ImageInfolge des EU-Beitritts setzt eine Welle von Privatisierung und Liberalisierung in Österreich ein. „Die bisherigen Privatisierungen haben für den Staat, für die österreichische Bevölkerung und für die arbeitenden Menschen nur Negatives gebracht,“ analysiert ÖGB-Chef Erich Foglar.

EU-Kommission forderte Privatisierung

ImageDer EU-Binnenmarkt sei das „größte Deregulierungsprojekt der Menschheitsgeschichte“, frohlockte der neoliberale EU-Kommissar Bangemann bereits in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Tatsächlich hat der EU-Binnenmarkt eine gigantische Privatisierungswelle in den EG/EU-Staaten ausgelöst (sh. Grafik 1). Die EU-Verträge schreiben vor, dass auch öffentliche Dienste in hohem Maß der „freien Marktwirtschaft mit offenem Wettbewerb“ untergeordnet werden.

ImageSchon beim Ansuchen um den EG/EU-Beitritt hat die EU-Kommission Österreich darauf hingewiesen, dass der „hohe Staatsanteil“ der österreichischen Wirtschaft ein ernsthaftes Beitrittshemmnis sei. Bereits im Vorfeld des EG/EU-Beitritts setzten erste Privatisierungswellen ein (z.B. AMAG, Steyr-Daimler-Puch); ab 1994 kam es zu einem regelrechten Privatisierungsfuror (sh. Grafik 2), dem alle Regierungen – ob Rot-Schwarz oder Schwarz-Blau verfallen waren. Dieser Privatisierungswut fielen zunächst die Verstaatlichte Industrie und die öffentlichen Banken, im zunehmenden Maß auch Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge zum Opfer (Post, Telekom, Energiewirtschaft, Verkehr, kommunale Dienstleistungen, usw.). Der Großteil der Privatisierungen fand übrigens unter SPÖ-Kanzlern statt bzw. fielen in sozialdemokratisch dominierte Entscheidungsbereiche (Bank Austria, BAWAG).

„Zuerst liberalisieren, dann privatisieren“
Die Privatisierung öffentlicher Dienste steht in einem engen Zusammenhang mit EU-Liberalisierungsvorgaben. „Zuerst liberalisieren, dann privatisieren“, charakterisierte Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein diese Strategie der EU-Kommission. Das allgemeinen Liberalisierungsgebot der EU-Verträge wird oftmals über sektorenspezifische Liberalisierungsrichtlinien (sh. Seite 16) durchgesetzt. Sobald öffentliche Dienste und Infrastrukturen wie Post, Energie, Eisenbahn, kommunale Dienste usw. dem EU-Binnenmarktregime unterworfen werden, müssen sie sich dem Marktzwang von „Wachsen oder Weichen“ unterwerfen. Ausländische Großkonzerne stehen dann zumeist bereits in der Tür, um sich die profitablen Filetstücke einzuverleiben. Die Aktionäre privatisierter Betriebe gehören denn auch zu den größten Nutznießern von Liberalisierung und Privatisierung. Teilprivatisierte Betriebe wie Post und Telekom wurden „wie Weihnachtsgänse“ ausgenommen (sh. Kasten, Seite 16). Auch die freiheitliche „Wos woa mei Leistung“-Buberlpartie sollte bei den Abzockern der Privatisierung nicht vergessen werden.

Die große Mehrheit der KonsumentInnen gehört dagegen nicht zu den Gewinnern von Privatisierung und/oder Liberalisierung. Sie ist mit Streckenstillegung (Bahn), Rückgang von Investitionen und Kahlschlag beim Filialnetz (z.B. Post) oder geschmalzenen Preiserhöhungen (z.B. Energie) konfrontiert. Die ArbeitnehmerInnen gehören so gut wie immer zu den VerliererInnen: Abbau der Beschäftigten, Erhöhung des Arbeitsdrucks, Lohnsenkungen, Sozialabbau und – last but not least – Betriebsschließungen (z.B. Semperit, Austria Tabak, Bank Austria) gehören mittlerweile zum Standardrepertoire von Liberalisierung und Privatisierung.

Auch die SteuerzahlerInnen zahlen drauf

Aber der/die vielzitierte Steuerzahler/in, gehört nicht wenigstens der/die zum Nutznießer, wenn der Staat sein Tafelsilber verkauft? Fehlanzeige: Untersuchungen der AK haben ergeben, dass durch die Privatisierung von OMV, Post und Telekom dem Staatshaushalt seit der Privatisierung netto (Einmaleinnahmen minus entgangene Ausschüttungen) ein Verlust von fast 1,8 Milliarden Euro entstanden ist (1). Auch durch die Totalprivatisierung der Voestalpine im Jahr 2003 sind seither bis zu 100 Millionen Euro (2) dem öffentlichen Budget – netto – durch die Lappen gegangen.

Doch das ultimative Budgetdesaster stellte die mit dem EU-Beitritt verbundene Liberalisierung der Finanzmärkte dar. Denn erst dadurch galt auch für österreichischen Banken ab den 90er Jahren die unerschütterliche Devise: „Wachsen oder Weichen!“. Am Ende dieses neoliberalen Teufelskreises stehen nicht nur der Ausverkauf vieler Banken (Bank Austria, BAWAG) samt dem Verlust tausender Arbeitsplätze, sondern auch die verheerenden Bankenpleiten (Hypo Alpe Adria, Volksbanken), die den SteuerzahlerInnen schon bisher über 11 Milliarden gekostet haben, möglicherweise aber viel noch (sh. S. 16).

Private Konzernmacht contra Demokratie
Die größte Verliererin ist aber wohl die Demokratie. Denn eine demokratische Regulierung der Wirtschaft verlangt einen starken öffentlichen, gemeinwirtschaftlichen und genossenschaftlichen Sektor. Nur so kann verhindert werden, dass die Interessen von ArbeitnehmerInnen aber auch von Klein- und Mittelbetrieben unter die Räder der Übermacht der großen transnationalen Konzerne kommen. Privatisierung und Liberalisierung von wirtschaftlichen Kernbereichen gehen Hand in Hand mit der schrittweisen Entmündigung der gewählten Parlamente. „Die bisherigen Privatisierungen haben für den Staat, für die österreichische Bevölkerung und für die arbeitenden Menschen nur Negatives gebracht,“ analysiert folgerichtig ÖGB-Chef Erich Foglar (3). Nicht analysiert wird vom Gewerkschaftschef leider, warum sich die ÖGB-Führungen seit Anfang der 90er Jahre diesem fatalen Kurs der Liberalisierung und Privatisierung nicht nur weitgehend kampflos untergeordnet, sondern ihm durch Unterstützung der diversen EU-Verträge und -Bestimmungen auch noch Tür und Tor geöffnet haben.

Liberalisierung in Österreich seit dem EU-Beitritt konkret:
Eisenbahn, Finanzmarkt, Post, Telekom, Energie
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&view=article&id=1456&Itemid=1


Quellen:
(1) Was kosten Privatisierungen? Georg Feigl und Michael Heiling, AK-Wien, 2012
(2) Sh. Werkstatt-Blatt 3/2014
(3) ORF, 13.1.2015


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