investitionsförderung von Unternehmen in Höhe von 700-900 Mio EUR und der Verschrottungsprämie.

Angesichts der aktuellen BIP-Prognosen wird in der Endrunde der Budgetverhandlungen hinter den Polstertüren in der Himmelpfortgasse mit dem Rotstift drübergegangen. Z. B. steht die bereits paktierte Entlastung der Krankenkassen wieder zur Disposition bzw. wird an strikte Sparpläne gekoppelt. Bis zu einem Zehntel aller Nahverkehrszüge sollen gestrichen werden. Auch die geschäftige Debatte um neue Regeln für die Finanzmärkte kann nicht verdecken, dass gewaltige Sparpakete auf die Bevölkerung zukommen. Die Umverteilung von unten nach oben wird fortgesetzt. Bei Fortsetzung dieser Budgetpolitik wird die Bevölkerung die Hauptlast der Krise tragen müssen.

EU-Kommission und Risikoaufschläge

Die Bundesregierung ist mit ihrer Budgetplanung von zwei Seiten unter Druck und deshalb kaum zu einer antizyklischen Fiskalpolitik in der Lage. Da ist zunächst die Maastricht-Stabilitätsgrenze von 3% des BIP. Die EU-Kommission hat bereits gegen 6 Staaten Defizitverfahren eingeleitet. Die deutsche Kanzlerin hat den Beitrag Deutschlands zu internationalen Hilfspaketen von der Vorlage von Rückzahlungsplänen abhängig gemacht. Österreich bezahlt bereits jetzt Risikoaufschläge von 1,33% und mehr für die Refinanzierung seiner Staatsausgaben. Die Risken aufgrund des Engagements österreichischer Unternehmen und Banken in Osteuropa können diese Aufschläge weiter nach oben treiben. Die politische Durchsetzung einer restriktiven Budgetpolitik wird von den Finanzmärkten wirtschaftlich unterstützt. Einen Ausweg über Notenbankkredite gibt es dank EURO nicht. Während die Geldpolitik entlang der Stabilitätskriterien zentralisiert wurde, bleibt die Fiskalpolitik fragmentiert und wird ersterer in der Krise erst recht untergeordnet.

Die Bevölkerung wird die Zeche dafür bezahlen, dass sich eine politische Führung deshalb willfährig den Eurostabilitätskriterien unterordnet, weil sie mit den eingegangen Risiken uns alle in unmittelbare Abhängigkeit vom Willen und den Entscheidungen der großen europäischen Staaten, insbesondere Deutschlands gebracht haben. Die Debatte um einheitliche Regeln, Schließung von Steueroasen, Beschränkung von Managergehältern ist notwendig. Die Staats- und Regierungschefs diskutieren sie bei ihren Gipfeln, als wären sie selbst Opfer von und mutige Kämpfer gegen Piraterie und Wegelagerei. Sie selbst aber waren es, die über Jahre die Sozialbudgets zurückfuhren, Reiche und Besserverdienende entlasteten, öffentliche Dienste und Investitionen beschränkten. Sie förderten die rücksichtslose Konkurrenz am Arbeitsmarkt, liberalisierten, deregulierten und privatisierten, beteiligten sich z. B. über Cross Border Leasing am organisierten Steuerbetrug. Ihre gesamte Politik war auf die Schwächung der Lohneinkommen, die Beschränkung der öffentlichen Ausgaben und die Förderung der Gewinneinkommen gerichtet. Das wichtigste Instrument zu deren Durchsetzung war die EU-Integration Österreichs.

Eine solidarische und demokratische Wende ist notwendig

Die Werkstatt Frieden&Solidarität bekräftigt in der Endrunde der Budgetverhandlungen ihre Forderungen nach einer solidarischen und demokratischen Wende:
* Umverteilung von oben nach unten: Daher eine Steuerreform, die die unteren Einkommen entlastet und Spitzenverdiener, Konzerngewinne, Kapitalerträge und Vermögen stärker belastet.
* Demokratische Kontrolle aller Banken und Finanzinstitute: Der Staat darf nicht als share-holder-value Kapitalist agieren, sondern muß die Finanzierung langfristig, sozial und ökologisch nachhaltiger Investitionen sicherstellen.
* Privatisierungsstopp: Schutz der öffentlichen Dienste und strategischer Wirtschaftsbetriebe vor der Liberalisierungswut der EU-Kommission
* Mehr Geld zum Ausbau der Sozial- und Gesundheitsdienste, im Bereich der Bildung, Forschung und Kultur, zur Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs und der Stärkung umweltfreundlicher Technologien. Für ein kommunales Konjunkturprogramm
* Solidarische Organisation des Arbeitsmarktes - Allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich statt Kurzarbeit, deutliche Erhöhung der Nettoersatzrate im Falle von Arbeitslosigkeit
* Demokratische Erneuerung - mehr direkte Demokratie - Abbau des Überwachungsstaates

Norbert Bauer, Betriebsratsvorsitzender: "Es ist absurd, dass Sozialminister Hundstorfer die Notwendigkeit einer tiefgreifenden solidarischen Steuerreform auf die nächste Legislaturperiode verschiebt. Jetzt ist Krise! Jetzt muss den Menschen geholfen werden! Jetzt ist es Zeit für eine solidarische Wende!"

Elke Renner, Werkstatt Frieden & Solidarität Wien: "Was sich auf dem Bildungssektor abspielt, spottet jeder Beschreibung. Privatwirtschaftliche Kriterien nach EU - Konzepten erzeugen einen profitablen Bildungsmarkt und durchdringen das öffentliche Bildungswesen, Bildung kostet dem/der ÖsterreicherIn unverschämt viel, nur die Betuchten können sich als Bildungseliten fühlen, einem großen Teil der Bevölkerung bleibt ein Bildungsghetto. Die Konkurrenz wird immer härter, man muss es sich leisten können etwas zu leisten. Eine Wende zu einem demokratischen, emanzipatorischen Bildungswesen kann nur mit einer solidarischen Wende in Politik und Wirtschaft einhergehen."

Boris Lechthaler, Werkstatt Frieden&Solidarität: "Eine solidarische und demokratische Wende steht offensichtlich weder auf der Tagesordnung der G20 Anfang April in London noch der Bundesregierung. Im Gegenteil, in vielen Punkten wird diese Wende nur gegen deren Pläne und Absichten durchgesetzt werden können. Umso wichtiger ist, daß wir unsere Regierung und unser Parlament nicht aus der Verantwortung entlassen. Gestatten wir ihnen nicht, sich bei ihrer Belastungspolitik auf die unangetasteten neoliberalen Sachzwänge auszureden."

Werkstatt unterstützt Aktionstag am 28. März 2008

Die Werkstatt unterstützt die Initiative von Attac und anderer Organisationen zur Durchführung einer Demonstration am 28. März 2009 im Rahmen des internationalen Aktionstages gegen die Krise. Wir rufen dazu auf, diese Aktion nach Kräften zu unterstützen.


Die Entwicklung der "Initiative für eine demokratische Wende" ist gelinde gesagt ins Stocken geraten. Wir gingen zunächst davon aus, dass sich die Konferenz am 7. Februar 2009 in Linz auf 6 Forderungspakete verständigt hat, die von einer Redaktionsgruppe fertig ausgearbeitet werden. Wir mussten aber in Folge feststellen, dass selbst dies umstritten ist. Der Verlauf der Diskussion zeigt, dass es nicht bloß um irgendwelche stilistische Vorlieben geht. Es gibt offensichtlich grundsätzliche Differenzen in der Handlungsorientierung.

Die Werkstatt will in der Krise für die betroffene Mehrheit der Menschen hilfreich und nützlich sein, auch wenn wir mit unseren Forderungen für eine Wende in Widerspruch zu Regierung und Establishment - mit ihrer Unterordnung unter das EU-Binnenmarktregime - geraten. Mit einer breiten Bewegung wollen wir zu Selbsttätigkeit und Selbstorganisation der Betroffenen beitragen. Diese konkrete Zuspitzung ist bei der Konferenz am 7. Februar und danach auf Widerspruch gestoßen. Wir werden trotzdem an dieser Orientierung festhalten und werden in den nächsten Wochen dazu weitere Vorschläge einbringen.


Neue Broschüre der Werkstatt Frieden & Solidarität
Finanz-, Wirtschafts-, Demokratiekrise
Bausteine für eine demokratische Wende

bereits 2. erweitere Auflage

56 Seiten Broschüre zum Thema Finanz-, Wirtschafts-, Demokratiekrise, die nicht nur der Krisenanalyse sondern vor allem auch der Ermutigung zum Engagement für einen demokratischen und solidarischen Ausweg aus der Krise dienen.


Inhaltsüberblick siehe Werkstatt-Webpage

 

Hrsg.: Werkstatt Frieden & Solidarität, Preis: EUR 3,- (exkl. Versand)

zu bestellen bei Werkstatt Frieden & Solidarität, Waltherstr. 15, 4020 Linz, Tel. 0732/771094, Fax 0732/797391, e-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!