ImageBeiliegend ein Referat über Auswirkungen und Hintergründe der Wasserprivatisierung. Es stammt aus dem Jahr 2006, angesichts der aktuellen Vorstöße auf EU-Ebene ist es aber nach wie vor aktuell und aufschlussreich.


Rede von Gerald Oberansmayr (Solidar-Werkstatt) bei der Enquete des Steirischen Landtages zum Schutz des Wassers am 28. Juni 2006 in Graz


„Wasser wird für das 21. Jahrhundert, was Erdöl für das 20. Jahrhundert war.“

(Wirtschaftsmagazin Fortune, Mai 2000)

Der Markt für Wasser wird weltweit auf eine Billion Euro geschätzt. Entsprechend groß sind die Begehrlichkeiten von großen Konzernen, darauf zuzugreifen. Seit den 80er Jahren wird in zunehmend mehr Städten und Regionen die Wasserver- und -entsorgung durch private Konzerne übernommen. 1990 bezogen erst 51 Millionen Menschen ihr Trinkwasser von Privatanbietern, im Jahr 2002 schon 300 Millionen Menschen. Trotzdem bestreiten private Versorger weltweit nur etwa fünf Prozent der Versorgung, wobei die Mehrzahl der Kunden in den Industrieländern lebt. Nach Einschätzung der Weltbank soll der Privatisierungsgrad im Wassersektor in den nächsten 20 Jahren regelrecht explodieren: in den Industriestaaten auf bis zu 85 %, in den Entwicklungsländern wird nur in Lateinamerika ein Boom erwartet: von derzeit 10 Prozent auf 70 Prozent. Interessanterweise sind in den Industriestaaten derzeit keineswegs, wie man vielleicht vermuten möchte, die USA die führende Kraft bei der Privatisierung der Wasserwirtschaft, wo rund 15 % der Trinkwasserversorgung in privaten Händen sind, sondern die EU, wo es bereits 36 % sind, allen voran Frankreich mit einem Anteil von über 70 % und Großbritannien mit nahezu 90 %.

Im folgenden einige Erfahrungsberichte über die Privatisierung des Wassers.

Bolivien

Im Jahr 2000 wurde auf Druck der Weltbank das Wasser in der bolivianischen Region Cochabamba privatisiert und an den US-amerikanischen Konzern Bechtel übergeben. Per Gesetz wurden marktkonforme Rahmenbedingungen geschaffen:

  • es gab keine Verpflichtung zur Versorgung ländlicher Gebiete,

  • den Gemeinden wurde untersagt, Brunnen zu graben oder Wasser zu besteuern,

  • sogar die Benutzer bestehender Brunnen, egal ob öffentlich oder in Familienbesitz, mussten eine Gebühr entrichten,

  • ohne Sondererlaubnis wurde auch das Sammeln von Regenwasser unter Strafe gestellt. Image

Die Folgen: die ärmeren Familien zahlten plötzlich bis zu einem Drittel ihres Einkommens für das Wasser. Es kam zu wütenden Protesten der Bevölkerung und tagelangen Straßenschlachten, bei denen acht Menschen von der Polizei getötet und 175 verletzt wurden. Schließlich beugte sich die Stadtverwaltung dem Druck und widerrief den Privatisierungsvertrag. Bechtel strengte daraufhin eine Klage über 25 Millionen Dollar Schadenersatz bei der Weltbank an.

Die Wasserversorgung in El Alto und La Paz wurde vom französischen Konzern Suez gekauft. Der Konzern verlangte für einen Wasseranschluss umgerechnet vier Monatsgehälter, hunderttausende Menschen in den Armenvierteln sind ohne Wasseranschluss; die Preise wurden permanent erhöht, da dem Konzern 12 % Gewinn vertraglich zugesichert worden sind. Im Jahr 2005 kam es wieder zu Wasserrevolten, woraufhin auch Suez die Konzession entzogen wurde.

Südafrika

In Südafrika wurde Hunderttausenden der Wasserhahn abgedreht, seit die Wasserversorgung privatisiert worden ist. Im September 2002 erschoss die Polizei in Unicity bei Kapstadt 15 Menschen, als sie sich gegen die Wassersperrungen wehrten. Polizeihundertschaften und Sicherheitsdienste der privaten Firma brachen den Widerstand und kappten die Leitungen, ein ganzes Viertel wurde buchstäblich ausgetrocknet. In Durban kam es 2001 zu Massendemonstrationen gegen die Wasserpolitik. Menschen, deren Wasser abgestellt worden war, hatten aus öffentlichen Toilettenspülungen getrunken, Cholera und Typhus waren die Folge. Tausende Menschen starben an den Folgen dieser Erkrankungen.

Großbritannien

Gut dokumentiert sind die Ergebnisse der Privatisierung in Großbritannien, wo es bereits Ende der 80er Jahre zu einer radikalen Form der Privatisierung der Wasserversorgung gekommen ist. Die neuen privaten Gesellschaften erhielten zu einmaligen Konditionen den Besitz der Wasserwerke und Kläranlagen inklusive aller Leitungen, Kanalisationen, Grundstücke und Wasserrechte sowie ein Versorgungsmonopol über 25 Jahre.

Schon die Privatisierung stellte eine riesige Umverteilungsaktion dar: die zehn regionalen Wasser- und Abwasserunternehmen in England und Wales wurden zunächst mit Steuermitteln von über EUR 8 Milliarden entschuldet und mit einer weiteren Sonderzuwendung von rund EUR 2,6 Milliarden ausgestattet. Die Regierung setzte den Ausgabepreis der Aktien weit unter dem tatsächlichen Marktwert an, die Aktienkurse verfünffachten sich schon in der ersten Woche.

In der Folge stiegen die Preise für Wasser und Abwasser massiv, inflationsbereinigt stiegen die Wasserpreise zwischen 1989 und 1999 um 46 %. Gleichzeitig kletterten die Gewinne der Wasserunternehmen real um 142 % nach oben. Die Analysen der Regulierungsbehörde OFWAT zeigen, dass fast der gesamte Umsatzzuwachs als Dividende ausgeschüttet wurde - über EUR 6 Milliarden allein zwischen 1990 und 1997 - oder die massiven Gehaltserhöhungen im Wasserwerksmanagement finanzierte.

Als Folge der Privatisierung kam es insbesondere in den ersten Jahren nach der Privatisierung zu einem raschen Anstieg der Wasserabstellungen bei Haushalten, die die Rechnungen nicht mehr begleichen konnten. Die Anzahl verdreifachte sich in den ersten fünf Jahren auf über 21.000 und ist seither wieder rückläufig. Zwischen 1989 und 1992 reduzierte sich die Anzahl der Beschäftigten der zehn Wassergesellschaften in England und Wales von 50.000 auf 39.000 Mitarbeiter, mit weiter sinkender Tendenz.

London

Besonders groß ist der Unmut über die Folgen der Privatisierung im Großraum London. Auch hier wurde Ende der 80er Jahre privatisiert. Seit 1999 gehört Thames Water dem deutschen Energiekonzern RWE. Thames Water versorgt rund 8 Millionen Menschen bei Trinkwasser und 15 Millionen beim Abwasser. Die extreme Wasserknappheit ist nicht nur auf die besonders niederschlagsarmen Winter, sondern auch auf die zunehmende Verrottung der alten Leitungsnetze zurückzuführen. In einer Studie des Umweltkomitees der Londoner Stadtregierung aus dem Jahr 2005 wird u. a. folgendes festgestellt: Seit 1999 haben sich die Wasserverluste aufgrund lecker Leitungen um 43 % erhöht, das bedeutet, dass derzeit 40 % des Wassers verloren geht. In dieser Studie heißt es wörtlich:

„Der Wasserverlust in der Hauptstadt durch Leitungsschäden ist der höchste im Land. Beinahe 1.000 Millionen Liter Wasser gehen jeden Tag verloren, genug um 17 olympische Schwimmbecken jede Stunde zu füllen.“

Kritisiert wird in der Studie auch, dass in einzelnen Jahren bis zu einem Viertel der Einnahmen aus den Wassergebühren als Dividende an die Aktionäre abgeführt wurde. Derzeit weisen britische Medien empört darauf hin, dass im vergangenen Jahr die Dividendenausschüttung um 51 % nach oben schnellte, während gleichzeitig in den vergangenen beiden Jahren die Preise um 26 % stiegen. Große Probleme gibt es auch mit der Abwasserentsorgung: Bei Starkregen sind die Abwassersysteme überlastet, sodass die Abwässer direkt und ohne Klärung in die Themse abgelassen werden. Das geschieht ungefähr 50 Mal im Jahr. Wissenschaftler haben nun festgestellt, dass die Themse im Unterlauf dadurch bereits derart vergiftet ist, dass männliche Fische ihr Geschlecht ändern.

Nachdem die Regulierungsbehörde nun vermehrte Investitionen verlangt, die auf den Gewinn drücken, plant RWE den Rückzug aus Thames Water.

Frankreich

Die Privatisierung ging in Frankreich nicht so weit wie in Großbritannien. Die Gemeinden bleiben Eigentümer der materiellen Infrastruktur, die Wasserversorgung wird als Konzession vergeben. Doch auch hier sind die Folgen wenig erfreulich. In einer Studie des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft („Optionen, Chancen und Rahmenbedingungen einer Marktöffnung für eine nachhaltige Wasserversorgung“, Berlin 2001) heißt es zur französischen Wasserprivatisierung:

„Während die Wasserversorgung in den Städten überwiegend von privaten Anbietern übernommen wird, werden Wasserversorgungssysteme im ländlichen Raum zumeist von kommunalen Unternehmen betrieben [...] Die Wasserpreise in den von privaten Anbietern versorgten Gemeinden liegen im Durchschnitt 30 % über den Preisen in den von kommunalen Unternehmen versorgten Gemeinden [...] Berichte über Korruptionsskandale sowie die seit 1996 stark gestiegenen Preise beeinträchtigen die Akzeptanz privater Versorgungslösungen bei den Verbrauchern."

Die durchschnittlichen Wasserverluste im Wasserleitungsnetz liegen in Frankreich bei rund 20 %, in Großbritannien bei 25 %. Der Vergleichswert liegt in Österreich bei 9 %.

BRD und Niederlande

Auch in der BRD schreitet die Privatisierung der Wasserversorgung voran, allerdings ist die Ernüchterung bereits so groß, dass erste Privatisierungsverträge wieder storniert werden. 1997 verkaufte Potsdam 49 % seines Wasserbetriebs an eine Tochter von Suez. Drei Jahre später trennte man sich wieder. Der Konzern wollte die Preise um mehr als das Doppelte anheben. Auch in den Niederlanden wurde mit der Privatisierung des Wassers experimentiert. Als es jedoch zum Auftreten von Legionellen im Wasser kam, wurde die Privatisierung schlagartig unpopulär und die Regierung legte den Rückwärtsgang ein. Im Jahr 2000 wurde in den Niederlanden die Privatisierung von Wasser per Gesetz verboten.

USAImage

In Atlanta, der Hauptstadt von Georgia, beschloss die Stadtregierung 1997, die Wasserversorgung in private Hände zu legen, in die von United Waters, eine Tocher der französischen Suez. Es sollte ein Modellfall für tausende weitere Städte werden. Es wurde tatsächlich ein Modellfall - für das Scheitern der Privatisierung: Die Zahl der Arbeitsplätze wurde radikal gesenkt, daraufhin verschlechterte sich die Wasserqualität schlagartig; spektakuläre Rohrbrüche wurden bis zu 2 Monate nicht behoben; schon im ersten Jahr verlangte Suez 80 Millionen Dollar Aufzahlung, usw. usf.

Was für 20 Jahre gedacht war endete nach 6 Jahren: Atlanta legte 2003 die Wasserversorgung wieder in öffentliche Hände. Der republikanische Stadtrat Howard Shook meinte: „Eines ist sicher: Der Konservative in mir betet nicht mehr am Altar der Privatisierung, wie ich es einst vielleicht getan habe.“

Public Citizen, die größte Verbraucherschutz-Organisation der USA, zog folgendes Resümee: „Die Befürworter der Privatisierung hatten völlig Recht, als sie behaupteten, der Vertrag von Atlanta würde ein Modell für die Privatisierung von Wasserservices sein. Bei diesem Modell, wie in Atlanta eindrucksvoll illustriert wurde, machen Firmen Versprechen, die sie nicht halten können, in der Erwartung, der Stadt später einfach zusätzliche Leistungen in Rechnung stellen zu können [...] Die Firma wird zu ihrer konsumentenfeindlichen Strategie mit einem Langzeitvertrag ermutigt, der ihr ein Monopol auf Jahrzehnte sichert und die Verbraucher in Geiselhaft nimmt“ (zitiert aus: Michael Reimon, Christian Felber: Schwarzbuch Privatisierung, 2003).

Resümee

Drei Gründe sind ausschlaggebend, warum die Privatisierung des Wassers ein Irrweg ist:

1) Vernachlässigung der Infrastruktur: Der Zeithorizont der Wasserwirtschaft im Dienste einer flächendeckenden qualitativ hochstehenden Versorgung geht über Jahrzehnte, um die notwendige Infrastruktur nachhaltig abzusichern; der Zeithorizont privater Großkonzerne geht oft nur über wenige Jahre, manchmal nur bis zur nächsten Bilanz, da der Druck der Börse zu extrem kurzfristiger Verwertbarkeit drängt.

2) Entdemokratisierung: Die Wasserwirtschaft stellt ein natürliches Monopol dar, d. h. aus einem öffentlichen Monopol, das demokratisch beeinflussbar ist, wird rasch ein privates Monopol, das in erster Linie seinen Eigentümern verantwortlich ist. Auch der Einfluss von Regulierungsbehörden ist oft nur indirekt und ineffizient und mit hohen bürokratischen Kosten verbunden.

3) Zweiklassengesellschaft in der Wasserversorgung: Private Konzerne neigen zum „Rosinenpicken“. Private Konzerne weigern sich in Ländern der „3. Welt“, Armenviertel anzuschließen, weil sich die Leute die Anschlüsse nicht leisten können. Die Gleichmäßigkeit der Versorgung nach dem bislang geltenden Prinzip der Daseinsvorsorge wird aber auch in Europa in Frage gestellt. Regionen mit Wassermangel oder dünner Besiedelung sind nicht profitabel und daher für die privaten Betreiber uninteressant. Die Folge ist eine Zwei-Klassengesellschaft bei der Wasserversorgung, deren schärfste Form Wasserabsperrungen für jene sind, die sich die steigenden Wasserpreise nicht mehr leisten können.

Warum Privatisierung - Hintergründe

Warum wird weiterhin so viel Druck in Richtung Wasserprivatisierung gemacht, obwohl die bisherigen Erfahrungen derart ernüchternd sind. Drei Momente sind dafür verantwortlich:

1. Umverteilungspolitik der letzten Jahrzehnte: Pralle „Kriegskassen“ treffen auf leere Gemeindetöpfe

In den letzten Jahrzehnten ist es zu einer deutlichen Umverteilung hin zu den Gewinneinkommen gekommen. Und innerhalb der Gewinneinkommen weg von den Klein- und Mittelbetrieben hin zu den Gewinnen der großen Kapitalgesellschaften. Diese steigenden Gewinne führen jedoch nicht zu steigenden Investitionen, im Gegenteil: die Bereitschaft, die Gewinneinkommen real zu investieren, ist deutlich zurückgegangen. Kurz gesagt: die „Kriegskassen“ der Konzerne sind prall gefüllt, es wird immer stärker nicht mehr in die Erweiterung der Märkte sondern in den Aufkauf von Märkten investieren, d. h. enorme Mengen anlagesuchenden Kapitals drängen auf Übernahme anderer Unternehmungen und auf die Privatisierung profitabler öffentlicher Dienste.

Parallel dazu führt die Steuer- und Ausgabenpolitik zu einer Austrocknung der öffentlichen Haushalte. Sinkende Einnahmen einerseits, erhöhte Ausgaben auf Grund von wachsender Armut andererseits führen zu leeren Gemeindetöpfen. Dadurch sinkt die Investitionsbereitschaft der Gemeinden. In der BRD sind die Gemeindeinvestitionen von 33,5 Mrd. Euro (1992) auf 22,3 Mrd. (2002) geschrumpft. Auch in Österreich sind die Investitionen der Gemeinden von 1,4 % des Bruttoinlandsprodukts (1995) auf rund 1 % (2004) zurückgegangen. Das anlagesuchende private Kapital trifft daher oft auf die politische Bereitschaft, die leeren Gemeindefinanzen durch die Hereinnahme von privaten Kapital aufzufüllen.

2. Lobbying der EU-Konzerne

Der Wassermarkt ist hoch monopolisiert, etwa 20 Konzerne teilen sich weltweit den privaten Markt, führend sind die europäischen Konzerne. Die EU-Wasserwirtschaft hat ein geschätztes Umsatzvolumen von 80 Milliarden Euro, das ist größer als der Erdgasmarkt. Die sieben größten Wasserkonzerne der Welt kommen aus der EU, besser gesagt aus Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Allein die beiden größten - Veolia (früher Vivendi) und Suez - kontrollieren 50 % des Weltmarktanteils des privatisierten Wassermarktes. Die EU-Wasserkonzerne zusammen beherrschen über 70 % des Weltmarktes. Die Wassersparten sind in der Regel nur ein Teil dieser Konzerne, zumeist sind sie noch in Bereichen wie Energie, Stromversorgung, Abfallwirtschaft, Verkehr usw. tätig. Allein ein Konzern wie Veolia hat ein Umsatzvolumen, das in die Nähe des gesamtem BIP von Ungarn kommt. Die größten Drei haben ein Umsatzvolumen das dem addierten BIP von Ungarn, Slowenien, Slowakei und Tschechien nahekommt. Diese großen Konzerne stellen nicht nur eine große wirtschaftliche, sondern auch eine enorme politische Macht dar. Die EU-Kommission zählt zu den Hauptverbündeten dieser Konzerne.

3. Liberalisierungspolitik

Der frühere EU-Kommissar für Binnenmarkt und Steuern Frits Bolkestein hat die Strategie der EU-Kommission in Bezug auf den Wassermarkt klar dargelegt: „Man sollte mit der Öffnung des Marktes beginnen und den Verbrauchern eine Wahlmöglichkeit geben, und erst dann die Regierungen und Unternehmen über die Struktur entscheiden lassen, welche sie für die Unternehmenstätigkeit auf diesem Markt übernehmen möchten. Um es kurz zu fassen: Erst liberalisieren und anschließend, wenn Sie wollen, privatisieren“ (Rede vor dem Londoner Institute for Economic Affairs, 7.11.2002).

Der Schlüssel für die Liberalisierung ist es, die Gemeinden zur EU-weiten Ausschreibung der gemeindeeigenen Dienste zu verpflichten. Denn unter diesen Bedingungen hätten die kommunalen Betriebe wenig Chance sich gegen die privaten Giganten zu behaupten. Zum Vergleich: Das Umsatzvolumen von Konzernen wie Veolia ist fast 25 mal so groß wie das der Wiener Stadtwerke oder 120 mal so groß wie das der gemeindeeigenen Linz AG. Diese Konzerne können „strategische Preise“ zahlen, um sich den Zugriff auf die kommunalen Märkte zu sichern. Ulrich Cronauge, Geschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (BRD): „Ob Weißbuch zur Daseinsvorsorge oder tendenziöses Grünbuch zu öffentlich-rechtlichen Partnerschaften - das Ziel ist immer das gleiche: Das Vergaberecht solle ausgeweitet und mit dem Ziel verschärft werden, alle kommunalen Dienstleistungen einer obligatorischen Ausschreibungspflicht zu unterwerfen [...] Es käme zu einer enormen Konzentration wie in anderen Ländern mit Ausschreibungswettbewerb. Faktisch würde die gemeindliche Organisationshoheit beseitgt“. Das zeigt sich deutlich am Beispiel Frankreichs: Hier gibt es die Ausschreibungspflicht seit 1993; drei Unternehmen (Suez, Veolia Water und SAUR) kontrollieren mittlerweile 80 % des Wassermarktes.

Noch ist es nicht so weit, aber die EU-Kommission drängt in diese Richtung:

  • Die EU-Kommission kündigt in ihrer Binnenmarktstrategie 2003 bis 2006 an, „die rechtliche und administrative Situation im Wasser- und Abwassersektor zu prüfen, auch unter wettbewerblichen Gesichtspunkten“.

  • Im Weißbuch zu „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ betont die Kommission, dass auch für öffentliche Dienste das „Ziel eines offenen, wettbewerbsfähigen Binnenmarkts“ gelten soll. Die Wahlfreiheit der Gemeinden bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungen sollen „durch das Erfordernis Grenzen gesetzt [werden], dass der gewählte Finanzierungsmechanismus den Wettbewerb im Binnenmarkt nicht verzerren darf“. Ein entsprechendes Rahmengesetz, das alle öffentlichen Dienste einem Liberalisierungsgebot unterwirft, will die Kommission vorbereiten. Allerdings will die Kommission damit noch auf das Inkrafttreten der EU-Verfassung warten, da dann günstigere legistische Voraussetzungen dafür gegeben sind.

  • Liberalisierung von Daseinsfürsorge und Netzwerksdienstleistungen steht auch ganz oben bei der sog. Lissabon-Strategie. Aus dem Zwischenbericht 2004: „Schrittweise Liberalisierung von Märkten und netzgebundenen Industriezweigen, insbesondere der Gas- und Elektrizitätswirtschaft, der Postdienste, des Schienenverkehrs und des Luftverkehrs“. Alexander Gee, Mitarbeiter der Generaldirektion Wettbewerb der EU, weist in einem Interview mit Forum Gas Wasser Wärme (2/2004) darauf hin, dass auch die Wasserwirtschaft nicht geschont wird: „Die Binnenmarktstrategie 2003-2006 sagt, dass, wenn die EU bis 2010 die wettbewerbstärkste und dynamischste wissenbasierende Wirtschaft der Welt haben soll, sehr bald ein wirklich vereinter und integrierter Markt geschaffen werden muss. Überlegungen, wie die EU-Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln auf den Wassersektor angewendet werden können, dienen daher der Erreichung des Lissabon-Ziels“.

Unterstützung erhält die Kommission durch den EuGH: Dieser schränkt in seinen jüngsten Urteilen die Möglichkeiten für die Gemeinden zur sog. „Inhouse-Vergabe“ (direkte Vergabe öffentlicher Dienste an gemeindeeigene Unternehmen ohne Wettbewerb) deutlich ein. Selbst kleinste private Beteiligungen sollen bereits zur EU-weiten Ausschreibung verpflichten, sofern bestimmte Schwellenwerte überschritten werden.

Eine andere Ebene, über die die EU-Kommission die Liberalisierung der Wasserwirtschaft vorantreibt, ist die Ebene der Verhandlungen auf WTO-Ebene im Rahmen des GATS (General Agreement on Trade in Services). Das Canadian Centre for Policy Alternatives, eine der größten kanadischen NGOs, beschreibt diese Politik folgendermaßen: „Die Europäische Union forciert die Privatisierung des Wassers im Dienstleistungsabkommen GATS. Sie macht Druck, weil die großen drei Wasserkonzerne ja aus Europa kommen. Da sind Suez und Vivendi aus Frankreich und RWE aus Deutschland. Und diese drei kontrollieren den Großteil des privatisierten Wassers [...] Die EU-Kommission hat eine aggressivere Position in der Frage der Liberalisierung von Wasserdienstleistungen übernommen als irgendein anderes WTO-Mitglied“.

Entsprechend intim ist das Verhältnis der EU-Kommission zu den Wasserkonzernen. So hat das deutsche Fernsehmagazin Monitor (15.4.2004) einen E-Mail-Verkehr zwischen der Kommission und dem deutschen Energie- und Wasserkonzern RWE enthüllt. Die EU-Kommission fragt darin die Konzernführung an:
„Welche Länder sind für Sie von besonderem wirtschaftlichem Interesse?“
„Welche Beschränkungen der Regierung gibt es, die einen effektiven Marktzugang von Ihnen verhindern?“
„Welche Beschränkungen gibt es dort, Ihre Gewinne abzuziehen?“

Die Antwort des RWE-Konzerns stellte die Kommission offenbar zufrieden. Denn im Antwortmail der Kommission heißt es: „Vielen Dank [...] Ihre Hinweise waren sehr wertvoll. Wir werden sie auf jeden Fall bei den Verhandlungen beachten“.Image

Das waren keine leeren Worte. An nicht weniger als 109 Länder hat die EU-Kommission in den GATS-Verhandlungen Forderungen zur Öffnung der Märkte für privates EU-Kapital gestellt, darunter wird von 72 Ländern die Liberalisierung der Wasserwirtschaft gefordert. In einem geheimen GATS-Papier der Kommission heißt es unmissverständlich: „Wasserversorgung und Wasser für den menschlichen Gebrauch. Forderung: Vollständige Marktöffnung. Keine Zugangsbeschränkungen für Unternehmen“ (Monitor, 15.4.2006).

Damit verbunden ist auch die Absicht der EU, das Prinzip der Gegenseitigkeit in den GATS-Verhandlungen auf die Tagesordnung zu setzen. D. h. wenn die EU ihre Exportinteressen im Wasserbereich durchsetzen will, muss sie ihrerseits diese Bereiche öffnen. Damit werden zwei Fliegen auf einen Schlag erlegt: Nicht nur Drittstaaten müssten ihre Wassermärkte den privaten Wasserriesen öffnen, sondern auch die einzelnen EU-Mitgliedstaaten wären zur Öffnung ihrer Wassermärkte verpflichtet.

Ausblick: Öffentliches Eigentum in der Wasserwirtschaft in Verfassungsrang!

Wir müssen daher davon ausgehen, dass der Druck der EU-Kommission in Richtung Liberalisierung und Privatisierung der Wasserver- und Wasserentsorgung weitergehen wird. Die Kommission hat dabei durchaus Verbündete auf österreichischer Ebene. So hat etwa Landwirtschaftsminister Molterer erklärt: „Mittelfristig ist es für Österreich interessant, unter den Grundsätzen der Nachhaltigkeit auch einen ökonomischen Erfolg mit dem Wasser zu erzielen“ (Frankfurter Rundschau, 10.4.2001). In seiner Schublade liegt eine von ihm in Auftrag gegebene Studie der Beratungsfirma Price Waterhouse & Cooper, wo der Einstieg in Liberalisierung und Privatisierung in der österreichischen Wasserwirtschaft nahegelegt wird. Das entspricht auch den Forderungen der Industriellenvereinigung.

Ich halte es daher für notwendig, jetzt das öffentliche Eigentum in der österreichischen Wasserwirtschaft festzuzurren. Dafür gibt es Vorbilder. So ist z. B. das öffentliche Eigentum im Bereich der Elektrizitätswirtschaft in Form der 2. Verstaatlichtengesetzes im Verfassungsrang abgesichert. Ähnliches hat - mit Verweis auf den Liberalisierungsdruck aus Brüssel - die Wiener Landesregierung für die Wasserwirtschaft beschlossen. 2001 wurde in Wien das öffentliche Eigentum an den Quellgebieten und den städtischen Wasserversorgungsanlagen in Verfassungsrang erhoben. Ich denke, das ist der richtige Weg, und er sollte österreichweit beschritten werden.