ImageZwischen 2008 und 2011 machte die Telekom Austria in Summe einen Verlust von 11,5 Millionen. Im selben Zeitraum schüttete das Unternehmen 1.166 Millionen an Dividende an die Aktionäre aus. Nach dem Ausräumen geht es jetzt ans Verscherbeln.

„Die Telekom wird ausgeräumt wie eine Weihnachtsgans“, klagten bereits 2003 in den ersten Jahren nach der Teilprivatisierung die Betriebsräte bei der Telekom-Austria (1). Sie ahnten damals nicht, was in den weiteren Jahren noch folgen würde. Denn diese Entwicklung hat sich in den Jahren 2004 bis 2011 in einem beispiellosen Ausmaß beschleunigt (sh. Grafik). Die nackten Zahlen: In diesen acht Jahren wurde in Summe ein Gewinn (Jahresüberschuss) in der Höhe von 1.679 Millionen Euro erwirtschaftet, zugleich wurden in diesem Zeitraum 1.952 Millionen an Dividenden an die Aktionäre der Telekom ausgeschüttet. Einen Raubzug ohnegleichen an der Substanz des Unternehmens stellen vor allen die Jahre 2008 bis 2011 dar. In jedem Jahr wurde deutlich mehr an Geld an die Aktionäre ausgeschüttet als Gewinn erwirtschaftet, ja trotz zum teil deutlicher Verluste wurden die Eigentümer mit Telekom-Geld gemästet. In diesen vier Jahren zwischen 2008 und 2011 machte die Telekom in Summe einen Verlust von 11,5 Millionen Euro, zugleich wurden in diesen vier Jahren – bitte festhalten! – 1.166 Millionen an die Aktionäre ausgeschüttet!

ImageZum Nachrechnen: Das ist mehr als 100-fache dessen, was an VERLUST gemacht wurde, ist zugleich an GEWINNAUSSCHÜTTUNG an die Aktionäre weitergereicht worden! In diesem Zeitraum ist die Eigenkapitalquote von 38% (2004) auf etwas über 11% (2012) gesunken. Erst seit 2012 ist der Vorstand bei den Dividendengeschenken auf die Bremse gestiegen.

„Gezieltes Mobbing“
Die Verlierer dieses Raubzugs sind vor allem die Beschäftigten. Im Zuge der Telekom-Privatisierung wurden in Österreich rd. 10.000 Arbeitsplätze abgebaut. Ein vergiftetes Arbeitsklima sollte die oftmals beamteten MitarbeiterInnen zum „freiwilligen“ Ausscheiden bewegen. Ein Arbeitsmediziner, der über diese „unglaublichen Zustände“ in der Telekom schockiert war, wandte sich bereits vor Jahren an die Öffentlichkeit und berichtete von „gezieltem Mobbing“, das schon mehrere Telekom-MitarbeiterInnen in den Selbstmord getrieben habe (2). Der Vorstand dementierte zwar immer lautstark solche Vorwürfe, geriet aber in arge Verlegenheit, als ein Video vom Capital Market Day im Februar 2009 publik wurde, in dem ein Vorstandsmitglied die psychologische Kriegsführung erläuterte, mit der man unliebsame Mitarbeiter zu verabschieden gedenke.

Die Telekom ist ein Musterbeispiel, wie man mit einem Unternehmen umgeht, das man ruinieren möchte. Zuerst wird ausgeschlachtet, dann weiterverscherbelt. Zunächst bekommen die privaten Aktionären traumhafte Dividenden; dem Bund beschert das als – noch – 28% Eigentümer rasches Geld fürs Budget, um die strengen EU-Auflagen zu erfüllen. Doch nach einigen Jahren ist die Gans gerupft, sprich die Kapitaldecke so dünn, dass nach einem Großinvestor gerufen werden muss, der das Ruder übernehmen soll. Diese Entwicklung ist mit dem Syndikatsvertrag mit America Movil (AMX) des mexikanischen Multimilliardär Carlos Slim im heurigen Frühjahr offensichtlich in die Wege geleitet worden. Dieser Vertrag ist laut ÖIAG notwendig geworden, um den zusätzlichen Kapitalbedarf von rund einer Milliarde decken zu können. Wir erinnern uns: Mehr als eine Milliarde ist zwischen 2008 und 2011 trotz Verlusten ausgeschüttet worden.

America Movil verfügt bereits über 26% der TA-Aktien. Slim übernahm die Anteile an der Telekom Austria großteils vom österreichischen „Investor“ Ronny Pecik, der erst im September 2011 bei der Telekom Austria mit 20 Prozent eingestiegen war. Eine ähnlich zwielichtige Rolle hatte Pecik beim Verkauf der VA Tech an Siemens gespielt, wo er ebenfalls mit seinem damaligen Kompagnon Mirko Kovacs als „Investor“ groß eingestiegen war, um sich wenig später faktisch als Strohmann für einen ausländischen Großkonzern zu entpuppen.

„Eine reine Ausverkaufsgesellschaft“

Mit diesem Syndikatsvertrag zwischen ÖIAG und AMX geht die industrielle Führung an den Telekom-Konzern America Movil über, das weltweit neuntgrößte Telekommunikationsunternehmen, der sich vor allem für das Osteuropageschäft der Telekom Austria interessiert. America Movil stellt acht Kapitalvertreter im Aufsichtsrat, die ÖIAG nur mehr zwei. AK-Direktor Muhm kritisiert: “Die AMX wird künftig die Telekom Austria beherrschen. Dem von der ÖIAG bestellten Generaldirektor kommt maximal die Rolle eines Frühstücksdirektors zu”, so Muhm (3). Nach zehn Jahren hat America Movil überhaupt freie Hand, die Telekom komplett zu übernehmen. Auch der Vertreter der Kleinaktionäre Wilhelm Rasinger spricht von einem „Unterwerfungsvertrag“.

Empört sind auch die Telekom-Betriebsräte. Walter Hotz, Betriebsratschef der Telekom: „Investitionen, Arbeitsplätze, Infrastruktur, Katastrophenschutz - alles Themen, die uns wichtig sind. Die kommen in dem Vertrag praktisch nicht vor.“ So heißt es im Vertrag, dass sich America Movil verpflichte, die A1-Telekom-Infrastruktur in Österreich „im europäischen Durchschnitt zu halten.“ Dazu Betriebsrat Hotz: „Wissen Sie, was das heißt? Nichts. Und was heißt das für die so notwendigen Investitionen ins Breitbandnetz Österreichs? Nichts.“ Hotz weiter: „Anstelle einer vernünftigen Industriepolitik“ gebe es nur mehr ein Motto: „Privatisierung, privatisieren, privatisieren. … Was ist die ÖIAG heute? Eine reine Ausverkaufsgesellschaft.“ (4)

„EU-Musterschüler der Liberalisierung“

ImageWie konnte es soweit kommen, dass die Telekom zunächst derart unverschämt zugunsten der Aktionäre ausgeschlachtet wurde, um das Unternehmen nun unter das Kommando eines mexikanischen Multimilliardärs zu stellen? In der Zeitung „Arbeit & Wirtschaft“, herausgegeben von ÖGB und Arbeiterkammer, finden wir eine zutreffende Analyse der Hintergründe dieser Misere: „Eingeleitet wurde die Entwicklung nicht zuletzt durch den Beitritt Österreichs zum EWR und zur EU. So schreibt die EU auch im Post- und Telekomsektor die schrittweise volle Liberalisierung, sprich: Deregulierung und Privatisierung, aller Postdienste vor. Basis der Umsetzung in Österreich bildet das bereits von der SPÖ-ÖVP-Koalition verabschiedete Poststrukturgesetz 1996. Danach erfolgte die Ausgliederung der einstigen Post- und Telegraphenverwaltung zunächst in die Post und Telekom Austria AG (PTA) und die Bildung der Holdinggesellschaft Post- und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (PTBG). … Mit dem ÖIAG-Gesetz 2000 wurde dann von der FPÖVP-Regierung ein totaler Privatisierungsauftrag festgeschrieben. Österreich und seine Telekom sind ein EU-Musterschüler der Liberalisierung. Für die Beschäftigten bedeutete all das in den letzten Jahren zunehmenden Arbeitsdruck, Unsicherheit oder sogar Arbeitsplatzverlust.“(1)

Aus dieser Analyse gilt es Konsequenzen zu ziehen: Wir brauchen wieder einen starken staatlichen und gemeinnützigen Sektor in strategischen Industrie- und Infrastrukturbereichen, um eine demokratische Wirtschaftspolitik betreiben zu können. Nur so können strategische Unternehmen wie die Telekom davor bewahrt werden, zum Spielball von kurzsichtigen Dividendenjägern und fernen Konzernzentralen zu werden. Das EU-Liberalisierungsregime hat sich als Einbahn in Richtung Privatisierung und Ausverkauf erwiesen. Aus dieser Sackgasse müssen wir raus, um wieder Raum für solidarische Alternativen zu gewinnen. Dafür steht die Solidarwerkstatt, dafür brauchen wir noch viele MitstreiterInnen!


Gerald Oberansmayr


Anmerkungen:
(1) Wilfried Leisch, Ausverkauf der Post, Arbeit&Wirtschaft, AK-Wien, 15.4.2003
(2) Standard, 19.3.2001
(3) Vorarlberger Nachrichten, 24.4.2014
(4) Die Presse, 2.6.2014