
Im Unternehmensmonitor 2012 untersuchte die Arbeiterkammer 1.247 mittelgroße bis große Kapitalgesellschaften im Jahr 2011 mit rd. 625.000 Beschäftigten. Das Ergebnis ist zunächst frappierend. Krise hin oder her – eigentlich geht es den Unternehmungen, insbesondere ihren Eigentümern, prächtig:
=> 2011 lag die Eigenkapitalrentablität dieser Unternehmungen bei beachtlichen 12,9%, in der Industrie gar bei fabelhaften 23,1%.
=> Besonders exorbitant sind die Gewinnausschüttungen an die Eigentümer bzw. Aktionäre: Im Jahr 2011 betrugen die Gewinnausschüttungen 45% Prozent der Lohn- und Gehaltssumme dieser Unternehmen; damit werden sogar die Vorkrisenjahre weit übertroffen!
=> Entsprechend wenig wird real investiert: Die Gewinnausschüttungen und Dividenden machen 132,3% der Sachinvestitionen aus; in der Industrie sogar horrende 190,8%. D.h. in der Industrie wird fast doppelt soviel Gewinn ausgeschüttet wie investiert.
=> Der effektive Steuersatz liegt bei 19,4%, also deutlich unter dem nominellen Körperschaftssteuersatz von 25%. Steuerliche Begünstigungen wie die Gruppenbesteuerung etc. führen dazu, dass der effektive Steuersatz nun schon seit Jahren unter der 20%-Marke liegt.
Gewinnausschüttung wächst fünf Mal so stark
Diese Zahlen können abgerundet werden mit einer etwas früher erschienen AK-Wertschöpfungsbarometer – Trend 2011, um nicht nur prozentuelle, sondern auch quantitative Größenangaben über einen längeren Vergleichszeitraum zu verdeutlichen. Diese Untersuchung bezieht sich für 2011 auf 836 Kapitalgesellschaften mit rd. 381.000 Beschäftigten:
Für 2011 wurde dort knapp 99.000 Euro Wertschöpfung pro Beschäftigten erhoben, davon sind etwas über 58.000 Personalkosten, d.h. der Überschuss der durchschnittlichen Pro-Kopf-Wertschöpfung (wertmäßige Produktivität) über den durchschnittlichen Pro-Kopf-Personalaufwand, nennen wir es der Einfachheit halber „Mehrwert“, liegt bei über 40.000 Euro.
Zwischen 2002 und 2011 sehen wir folgende Entwicklungen: Personlaufwand plus 21% (was nur knapp über der Inflation liegt); Mehrwert plus 53%, Dividendenausschüttungen plus 108%. D.h. der Anteil der Löhne und Gehälter an der gesamten Wertschöpfung sank von 65% auf 58,6%; entsprechend spiegelbildlich stieg der Mehrwert. Die Gewinnausschüttungen haben sich sogar fünf Mal so dynamisch entwickelt wie die Löhne und Gehälter. Ihr Anteil an der gesamten Wertschöpfung stieg von 10,9% auf 17,2%.
11 Milliarden...
Besonders beachtlich: Nimmt man die Ergebnisse beider Studien zusammen, so ergeben sich für 1.247 Kapitalgesellschaften für das Jahr 2011 eine Gewinnausschüttung von rd. 11 Milliarden Euro. Diese 11 Milliarden gehen an eine verschwindende Minderheit der Gesellschaft. 92% der Unternehmensbeteiligungen sind beim obersten Zehntel der Bevölkerung konzentriert, 60% beim obersten Hunderstel, 39% beim obersten Tausendstel, 25% beim obersten Zehntausendstel. 11 Milliarden sind eine gewaltige Summe - drei Vergleichszahlen:
1) Alle Gemeindeinvestitionen (ohne Wien) machten in Österreich 2011 1,5 Milliarden aus. Die Gewinnausschüttungen an diese Kapitalgesellschaften macht also mehr als das 7-Fache aller Gemeindeinvestitionen aus. Während also eine verschwindend kleine Anzahl von Großaktionären gemästet wird, verkommt die Infrastruktur in unseren Gemeinden. Seit 1994 hat sich der Anteil der Gemeindeinvestitionen am BIP gedrittelt und macht jetzt nur mehr 0,5% aus.
2) Die Lohnsumme aller Arbeiterinnen im Jahr 2011, das ist über eine halbe Millionen Frauen, beträgt rd. 6,3 Milliarden Euro. Fast das Doppelte dürfen eine Handvoll Aktionäre einstreichen. Die Reallöhne in den unteren ArbeiterInnenbereichen sind in den letzten Jahren zum Teil dramatisch eingebrochen .
3) Mit der sog. „Gesundheitsreform“ sollen bis zum Jahr 2020 11 Milliarden im Gesundheitsbereich gegenüber den Bedarfsprognosen eingespart werden. Sonst „explodieren“ die Gesundheitskosten, erklären uns Regierungsparteien und Industriellenvereinigung unisono. Deshalb sollen mit der „Gesundheitsreform“ die Gesundheitsausgaben in Zukunft „gedeckelt“ werden, d.h. sie dürfen nur mehr im Ausmaß des BIP wachsen. Seltsamerweise ist es aber überhaupt kein Problem 11 Milliarden in einem Jahr (!) den AktionärInnen von 1.247 Kapitalgesellschaften rüberzuschieben. Zum Vergleich: Das BIP ist zwischen 2002 und 2011 (nominell) um 37% gestiegen, die öffentlichen Gesundheitsausgaben um 48%, die Gewinnausschüttungen der von der AK untersuchten Unternehmen um 108%. Was bitte ist da wirklich explodiert?
Warum werden Gemeindeinvestitionen ausgehungert werden, warum brechen Reallöhne ein, warum müssen die Gesundheitsausgaben „gedeckelt“ werden, die uns allen nützen, während Dividenden, die nur eine kleinen Minderheit nützen, sakrosankt sind? Wir wissen, dass dahinter mächtige Interessen und ein mächtiger politischer Wille steht, der sich vor allen in den verschiedenen EU-Vorgaben kristallisiert (Six-Pack, Two-Pack , Euro-Plus-Pakt, Fiskalpakt, usw.), durch die öffentliche Ausgaben und Löhne nach unter gedrückt werden sollen, um die Profitabilität der europäischen Industrie- und Finanzkonzerne in den „globalen Produktionsschlachten“ zu stärken und ihnen neue Anlagefelder zu erschließen. Die hypertrophen Dividendenausschüttungen, die parasitären Luxuskonsum, Spekulation und Wirtschaftskrise anheizen, sind Ausdruck dafür, dass dieses Konkurrenzregime zunehmend überlebt ist und für große Teile der Bevölkerung keine lebenswerte Zukunftsperspektive gewährleisten kann.
Solidarsta.At statt EU-Konkurrenzregime!
Über die Europäische Union, ihre Verträge und Institutionen ist dieses Konkurrenzregime regelrecht einzementiert worden. Der Ausstieg Österreichs aus diesem EU-Konkurrenzregime ist daher die Voraussetzung dafür, die Alternative in Richtung eines Solidarstaates zu öffnen, in dem kooperative Rahmenbedingungen es ermöglichen, die wachsende industrielle Produktivität zur Verbesserung der Lebensqualität zu nutzen, statt damit Aktionäre zu mästen: also deutliche Anhebung der unteren Einkommen, Arbeitszeitverkürzung und massiver Ausbau des sozialwirtschaftlichen Sektors, d.h. mehr Geld für Gesundheit, Pflege, Bildung, Umweltschutz, sozialen Wohnbau, öffentlichen Verkehr, erneuerbare Energien, Kultur, kommunale Dienstleistungen und Infrastrukturen. Nicht der Ausbau dieses öffentlichen Sektors, sondern dessen ständige Beschneidung stellt einer riesige Verschwendung dar: Zerstörung von Umwelt und sozialem Zusammenhalt, Beeinträchtigung von physischer und psychischer Gesundheit, Demütigung von Menschen und Entwertung ihrer Arbeitskraft, Brachliegenlassen von geistigen und kulturellen Potentialen, Verlotterung von Infrastrukturen, wachsende Verrohung der gesellschaftlichen Beziehungen. Aus dieser Sackgasse müssen wir raus. Setzen wir dafür am 12. Mai ein öffentliches Zeichen: Solidarsta.At statt EU-Konkurrenzregime!
Quellen:
- AK-Unternehmensmonitor 2012, Österreichische Unternehmen unter der Lupe (2007-2011), AK OÖ, AK NÖ, AK Wien; März 2013
- AK-Wertschöfpungsbarometer – Trend 2011, AK OÖ, November 2012