Der „Strategiebericht des Finanzministeriums zum Bundesfinanzrahmengesetz 2014-2017“ enthüllt, worum es in der Budgetpolitik wirklich geht: 13 Milliarden weniger an öffentlichen Leistungen – Jahr für Jahr. Das EU-Twopack schafft die Voraussetzungen für die Durchsetzung dieser Politik.

 

Dieser „Strategiebericht“ ist aus mehreren Gründen lesenswert. Da man davon ausgeht, dass ohnehin niemand freiwillig dieses knochentrockene 116 seitige Konvolut durchackert, wird auf die üblichen Propagandaslogans verzichtet. So wird klar und deutlich ausgesprochen, dass Kaufkraftkürzungen bei Pensionen, Nulllohnrunden und Stellenabbau im öffentlichen Dienst und Milliarden-Einsparungen im Gesundheitsbereich auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden können: EU. Oder genauer gesagt: die fünf Richtlinien und eine Verordnung des sog. EU-Sixpack, den EU-Fiskalpakt und ab 2014 dann die beiden Verordnungen des EU-Twopack. Der im Fiskalpakt vorgegebene und mit drakonischen Strafen versehene „strukturelle Budgetsaldo“ von maximal 0,5% des BIP wird „zur neuen Zielgröße in der Wirtschaftspolitik“ (S. 9), bekennt der Strategiebericht. Und zwar offensichtlich zur nahezu einzigen, denn die für 2012-2017 angeführten Zahlen lassen ein regelrechtes Crashprogramm nach den Wahlen im Herbst erwarten.

Ein kleiner Erdrutsch

Die Ausgabenobergrenzen des Bundes (ohne Zinszahlungen) sollen gemessen als Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 21,3% (2012) auf 18,9% (2017) sinken. Ein Minus von 2,3%, das klingt wenig, ist aber ein kleiner Erdrutsch. In absoluten Zahlen umgelegt bedeutet das, dass den Menschen in diesem Zeitraum über 32 Milliarden Euro an öffentlichen Leistungen vorenthalten werden sollen - verglichen mit einem Konstantbleiben der Ausgabenquote auf dem Niveau von 2012. Davon würden auf den Sozialbereich über 9,5 Milliarden entfallen, auf den Bildungsbereich rd. 4,3 Milliarden.

Bei zwei Budgetposten sollen die Bundesausgaben im Zeitraum 2012/13-2017 sogar absolut gekürzt werden: für Wissenschaft & Forschung sowie für Umweltschutz. Soviel zur Zukunftsfähigkeit dieser Budgetpolitik. Die sog. „Kostendämpfung“ durch die „Gesundheitsreform“ und die vielen Sparprogramme auf Länder- und Gemeindeebene sind in diesem Strategiebericht gar nicht enthalten, weil dieser nur die Bundesausgaben aufschlüsselt.

Dafür, dass wir bei Sozialem, Bildung und Umwelt sparen, explodiert der sog. „Primärüberschuss“, also der Saldo aus Einnahmen minus Ausgaben (ohne Zinsen), und zwar von 0,1% des BIP auf 2,7% der österreichischen Wirtschaftsleistung. Der EU-Kommission ist das übrigens noch immer zu wenig. Im „Fiscal Stability Report 2012“ hat sie einen Primärüberschuss von über 4% angemahnt. In Zeiten der Rekordarbeitslosigkeit ein geradezu abenteuerlicher Kurs.

Haarscharf das Strache-FPÖ-Budget

Wir alle hätten „über unsere Verhältnisse gelebt“, darum müssten wir jetzt „den Gürtel enger schnallen“, suggerieren uns Politik und Medien Tag und Nacht, um uns für den Sozialabbau weichzuklopfen. Auf solches Propagandagetöse verzichtet der Strategiebericht des Finanzministeriums. Dafür erfährt man, wo wirklich das Geld beim Fenster rausgeschaufelt worden ist: So machten alleine im Jahr 2012 die österreichischen Zahlungen für die Euro-„Rettungsschirme“ ESM/EFSF (4,6 Mrd.) und die Bankenhilfe (2,7 Mrd.) gemeinsam 7,3 Milliarden Euro aus. Das ist mehr als die geplanten Einsparungen durch Kaufkraftverluste bei PensionistInnen (minus 2,5 Mrd. in den Jahren 2013/14), Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst (minus 1,1 Mrd. in den Jahren 2013/14) und die „Kostendämpfungen“ bei der Gesundheit (minus 3,4 Mrd. bis 2016) in Summe ausmachen!

Manch einer mag trotzdem einwenden: Ja, aber ist es denn so schlecht, endlich bei Verschuldung und Defizit auf die Bremse zu steigen? Abgesehen davon, dass es natürlich davon abhängt, wofür man sich verschuldet, ist da freilich etwas Wahres dran. Natürlich kann es gefährlich sein, ständig Schulden anzuhäufen. Aber dieser EU-Politik geht es nicht um die Reduzierung von Defizit und Verschuldung – das könnte ja schließlich auch einnahmenseitig geschehen. Die verschiedenen Defizit- und Verschuldenskriterien sind bloß Instrumente für die EU-Technokratie, um die öffentlichen Leistungen zu drosseln, damit die großen Konzerne ohne den „Ballast“ des Sozialstaates für den Kampf um den Weltmarkt „fit“ gemacht werden. Laut Strategiebericht soll die öffentliche Ausgabenquote am BIP in Österreich von 2010 bis 2017 um 4% sinken. Zur Veranschaulichung: Minus 4% heißt minus 13 Milliarden, die jährlich an öffentlichen Leistungen fehlen. Das entspricht in etwa der Hälfte der öffentlichen Gesundheitsausgaben. Gleichzeitig beteuern die beiden „Pinoccios“ Faymann und Spindelegger im Vorwahlinterview, dass es „mit uns kein Sparpaket“ geben wird (OÖN, 28.06.2013). Eine dauerhafte Absenkung um 4% bzw. 13 Milliarden, das bedeutet Sparpakete Jahr für Jahr – ohne ein Ende in Sicht.

Diese minus 4% entsprechen übrigens haarscharf einem Antrag der Strache-FPÖ aus dem Jahr 2009, die als Erste auf dieser beinharten EU-Linie segelte. Damals machten sich die Regierungsparteien noch über den neoliberalen Rabaukenkurs der Freiheitlichen lustig; EU-Sixpack, Fiskalpakt und EU-Twopack haben diesen Kurs mittlerweile zur offiziellen Regierungslinie gemacht, festgezurrt im Finanzrahmen bis 2017. Soweit zur „EU-Opposition“ der FPÖ und zur „Unverwechselbarkeit“ der Parlamentsfraktionen.

Für eine demokratische und soziale Kurswende!

Die Solidar-Werkstatt tritt für eine demokratische und solidarische Kurswende ein: Statt den Gürtel für die rabiaten Exportoffensiven der Großindustrie und die Dividenden ihrer Aktionäre ständig enger zu schnallen, wollen wir einen deutlich größeren Anteil der Wirtschaftsleistung für gemeinschaftliche Ausgaben wie Bildung, Forschung, Gesundheit, Pflege, Umweltschutz, öffentlichen Verkehr, sozialen Wohnbau, kommunale Infrastrukturen. In ausreichendem Volumen, dauerhaft und solidarisch finanziert werden kann das nur über Abgaben, die die gesamte Wertschöpfung erfassen; höhere Vermögenssteuern stellen eine sinnvolle Ergänzung dar, um öffentliche Investitionsprojekte anzukurbeln.

Dieser Kurswende ist wirtschaftlich vernünftig, weil sie die Krise abfedert und wertvolle Arbeitsplätze schafft, sie ist sozial fair, weil sich den armen Staat bekanntlich nur die Reichen leisten können, und sie ist friedenspolitisch geboten, weil der immer heftigere Kampf um die globalen Exportmärkte eine bedrohliche Militarisierung der Außenpolitik nach sich zieht. Mit der Unterordnung unter das EU-Regime und seine neoliberalen Technokratien ist eine solche Kurswende unvereinbar. Ganz und gar unvereinbar. Das hat der Strategiebericht des Finanzministeriums dankenswerterweise wieder einmal bestätigt.

Schon unterschrieben?  

Das EU-Twopack, das im Frühjahr 2013 heimlich, still und leise beschlossen worden ist, stellt eine wichtige Grundlage dar, um die in diesem Strategiebericht angekündigten neoliberalen Sparpakete durchpeitschen zu können. Die Solidar-Werkstat hat daher die Online-Kampagne "EU-Two-Pack einpacken! Budgetsouveränität wieder herstellen!" gestartet. Bitte hier unterschreiben: http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&view=article&id=864&Itemid=1